laut.de-Kritik
Die Väter messianisch verehrter Prog Metal-Großtaten kehren zurück.
Review von Yan VogelBei Arch/Matheos finden zwei Musiker zusammen, deren Lebensweg seit ihrer gemeinsamen Zeit bei Fates Warning eine unterschiedliche Wendung genommen hat. Jim Matheos hat sich der Musik verschrieben und schwenkt seit nunmehr 35 Jahren mit seiner Stammformation die Prog Metal-Fahne. Nebenbei verdingt er sich in Projekten wie O.S.I. oder als Gastklampfer bei Tim Bowness ("Flowers At The Scene").
Dagegen hat es sich John Arch gemütlich in seinen vier Wänden eingerichtet, arbeitet als Zimmerer und widmet sich nach Lust und Laune der Musik. Nach dem ersten Lebenszeichen seit dem Meilenstein "Awaken The Guardian" mit der EP "A Twist Of Fate", folgte acht Jahre später die erste Full-lenght-Scheibe unter dem Banner Arch/Matheos mit dem modern getrimmten "Sympathetic Resonance".
Wiederum acht Jahre später steigt der Vater des gepflegten Falsett-Geträllers wieder aus dem Dachstuhl, um die Menschheit mit "Winther Ethereal" zu beglücken. Eins vorweg: die metallisch gestanzte Sphärenmusik beamt den Hörer auch in diesem Fall in eine andere Dimension.
John Arch und Jim Matheos haben wahrlich lange nach dem passenden Format gesucht, ihre Musik zu inszenieren. Die EP "A Twist Of Fate" war ein Kennenlernen nach fast zwei Jahrzehnten ohne neue Musik. Majestätisch ja, aber mit zwei Songs zu kurz, um den magischen Flow des 1986er-Meilensteins zu erreichen.
"Sympathetic Resonance" fiel dann in eine Phase in der Jim Matheos die Gitarrenkeule wieder für sich entdeckte. Entsprechend gedrängt wirkten die Kompositionen. "Winter Ethereal" wirkt zu seinem Vorgänger wie "Theories Of Flight" zu "Darkness In A Different Light" von Fates Warning.
Matheos verleiht seinen Kompositionen mehr Raum zum Atmen. Bemerkenswert ist die unfassbare Gitarren-Leistung, die das Rock- und Metal-Spektrum der letzten fünfzig Jahre abdeckt. Dabei hievt er die Arbeit an den sechs Saiten auf ein neues Niveau. Der Einsatz klassischer Metal-Spielarten, brachiales Gelärme, pointiert gestreute Hardrock-Verweise, verträumte Progressive Rock-Landschaften und das für Matheos typische Spiel mit der links/rechts-Platzierung der kontrapunktisch gestalteten Gitarren sorgt für Begeisterungsstürme unterm Kopfhörer.
Hinzu gesellen sich kompositorisch ausgereifte Stücke, die laut dem Duo keine Ausschussware, sondern exklusives Material für ihr Projekt darstellen. Die Arbeit hat sich gelohnt. Matheos produzierte die Tracks mit einem Sinn für Dynamik und Wärme. Seine Entscheidung, mit wechselnden Rhythmus-Gruppen zu arbeiten, die der jeweiligen Stimmung des Songs Rechnung tragen, zahlt sich aus. Erwartungsgemäß greift das Fates-Camp zu Sticks und dicken Saiten namentlich an Joey Vera, Bobby Jarzombek, Joe Dibiase und Mark Zonder festzumachen. Aber auch mit den Tieftönern Steve Di Giorgio (Testament) und Sean Malone (Cynic) und Drummer Thomas Lang trifft der griechischstämmige Gitarrist die richtigen Entscheidungen.
Die Kompositionstechniken stammen aus dem Fundus modaler Harmonielehren und münden in sorgsam austarierte Songs, in denen nichts dem Zufall überlassen bleibt und doch jederzeit Organik und Wärme durchscheint. Der Beginn von "Wrath Of The Univers" zieht einen direkt in die Dunkelheit, wie es ansonsten schwarzen Gesellen wie Behemoth oder Dimmu Borgir gelingt, bevor ein Chuck Schuldiner West Coast-Gedächtnis-Riff in bester Death-Manier die Ketten sprengt.
