laut.de-Kritik
Besoffener könnte selbst Helge nicht formulieren.
Review von Jasmin LützAndreas Dorau, die schrullige, scheinbar nie älter werdende Hamburger-Ikone, meldet sich nach fast acht Jahren zurück. Der letzte nordische Streich war "70 Minuten Musik Ungeklärter Herkunft" von 1997. Seit mehr als 25 Jahren wuselt Dorau bereits durch die deutsche Popgeschichte. Sein Markenzeichen: Absurde Texte, die er mit einer guten Portion Ironie serviert. Manchmal möchte man ihn dafür fest an sich drücken, so wie er auf dem Cover des neuen Albums sein zweites Ich in die Arme nimmt. Doch dann merkt man schnell, dass hinter der süßen Fassade (ich habe nicht niedlich geschrieben), das heulende Elend versteckt ist und man letztendlich nur noch verzweifelt grinsen muss.
"Ich Bin Der Eine Von Uns Beiden" heißt das mittlerweile siebte Album von Andreas Dorau. Der Mann, der vieles nicht mag, was andere für selbstverständlich und schön ansehen. Mit Freunden ins Café gehen, kommt bei ihm nur sehr selten vor. In Urlaub fährt er nie, und in Parks einfach nur so herumsitzen hält er für Zeitverschwendung. Ganz schnell wird er hibbelig und muss sofort an die Arbeit. Am liebsten mit seinen beiden Sound-Kumpels Justus Köhnke und Keni Mok, besser bekannt als Turner. Die beiden haben sein neues Album mitproduziert und sind für so manchen House-Dance-Disko-Pop-Beat mitverantwortlich.
Als Sechzehnjähriger erscheint uns Andreas bereits 1981 im trashigen Videoclip zu "Fred vom Jupiter", den er gemeinsam mit den Marinas performte. Dieser NDW-Smash-Hit gilt auch heute noch als funktionstüchtiger Fetenfetzer. Majorluft schnupperte der Mann mit dem gutgelaunten Unschuldsblick somit schon als Teenager. Im Laufe des Reifeprozesses merkt er aber schnell, dass die Bosse nicht immer das machen, was man ihnen vorschlägt. Deshalb sucht der Dorau lieber seine Partner selbst aus. Neben Köhnke und Turner hat er sich zum Beispiel Sven Regener und Wolfgang Müller für einige seiner neuen Textstrukturen mit ins Rückkehr-Boot geholt.
Absolut hitverdächtig: die Gemeinschaftsproduktion Dorau/Regner "Kein Liebeslied". Sie öffnet die rosaroten Augen und zählt Dinge auf, die wichtiger sind als das ewige Herzschmerz-Gedröhne. Ein kleiner Vorgeschmack gefällig: "Es gibt immer mehr Menschen ganz ohne Arbeit. Denen sag ich jetzt hier mal die Wahrheit. Und für Liebe und Leid bleibt keine Zeit ...". Politische und soziale Themen hangeln sich durch seine langjährige Discographie. Schön-scheußliche Songs wie "Die Klette", "Hinterhaus" oder auch "Du gehst fremd" darf sich wahrscheinlich auch nur ein Mann wie Andreas Dorau leisten. Äußerst alberne Reime, die selbst Helge Schneider nicht besoffener hätte formulieren können. Derartig ungewöhnlich-absurde Singer/Songwriter-Lyrik von einem Stefan Berlau aus Lüneburg wären bei den Plattenfirmen mit Sicherheit sofort in den Mülleimer geflogen.
Nichtsdestotrotz gibt es neben dem etwas anderen Liebeslied ein paar weitere Ohrschlager, mit denen man glücklich die Rückkehr des Zwei-Seelen-Mannes feiern kann. "Du bist nicht wie die anderen", "Schwarze Furchen" und, mit Justus Köhnke im Refrain, "Heut kommt er". Hoffentlich bleibt er etwas länger.
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