laut.de-Biographie
Apparat
Die entlegenen Täler und Wälder des Harz stehen nicht gerade im Ruf, der Nabel der Welt zu sein. So führen Freunde elektronischer Musik im Harz ein Einsiedlerdasein, das manchmal schwer erträglich ist.
Sascha Ring aka Apparat, am 27. Juni 1978 in einer Kleinstadt jenes Mittelgebirges zur Welt gekommen, tritt 1997 die Flucht nach vorne an und macht sich auf in die Techno-Metropole Berlin. Dort knüpft er schon bald erste Kontakte zu Gleichgesinnten und baut sich ein Netzwerk auf, das sich schnell bezahlt machen soll.
Ab 1999 finden immer mehr von Apparats relaxt-experimentellen Elektronik-Tracks den Weg in die Plattenläden der Republik. 2001 erscheint Rings Debüt-LP "Multifunktionsebene" auf dem Berliner Label Shitkatapult, das auch den knarzigen Sounds von T.Raumschmiere und dem unterkühlten Ambient-Funk von Rechenzentrum als Dependance für ihre Releases dient und mit diesem Backkatalog nicht nur bei Mute-Chef Daniel Miller hoch im Kurs steht.
In den folgenden beiden Jahren kommen Veröffentlichungen auf Ellen Alliens BPitch Control-Label und Festivalauftritte in Benicassim 2002 und auf der Shitparade in Berlin 2003 hinzu. Zusätzlich macht Sascha Ring auch unter dem Pseudonym Moderat die Hauptstadt-Szene unsicher.
Im Sommer 2003 legt Apparat mit "Duplex" seinen zweiten Longplayer auf Shitkatapult vor, der mit organischen Ambient-Sounds begeistert. Neben seinem musikalischen Output profiliert sich Apparat auch als Visual-Künstler an der Seite von Phon.O, mit dem zusammen er das audio-visuelle Projekt Tracnet realisiert.
Ring erspielt sich mit seiner elektronischen Musik im Laufe der Jahre einen immer größeren Fan-Kreis. 2004 lädt ihn John Peel zu einer seiner legendären Sessions ein, und mit der italienischen Röhre Gianna Nannini arbeitet er gelegentlich an einer Rock-Oper, deren Veröffentlichungstermin allerdings in den Sternen steht.
Bis dahin vertreibt er sich seine Zeit mit der Kollegin Ellen Allien. Das gemeinsame Album "Orchestra Of Bubbles", sozusagen ein Clash der Label-Bosse und Elektroaushängeschilder Deutschlands, erscheint im April 2006.
Vier Jahre nach seinem letzten Solo-Album folgt im Mai 2007 ein weiteres Apparat-Werk. "Walls" schustert Ring aus den besten Ideen von siebzig unvollendeten Tracks zusammen. Als Gäste holt er sich unter anderem Raz Ohara und Josh Eustis von Telefon Tel Aviv ins Boot.
Das Album katapultiert Apparat in die erste Liga der Elektro-Produzenten und sichert ihm weltweite Anerkennung sowie Konzerte. Als logischer Nachfolger erscheint im April 2008 die Remix-Compilation "Things To Be Frickled". Auf der ersten CD macht Apparat sich dabei über fremde Tracks her, CD zwei lässt andere Künstler an seine Tracks Hand anlegen.
Spätestens seit seinem Beitrag zur "DJ-Kicks"-Reihe von Studio !K7 darf sich Sascha Ring zu den wichtigsten Produzenten elektronischer Musik in Deutschland rechnen. Eine erstaunliche Entwicklung, wenn man sich vor Augen führt, dass Apparat, nie irgendwelche Kompromisse bezüglich seiner Musik gemacht hat.
2013 wird er einmal mehr seinem Ruf als experimenteller Querdenker gerecht. Anstatt einen tanzbaren Album-Nachfolger zu "DJ-Kicks" zu produzieren, hat er sich selbst zurückgenommen und seine Stücke in den Dienst einer Theaterproduktion gestellt. Tolstois Epos "Krieg und Frieden" liefert die literarische Vorlage für das Album, das in enger Zusammenarbeit mit dem Theater-Regisseur Sebastian Hartmann und dessen 30-köpfigem Ensemble entstanden ist.
Die größten Erfolge feiert Apparat aber mit seinen Kumpels von Modeselektor bei dem gemeinsamen Projekt Moderat. Zwischen 2009 und 2013 veröffentlichen die drei Alben ("Moderat", "II" und "III"), die sich auch jenseits der deutschen Grenzen gut verkaufen. Das bringt aber nicht nur Positives, sondern auch eine Menge Stress mit sich, zumal das Projekt die nächsten Jahre über rund um den Globus tourt.
Zeit also, ein bis zwei Gänge zurückzufahren. So schlägt der Wahl-Berliner auf dem nächsten Apparat-Werk "LP5" 2019 deutlich intimere und fragilere Töne an als bisher gewohnt und findet somit ein Stück weit zur inneren Ruhe und Gelassenheit. Die stehen auch beim Score zu "Capri-Revolution" im Vordergrund, dessen Originalpartitur schon von 2018 stammt und der bei den Filmfestspielen in Venedig eine Trophäe für den besten Soundtrack bekommt. Der nimmt in einer kleinen Hütte in Süditalien Gestalt an. Ebenso färben sich gelegentliche Besuche am Set des Films auf die mediterrane und milde Atmosphäre ab. Den Score stellt Sascha Ring in einer überarbeiteten und neu gemixten Version im Frühling 2020 offiziell als Download zur Verfügung.
Jedenfalls macht sich seine unverkennbare Handschrift in jeder einzelnen Note bemerkbar. Apparat klingt wie ein alter Freund, der über die Jahre immer noch so vertraut wie bei der letzten Begegnung anmutet, aber auch ein Stück weit mehr Weisheit und Lebenserfahrung mitbringt.
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