Ob kurz und knackig wie im ersten Vorboten "Straight And Narrow" oder ausufernd episch wie das vor Millionen Melodien strotzende "Vermillion Moons", Sänger Arch umgarnt die meisterhafte Musik seines Kompagnons und fügt ihr die passende Kolorierung bei. Neben dem Aspekt der Verzahnung von Stimme und Instrumenten trägt der fast sechzigjährige Stimmband-Akrobat mit seinen Texten erheblich zur breiten emotionalen Palette bei.
Verklausulierte er auf früheren Arbeiten seine Lyrics gerne mit zahlreichen Metaphern, angesiedelt im Bereich der Mythen und Sagen, fallen diese nun persönlicher und zupackender aus. Das dreizehnminütige "Kindred Spirits" widmet sich der Dichotomie Mensch und Tier, verweist auf unsere Verwandtschaft und gemahnt zu einem besseren Umgang. Der schwarze Monolith "Pitch Black Prism" erzählt auf eindringliche Weise von der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl und spickt die Story mit zahlreichen Details, wie den Musikern und Tänzern, die zur Bespaßungen der Dahinsiechenden in das verseuchte Gebiet geschickt wurden.
Natürlich erreicht das technische Level schwindelerregende Höhen. Dabei überreizt das Duo nicht das Spektrum des Erträglichen. Vielmehr steht die Stimmung und die Message des jeweiligen Songs im Vordergrund und nicht der virtuose Selbstzweck. Die ätherische Ballade "Thetered" steht ebenso für diese These wie die Mini-Metal-Sinfonie "Wanderlust", in der es einmal querbeet durch den Matheos-Kosmos geht und der Hörer trotzdem gebannt alle Einzelheiten verfolgen kann. Das mit Highlights wie Dream Theaters "Distance Over Time" oder "The Great Adventure" der Neal Morse Band nicht arme Prog-Jahr 2019 erreicht mit "Winter Etheral" seinen vorläufigen Höhepunkt, vergleichbar der Intensität von Witherfalls "A Prelude To Sorrow". Die Väter messianisch verehrter Prog Metal-Großtaten kehren mit einem weiteren Paukenschlag zurück.
3 Kommentare mit 4 Antworten
5 Sterne geht klar - 2 Sterne aufgrund unfassbar antiquierten Gesangs den 2019 wirklich niemand mehr hören kann
ist schon etwas outdated, aber sooo unerträglich ist der Gesang jetzt auch nicht.
ihr habt doch keine Ahnung ...
Ich muss auch sagen, dass mir der Gesang nach ein paar Nummern auf den Sack geht. Da fehlt`s an Abwechslung. Musik ist ansonsten top.
An sich ein grundsolides Album, vor allem sehr schön produziert. Die Gitarrenarbeit ist eh über jeden Zweifel erhaben. Der Gesang von John Arch stellt sich auf Dauer etwas angestrengt und anstrengend dar; er singt - wenn wir einmal ehrlich sind - auch nicht besonders variantenreich, dadurch kommen die Vocals etwas monoton daher; die ganz hohen Sackspalter bleiben zum Glück aus. Teilweise sorgt der Gesang sogar für eine gewisse Hektik bzw. Nervosität im jeweiligen Song, wodurch der wirklich gute Gesamteindruck etwas gestört wird. Technisch gibt's nichts auszusetzen, sonst eigentlich auch nicht so viel. Kritik findet auf geschmacklichem Level statt und bewegt sich auf ziemlich hohem Niveau.
DEN Gesang kann man nur verstehen und lieben, wenn man von Anbeginn ( ca. 1985) mit dabei war. Also streng genommen mindestens auf die 50 zugeht. Eine Diskussion erübrigt sich also hierüber.
Einspruch! Ich bin Jahrgang 1982 und verehre John Arch, seit ich irgendwann Mitte der 90er die "Spectre Within" und kurz darauf die "Awaken the Guardian" kennenlernte.