2. Mai 2019

"Ohne gute Musik helfen alle Flammenwerfer nichts"

Interview geführt von

Amon Amarth entfesseln den "Berserker" und öffnen damit ein neues Kapitel in ihrer Karriere. Songwriter Olavi Mikkonen und Bassist Ted Lundström berichten von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Band.

Death Metal auf Platz 1 der Deutschen Albumcharts – ein seltener Anblick. Amon Amarth machten ihn 2016 mit "Jomsviking" möglich. Ein Happy End für die Jubiläumsdokumentation "The Pursuit Of Vikings: 25 Years In The Eye Of The Storm". Nun schlagen die Schweden ein neues Kapitel auf und genießen ein wenig den wohlverdienten Luxus. Vier Recording-Sessions mit zwei Produzenten beraumten sie für ihr elftes Album "Berserker" an.

Während der Vorgänger "Jomsviking" auf einem Storykonzept von Sänger Johan Heggs basierte, schrieben Amon Amarth "Berserker" wieder als klassisches Song-by-Song-Album. Wikinger-Mythen leben trotzdem auf: Der Schildwall steht wie eine Eins, Thors Hammer fliegt unermüdlich, und der Titelheld kämpft in der Schlacht von Stamford Bridge gegen die Angelsachsen.

Amon Amarths Frontberserker Hegg kämpft heute leider vor allem gegen Erkältungsbazillen und muss das Bett hüten. Dafür empfangen uns seine beiden Gründerkollegen Olavi Mikkonen und Ted Lundström – nicht irgendwo, sondern in einer alten Burg. Das Ambiente stimmt also.

Im Pressetext werdet ihr mit den Worten zitiert, "Berserker" sei Amon Amarth 2.0. In Bezug worauf meint ihr das?

Ted Lundström: Das fragen wir uns auch. (lacht)

Olavi Mikkonen: Die Doku "The Pursuit Of Vikings" war gewissermaßen der Abschluss von Kapitel 1. Mit "Berserker" schlagen wir ein neues auf. Wir haben ein neues Line-Up und irgendwie fühlt es sich an als hätten wir nach der DVD mit der Vergangenheit abgeschlossen. Oder?

Ted: Ja, vielleicht. Es könnte vieles bedeuten. Ich weiß gar nicht, von wem das 2.0-Zitat stammt. Wahrscheinlich von Johan. Die vergangene Saison lief sehr erfolgreich für uns. Wir sind ziemlich gewachsen in letzter Zeit. Das ist also der nächste Schritt. Ein guter Start für den nächsten Teil von Amon Amarth.

"Jomsviking" landete sowohl in Deutschland als auch Österreich auf Platz 1 der Albumcharts. Wie hat sich das auf die Beziehungen hinter den Kulissen ausgewirkt? Hat sich der Druck vom Label erhöht, diesen Erfolg mit dem nächsten Album zu wiederholen?

Olavi: Ich glaube es hat vor allem geholfen, Leute auf uns aufmerksam zu machen, die uns vorher nicht so auf dem Schirm hatten. Wir haben damals bei einem großen Label unterschrieben, das vielleicht nicht unbedingt erwartet hätte, dass eine Band wie wir einen solchen Erfolg haben kann. Aber das zeigt eben, dass auch eine Band wie wir erfolgreich sein kann und dass die Metal-Community immer noch sehr stark ist. Aber für uns hat sich nicht wirklich etwas verändert. Das sind alles Formalien. Die ändern nicht, was wir tun. Sowas setzt mich nicht unter Druck.

Ted: Den Druck machen wir uns selbst. Platz 1 oder 2 spielt für uns keine große Rolle. Für uns ist wichtig, die Band aufs nächste Level zu bringen. Wenn dein Album in einer Woche erscheint, in der auch neun andere große Acts veröffentlichen, etwa Bruce Springsteen und Rammstein, dann kriegst du die Nummer 1 vielleicht eh nicht.

Klar. Aber selbst wenn die Konkurrenz schwach war, bringt dir eine Nummer 1 doch Anerkennung.

