laut.de-Kritik
Vom Teeniestar zur gereiften Künstlerin.
Review von Julius StabenowMeine Meinung zu Nina Chuba war schon immer etwas ambivalent. Als privilegierter Kinderstar hatte sie früh die Unterstützung Industrie, andererseits macht sie eingängige und ehrliche Pop-Musik mit starkem Hip Hop-Einfluss. Einerseits ist sie ein scheinbar authentisches Vorbild für junge Frauen, andererseits wirkt bei ihr vieles irgendwie zu brav, spießig und möchtegern-cool.
Diese Ambivalenz gilt auch für Ninas Musik selbst: Auf ihr durchaus überzeugendes Debütalbum "Glas" folgt eine kurze Achterbahnfahrt der Features. Nach der hochpeinlichen Zusammenarbeit mit Chapo102, die alles macht, aber sicher nicht "Randali", kam u.a. eine sehr mitreißende Kollabo auf dem aktuellen Album von Ufo361. Zwischendurch noch der hymnische Representer "Nina" (übrigens von Megaloh mitgeschrieben) und der Trennungssong "80 qm".
Nun also die "Farbenblind EP" und eine weitere Facette der Künstlerin: Eine gedeckte Introspektion. Nach dem ersten Hördurchgang lässt sich überraschend resümieren: Die düsteren Sounds stehen ihr gut!
Der auf deeperen Songs bislang häufig eingezogene doppelte Boden oder die gekünstelt wirkende Rotzlöffeligkeit, um ja nicht zu verletzlich und intim zu wirken, fällt diesmal zum größten Teil weg. Dafür setzt Nina Chuba auf eine intensiv-bedrückende Atmosphäre und versucht, ihre Gefühle nicht mehr mit aufgesetzten Gimmicks zu kaschieren oder zugänglicher zu machen.
Gleichzeitig hat sie ihren Riecher für sich im Ohr festsetzende Melodien bewahrt. Schon der Titeltrack als Opener besitzt alles, was ein erfolgreicher Popsong braucht, aber eben einer von der guten Sorte. Auf einem sanft dahingleitenden Beat erzählt Nina von einem Leben in positiven und negativen Superlativen - einem Leben, in dem alles nur noch schwarz oder weiß ist und es keine Zwischentöne mehr gibt.
"10 Sekunden Blickkontakt" handelt dagegen von einer flüchtigen nächtlichen Bekanntschaft. Auch dieser Tune klingt sehr eingängig, es fehlt allerdings die Abwechslung. Der seicht galoppierende Beat dudelt ein wenig zu eintönig vor sich hin. Dazu kommt eine piepsig gesungene Hook, die wieder das Bild des kleinen braven Mädchens aufkommen lässt, das Nina mit dieser EP eigentlich hinter sich lassen möchte. Gleiches gilt in abgeschwächter Form auch für "Nimm Mich Mit". In den melancholischen Vibe der Platte passt ihre tiefe, leicht rauchige und vernuschelte Stimmfarbe deutlich besser.
Diese Symbiose funktioniert am besten auf den beiden Vorabsingles "Fliegen" und "Fata Morgana". Beide wirken stark inspiriert von deutscher Popmusik der 00er Jahre, was das Feature von Tokio-Hotel-Bill auf dem Remix zu letzterem Song nur bestätigt. Melancholische Flächen auf "Fliegen" und vor allem Indie-Gitarren auf "Fata Morgana", dazu ein wehmütiger Gesang, und wir sitzen plötzlich wieder im eigenen Kinder- oder Jugendzimmer vor Get The Clip und TRL.
"Farbenblind" ist Nina Chubas Versuch, ihr Image als Teeniestar endgültig abzulegen, ohne einen kompletten Stilwechsel zu vollziehen. Das gelingt ihr mit den sechs Songs überraschend leicht. Sie beweist, dass Popmusik auf Deutsch nicht entweder gewollt edgy oder kommerzieller Mainstream sein muss, sondern beides auch hervorragend zusammengehen kann. Nina spricht auf unpeinliche Weise schwierige Themen einer Mittzwanzigerin an, zeigt sich weich und verletzlich, ohne einen Schutzpanzer aus jugendlicher Oberflächlichkeit und Eitelkeit darüber zu stülpen und macht trotzdem TikTok-Hits für die Masse daraus. Wenn sie diesen Weg konsequent fortführt, bleibt es eine Frage der Zeit, bis sie sich auch langfristig zum kleinen Kreis deutscher Pop-Künstler*innen zählen darf, die sowohl in den Charts als auch bei den Kritiker*innen bestehen können.
4 Kommentare
Im Kontext einer NJOY Radio Playlist kann ich mir durchaus vorstellen, dass ihre Songs zu den besseren gehören würden.
Die Hartmannisierung von Nina Chuba schreitet weiter voran.
"Gereifte Künstlerin"...ts...aber besser als die Schabracke von Karim Adeyemi und die Magersüchtige, deren Name ich vergessen habe.
Dieses "Farbenblind" tönt flowtechnisch exakt wie Trettmann. Ist das gewollt?