laut.de-Kritik
Die Amis tauschen Rebellentum gegen Radio-Airplay.
Review von Robert FröweinEs hat sich ja schon auf dem Vorgängeralbum "Nothing Personal" abgezeichnet, doch mit dem vierten Langeisen "Dirty Work" sind die überzeugten Emoscheitel-Träger All Time Low endgültig in den heiligen Hallen des Kommerzes angekommen. Liegt vielleicht am fortschreitenden Alter, liegt vielleicht aber auch daran, dass die Jungs erst unlängst beim Majorlabel Interscope unterzeichnet haben und die Mainstream-Anbiederung dadurch forciert wurde.
Jedenfalls sind die rebellischen Züge von "The Party Scene", diese pubertären Gefühlslagen, die "So Wrong, It's Right" verströmt hat, völlig verschwunden. Dabei beginnen Alex Gaskarth und Konsorten mit "Do You Want Me (Dead?)" durchaus erfrischend und erschaffen mit dem genretypischen simplen Riffing eine fröhliche Blink 182 Atmosphäre, die noch am ehesten an dieses kompromisslose junge Kleeblatt erinnert, das noch während ihren High School Jahren für feuchte Mädchenträume sorgte.
Das Rebellentum wird aber schon bei der Singleauskoppelung "I Feel Like Dancin'" eingestellt, wo sich All Time Low ungewohnt zahm und beliebig präsentieren. Überhaupt zieht sich diese "Bubblegum-Atmosphäre" von einem Song zum nächsten, Ecken und Kanten sind bei Songs wie "Forget About It" oder "Time Bomb" nicht zu bemerken. Viel eher erinnern All Time Low an eine jugendliche Stadionrock-Band, was sich vor allem beim Song "Just The Way I'm Not" manifestiert, der in seiner Rhythmik verdammt stark an die 80er Jahre Megaseller Def Leppard erinnert.
Aus diesem klebrigen Kommerzialisierungs-Kubik brechen sie auch mit The Sounds Sängerin Maja Ivarsson auf "Guts" nicht aus. Wo wollen All Time Low hin? Man weiß es wohl selbst nicht.
"That Girl" und vor allem "Heroes" am Albumende erinnern partiell an die alten Zeiten, aber die Songs passen nicht in das Schema von "Dirty Work", wirken wie Fremdkörper auf einer CD, die eindeutig darauf abzielt, endlich das Radio-Airplay zu bekommen, das den Marylandern bisher standhaft verwehrt blieb. Dies geht aber zu Lasten der Bandphilosophie, der Originalität und der Punk-Zugehörigkeit. Das austauschbare "Under A Paper Moon" und die nach Schema F zusammengestoppelte Halbballade "No Idea" werden mit Sicherheit neue, minderjährige Fans anlocken, doch vielen treuen Anhängern wird diese neue Ausrichtung der Band zu schmalzig und beliebig sein.
Zudem krankt "Dirty Work" an einer allzu glatten Produktion, an der ein halbes Dutzend Szenegrößen gefeilt haben. Viele Köche verderben nun mal den Brei. Quo Vadis All Time Low? Für "Girls, Money And Fame" ist dieser zuckersüße American Pop samt den fast gänzlich verschwundenen Punk-Anleihen mit Sicherheit förderlich. Fans seien aber gewarnt, dass der Vierer auf dem Album nun endgültig mit den Jugendtagen gebrochen hat. Und ob das gelungen ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
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