Ted: Richtig. Es war super für die Band, das zu erreichen. Es öffnete uns einige Türen, zum Beispiel zu größeren Medienformaten.

Olavi: Auch große Medien, die sich vorher nie für eine Band wie uns interessiert haben, können uns jetzt nicht mehr ignorieren.

Fühlt ihr euch in der Hinsicht als Botschafter für die extremere Metalszene? Ich kann mich nicht erinnern, dass eine andere Band mit Death Metal-Vocals Ähnliches erreicht hat.

Olavi: Ich würde uns nicht als Fackelträger bezeichnen, aber du hast schon recht. Wir sind wahrscheinlich auch die einzige Band mit Schreigesang, bei der Leute mitsingen. Viele Dinge machen uns einzigartig. Aber ich fühle mich nicht als Fackelträger.

Ted: Ich finde auch nicht, dass es das unbedingt braucht. Aber schon dass wir hier sitzen und all das machen können, zeigt, dass wir versuchen, eine Brücke zwischen dem extremen Rand und dem Rest zu bauen. Es ist mehr eine fließende Sache.

Vor allem zeigt ihr, dass Bands, die "nur Lärm machen", tatsächlich ziemlich catchy und zugänglich sein können.

Ted: Ja, das kann schon Türen für andere Leute öffnen.

Olavi, du hast eben schon die Dokumentation "The Pursuit Of Vikings" erwähnt. Für den Film musstet ihr euch mit eurer gesamten Bandgeschichte auseinandersetzen. Was hat das in euch bewegt? Wurden vielleicht dadurch Veränderungen angestoßen?

Olavi: Bewusst nicht, aber irgendwie schon. Du hörst es auf dem neuen Album. Dort gibt es eine Menge Stellen, die Erinnerungen an Amon Amarth vor 15 Jahren wecken. Für die zweite auf der DVD enthaltene Liveshow probten wir eine Menge alter Songs...

Ted: Wir guckten uns Fotos an, wühlten in unseren Kellern und fanden Dinge, die man im Lauf einer so langen Karriere vergisst. Das war schon cool. Jeder grub nach altem Zeug und jeder erinnerte sich an andere Erfahrungen. Das hat echt Spaß gemacht.

Stammte das Material für die Doku hauptsächlich aus euren eigenen Archiven oder auch von Fans?

Ted: Einiges musste von Fans kommen, zum Beispiel Videoclips. Aber das meiste haben wir aus unseren eigenen Kellern geholt.

"Amon Amarth liegt unter einer Wikinger-Decke"

Einen großen Teil der Doku widmet ihr eurem inzwischen verstorbenen Mentor Michael Trengert, der den europäischen Metal Blade-Ableger gegründet und das Summer Breeze Festival mitveranstaltet hat. Wie hat sein Ableben die Band verändert? Nahm jemand anders seine Rolle ein?

Olavi: Ich denke manchmal: "Ja, das hätte Michael gefallen" Er wäre stolz auf das, was wir heute machen. Als er krank wurde und wir realisierten, dass es mit ihm nicht mehr weitergehen würde, fingen wir an, mit einem anderen Management zu arbeiten. Unser jetziger Manager hat dieselbe Rolle, die Michael damals hatte. Aber die Vision, die er damals hatte, haben wir weitergeführt. Wir haben sie einfach auf die nächste Stufe gebracht.

Ted: Er half uns dabei, einen Pfad festzulegen – einen Plan, was zu tun ist. Wir haben weiter in diese Richtung gearbeitet. Als er wegfiel mussten wir seine Verantwortungen übernehmen und natürlich mehr selbst machen. Er war Teil davon, die Zukunft Amon Amarths zu gestalten, aber irgendwann mussten wir uns eben selbst darum kümmern.

Im Film kommt gut rüber, wie nahe euch sein Tod ging und was Michael für die Band bedeutete. Wünscht ihr euch nicht manchmal, das Wikinger-Universum in den Texten aufbrechen zu können, um solch persönlichen Dinge direkter verarbeiten zu können?

Olavi: Ich glaube, wir können das trotzdem. Wir verdecken es natürlich mit dem Wikinger-Motiv, aber wenn du dich tiefer damit beschäftigst, kannst du dich schon damit identifizieren. Natürlich liegt Amon Amarth unter einer Wikinger-Decke, aber tatsächlich haben wir recht viele Songs mit persönlicher Ebene, die nicht unbedingt das sind, was sie auf den ersten Blick scheinen zu sein.

Ted: Es können ganz verschiedene Emotionen aus dem echten Leben sein, die man dann verwikingert. Johan sagt immer wieder, dass er viel Inspiration aus seinem persönlichen Leben oder dem von Menschen in seinem Umfeld zieht und das dann in Wikinger-Lyrics verpackt. Wenn du die Geschichte dahinter nicht kennst, bleibt es für sich ein guter Text und wenn du die Geschichte kennst, erkennst du, dass durchaus Tiefe drinsteckt.

Auf "Berserker" stechen dabei vor allem "Into The Dark" und "When Once Again We Can Set Our Sails" hervor. Hier sind die Metaphern recht klar erkennbar.

Olavi: Absolut. Als ich an "When Once Again We Can Set Our Sails" gearbeitet habe, dachte ich mir, es klingt als würde man sich nach etwas sehnen – besonders bei der Chorus-Melodie. Ich bin auf Tour und kann es kaum erwarten, heimzukommen und meine Familie zu treffen.

Ted: Oder umgekehrt. (lacht)

Olavi: Haha, ja stimmt. Jedenfalls sehnt man sich nach irgendwas.

Ted: Momentan sehnen wir uns danach, dass die Fans das Album hören. Die Platte ist geschrieben, aufgenommen, gepresst – wir warten nur.

Also beeinflussen die Texte auch das Songwriting?

Olavi: Ich denke schon. Bei den beiden Songs, die du erwähnt hast, hat Big J die Lyrics basierend auf den Ideen, die beim Songwriting kamen, geschrieben. Bei "When Once Again We Can Set Our Sails" war es eben dieses Sehnen, bei "Into The Dark" stellte ich mir vor, wie sich Depressionen wohl anfühlen. Ich litt selbst nie an Depression, aber ich versuchte mich dafür in die Lage zu versetzen. Wie es wohl ist, diese Dunkelheit in sich zu tragen und sich zu fühlen, als würde sie beinahe explodieren und du hast keine Ahnung, was du mit den Gefühlen anfangen sollst. Das habe Big J erklärt. Dann hat er die Lyrics geschrieben. Wenn er dann zeigt, was er geschrieben hat, kann man wiederum die Musik daran anpassen. Wir spielen immer hin und her.

Ted: Wobei bei diesem Album mehr als zuletzt galt: Erst Musik, dann Lyrics. Bei "Jomsviking" dagegen standen natürlich alle Texte zuerst. Andere Male hatten wir bis zuletzt gar keine Lyrics. Diesmal entstand erst viel Musik, dann kamen langsam die Worte dazu.

Eine große Veränderung gab es im Recording-Prozess. Ihr seid für die Aufnahmen nach Los Angeles geflogen. Neulich habe ich mich mit In Flames unterhalten, die ebenfalls dort aufgenommen haben und fest davon überzeugt sind, dass die Umgebung die Stimmung eines Albums beeinflusst. L.A. bedeutet für sie sonnigere, freundlichere Klänge als zum Beispiel das regnerische Berlin. Würdet ihr das unterschreiben?

Olavi: Naja, bei ihnen ist das glaube ich nochmal eine andere Situation, weil sie tatsächlich auch dort die Songs schreiben. Wir sind nur zum Aufnehmen dorthin geflogen. Geschrieben haben wir die Songs zuhause.

Ted: Im kalten, dunklen Schweden ...

Olavi: Aber ich kann sagen: Etwa auf halbem Weg durch die Writing-Sessions entschieden wir uns, mit Jay Ruston zu arbeiten und in L.A. aufzunehmen. Das gab mir einen Boost. Ich war aufgeregt. Es war immer ein Traum von mir gewesen, mal dort aufzunehmen. Das inspirierte mich beim Schreiben. Aber die Aufnahmen laufen bei uns von 10 Uhr morgens bis 10 Uhr abends, sechs Tage die Woche. Du hast gar keine Zeit, irgendwas anderes zu tun oder die Sonne zu genießen. Wir saßen eh nur drinnen rum. Das Studio selbst war fantastisch. Aber L.A. haben wir kaum mitbekommen, weil wir keine Zeit dafür hatten. Zu wissen, dass wir das tun, half aber schon – zumindest mir.

Ted: Tolle Städte inspirieren, das ist so. Und diese Energie beeinflusst auch das Album. Wenn du gut drauf und aufgeregt bist, hilft das normalerweise auf die ein oder andere Weise.

"Berserker" ist das erste Album mit Jocke Wallgren am Schlagzeug. Hat sich dadurch die Dynamik im Studio verändert im Vergleich zu den Jahren zuvor?

Olavi: Jocke ist jetzt drei Jahre dabei, die Dynamik hat sich nicht wirklich geändert. Ohne jetzt schlecht über die Vorgänger sprechen zu wollen – ich empfand den Prozess als wesentlich smoother als früher.

Ted: Wir waren vorher zwei Jahre lang mit ihm auf Tour, das half sicherlich. Erst gestern habe zu jemandem gesagt: Es fühlte sich gar nicht an wie das erste Mal mit ihm im Studio, sondern so als hätten wir eh schon eine lange Zeit zusammengespielt. Aber für ihn war das natürlich neu. Was gut ist, denn er war aufgeregt und freute sich. Das steckte wiederum auch uns an.

Olavi: Er hat auch keine Angst davor, Neues auszuprobieren – Dinge, die nicht geplant oder die er nicht vorbereitet hatte. Wenn mir jemand in meine Licks reinreden möchte, muss ich erstmal auf die Bremse treten und üben. Bei ihm dagegen kommt sofort: "Oh ja! Klar!" Er hatte keine Angst vor Neuem und das ist großartig.

Habt ihr oft davon Gebrauch gemacht und im Studio die Drumparts verändert?

Olavi: Naja, beim eigentlich Recording waren wir bereits zum vierten Mal mit den Songs im Studio. Wir hatten schon zwei Sessions mit Peter Tägtgren in Schweden hinter uns und einen Monat vor den tatsächlichen Aufnahmen absolvierten wir noch eine Session mit Jay Ruston in Stockholm. Wir hatten also alles schon gemacht und alles mögliche ausprobiert. Bei den richtigen Aufnahmen waren die Songs also schon fast perfekt. Aber bei einem Song haben wir tatsächlich das komplette Drumming umgeworfen: "Mjölner, Hammer Of Thor". Beim Tracken der Rhythmusgitarren meinte Jay nach der Hälfte: "Es fühlt sich nicht richtig an. Irgendwas stimmt hier nicht." Wir änderten daraufhin den Beat in allen Parts des Songs. Jocke musste also etwas komplett anderes als ursprünglich geplant spielen. Das war überhaupt kein Problem! Er musste nicht üben oder ausprobieren. Der Song macht einen Riesenunterschied. Solche großen Änderungen ohne größere Schwierigkeiten hinzukriegen, ist schon cool.

War es das erste Mal, dass ihr so viele Studiosessions anberaumt habt?

Olavi: Ja, das erste Mal.

Ted: Wir werden es künftig vielleicht wieder so machen. Es ist super, wenn du die Songs aufnehmen, nochmal anhören, Ideen sammeln und dann etwas ändern und Neues schreiben kannst. Du kriegst auch mehr Input, etwa von Peter Tägtgren. Er ist ja selbst Songwriter und während der Aufnahmen schlägt er dann zum Beispiel vor, diesen einen Part abzukürzen, oder bringt Ideen ein. Wir hören zu und reagieren. Das ist eine tolle Art zu arbeiten.

Olavi: Oh ja. Wir hatten etwa sieben, acht Monate vor dem Recording Zeit, die Demos der ersten vier oder fünf Songs zu hören. Was du für Songs brauchst, ist Zeit. Du musst den Song vergessen und Monate später wieder hören. Dann weißt du, was gut und was nicht gut ist.

Habt ihr also Material der ersten Studiosessions letztlich rausgeschmissen?

Olavi: Nein, tatsächlich machten wir das Gegenteil. Wir hatten eigentlich nie geplant, zwölf Songs auf das Album zu packen. Wir hatten zwölf Songs aufgenommen, wollten aber nur zehn für die CD. Zwölf Songs sind eigentlich zu viele für ein Album. Damit kratzt du nahe an einer Stunde Laufzeit. Und ein einstündiges Album ist schon lang... Aber wir konnten uns nicht entscheiden, welche Songs wegfallen sollten.

Ted: Jeder vertrat eine andere Meinung. Am Ende sagten wir einfach: "Fuck it. Wir lassen alle zwölf drauf. Wenn die Leute keinen Bock haben, zwölf Songs zu hören, dann können sie ja hören so lange sie wollen."

Ich war etwas überrascht, dass ihr diesmal keine Kollaborationen eingegangen seid. Auf "Jomsviking" sang Doro mit, auf "Deceiver Of Gods" Messiah Marcolin...

Olavi: Sowas muss Sinn ergeben. Wir werden keinen Gast einladen, wenn es keinen Sinn ergibt. Sowas muss einen Zweck erfüllen.

Ted: Wir gehen nicht hin und sagen: "Lasst uns einen Song mit diesem Künstler machen." Alle unsere Kollaborationen entstehen, wenn jemand vorschlägt: "Oh, es wäre toll, den und den in diesem Song dabei zu haben. Schauen wir mal, ob er Zeit hat." Wenn diese Idee nicht kommt, lassen wir es bleiben. Wir wollen nicht einfach einen Gast einladen, nur um einen Gast auf der Platte zu haben. Diesmal hatten wir keine solche Idee, die funktioniert hätte, also ließen wir es sein. Heben wir uns das lieber fürs nächste Album auf. Vielleicht laden wir dann ja gleich zwei ein, wer weiß...

"Alles Schöne muss einmal enden"

Das Wikinger-Image ist noch immer ein wesentlicher Teil Amon Amarths und sicher auch ein Grund, warum ihr so groß geworden seid. Gerade heutzutage werden Images in der Musikwelt gefühlt immer wichtiger für Künstler, um sich in dem riesigen Konkurrenzpool von anderen abzuheben. Fürchtet ihr, dass das Image eines Tages die Musik komplett überdecken wird?

Ted: Egal was du machst: Du brauchst gute Musik. Du kannst die abgefahrenste Show überhaupt haben – wenn du keine gute Musik als Basis hast, wird es nicht funktionieren. Die Leute werden sich langweilen. Da helfen alle Flammenwerfer nichts. Sowas macht nur Spaß, wenn das Konzert insgesamt gut ist. Bands, die sich zu sehr auf die reine Show fokussieren und die Songs vernachlässigen, werden verblassen. Eine Weile wird das funktionieren, ja. Aber wenn die Leute uns zuhause zuhören, fehlt die Show – dann spricht nur die Musik. Man braucht beides. Für uns bilden Show und Musik eine Einheit. Alles muss gut sein.

Was seht ihr hierzu in der Zukunft Amon Amarths? Wie theatralisch könnt ihr werden?

Olavi: Für unsere Headliner-Tour im Herbst planen wir etwas, das definitiv größer ist als das, was wir bisher gezeigt haben. Es wird nicht nur eine Liveshow werden, sondern ein Event – Entertainment! Ich will nicht zu kitschig klingen, aber es wird etwas für Augen und Ohren geboten sein.

Ted: Es soll so eine Art "An Evening With"-Feeling geben.

Sollen es im Herbst "Evening With"-Events werden?

Ted: Nee, das machen wir nicht nochmal. Aber wir gehen die Showplanung mit ähnlichen Gedanken an. Das meinte ich. Du musst die Veranstaltung in etwas Besonderes verwandeln. Du sollst nicht zu einem Konzert gehen. Du sollst zu einem Event gehen! Dazu gehört alles: Die anfängliche Promotion, coole Tickets, Venue-Dekoration ... es gibt eine Menge Möglichkeiten. Selbst kleine Details können zum Gesamt-Feeling beitragen.

Im Mai tourt ihr gemeinsam mit Slayer durch Nordamerika, was eine ganz andere Situation werden wird. Ihr seid nur Rang 3 im Line-Up – hinter Slayer und Lamb Of God. Seht ihr das als Möglichkeit, vorher nochmal einen Schritt zurück zu gehen und euch auf die reine Band-Performance zu konzentrieren?

Olavi: Klar, müssen wir. Wir können da keine volle Produktion fahren; es ist nicht unsere Show. Wir sind Slayers Gäste. Bei dieser Tour werden wir ungefähr das gleiche Setup fahren wie vor ein paar Jahren, als wir für Megadeth eröffnet haben. Ein Wikingerschiff wird es schon geben, aber es wird nicht neun Yards lang sein. Wir machen so viel wir können.

Ted: Wir schrauben es insgesamt runter, aber natürlich wollen wir trotzdem eine Show bieten. Wir spielen vor potentiellen neuen Fans, Slayer-Fans, denen wir unser Bestes zeigen müssen. Auch wenn wir nur ein kurzes Set und begrenzten Raum haben.

Habt ihr eins von Slayers Abschiedskonzerten in Europa letztes Jahr besucht?

Olavi: Oh ja. Ich habe Slayer schon hundert mal gesehen, aber die Show in Stockholm im Dezember war eine ihrer besten, finde ich. Alle waren in Bestform, die Setlist war super und es war cool, dass sie mehr Pyro auf die Bühne gepackt haben. Ich fand es super. Spaßig auch, Phil Demmel an der Gitarre zu sehen.

Ted: Ja, das war cool. Er war in Stockholm schon dabei.

Ich hab' in Berlin noch die letzte Show mit Gary Holt erwischt. Da wusste noch keiner, dass er am nächsten Tag abreisen würde.

Ted: Ja, ein paar Tage später waren sie dann nach Stockholm.

Vor zehn Jahren habt ihr Slayer schon einmal auf ihrer "Unholy Alliance"-Tour begleitet. Seid ihr mit ihnen in Kontakt geblieben?

Olavi: Ach, wir begegnen den Kerlen ständig. Richtig getourt sind wir seit damals zwar nicht mehr gemeinsam, aber ein paar Shows haben wir zusammen gespielt. Auf Festivals, vor zwei Jahren zwei Gigs in Italien...

Was geht euch durch den Kopf, wenn ihr diese Band nun in Ruhestand gehen seht? Vielleicht auch im Hinblick darauf, dass ihr einer ihrer Nachfolger werden könntet in der Metal-Szene ...

Olavi: Alles Schöne in der Welt muss einmal enden. Wie Slayer werden auch wir eines Tages aufhören müssen. Aber hoffentlich eher später als früher. Das wird jedem passieren.

Ted: Jetzt denken wir eher: Da ist ein leerer Platz, der besetzt werden muss. Wir können versuchen, in ihre Position hineinzuwachsen. Schauen wir mal, wo unsere Band in zwanzig Jahren steht. Wer weiß? Und wen kümmert's? (lacht) Wir leben für das Heute. Gestern war gestern und morgen kennt niemand.

Glaubt ihr, es ist heute noch möglich, den Status zu erreichen, den Slayer innehaben?

Olavi: Ich kann mir das ehrlich gesagt schwer vorstellen. Ich kann mir keine neuen Iron Maiden vorstellen, keine neuen Judas Priest, keine neuen Motörhead, keine neuen Slayer vorstellen. Andererseits verstehe ich auch nicht, warum wir dort sind, wo wir sind. Also was zur Hölle weiß ich schon? (lacht)

Ted: Wenn uns jemand vor 25 Jahren gesagt hätte, wo wir heute stehen – unser neues Album "Berserker" promotend –, hätte ich es für einen verrückten Traum gehalten. Aber hier sind wir.

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