13. März 2015

"'Sail' war das Monster, das ich nicht kontrollieren konnte"

Interview geführt von

Ok, "Sail" haben wir alle gehört. In Werbespots, bei Sportübertragungen und vor allem bei einem der zahlreichen Konzerte der vierjährigen Tour von AWOLNATION, dem Projekt von Genremischer Aaron Bruno.

Im März 2015 steht mit dem Album "Run" endlich der Nachfolger des Erfolgsdebüts "Megalithic Symphony" in den Läden. Grund genug, mal wieder beim Songschreiber, Sänger, Kopf und Visionär Bruno für ein kurzes Gespräch reinzuklingeln.

Hi Aaron, wie geht's dir?

Aaron Bruno: Pretty good, ich bin hier in Southern California gerade unterwegs zur Bandprobe, damit wir sicherstellen, dass wir so gut wie möglich spielen, wenn wir in euer schönes Land kommen.

Das letzte Mal haben wir 2011 gesprochen. Was hat sich seither bei dir eigentlich verändert?

Vor allem bin ich vier Jahre älter (lacht). Mein Leben war natürlich absolut verrückt. Aber wenn ich jetzt zurückblicke, bin ich vor allem dankbar, dass ich die Zeit hatte, um genau das zweite Album meiner wildesten Träume zu machen. Ich war in der Lage, mich wirklich in jede Richtung zu pushen, die ich wollte. Kein Stein blieb auf dem anderen, sei es bei der Produktion, beim Songwriting oder bei der Ausrichtung des Albums. Ich könnte nicht glücklicher sein mit dem Resultat, und kann es kaum erwarten, es mit dem Rest der Welt zu teilen.

Bei einem Debüterfolg wie "Megalithic Symphony" waren die Erwartungen für den Zweitling sicher enorm. Wie gingst du das an?

Es beginnt wirklich bei mir. Ich hatte und habe auch aktuell nicht wirklich hohe Erwartungen bezüglich Verkaufszahlen. Gleichzeitig habe ich jedoch enorm hohe Erwartung an mich selber, das bestmögliche und großartigste Album zu machen, das von Leuten auch als Klassiker angesehen wird. Das möchte ich haben, das ist mein Ziel: Ein künstlerisch wertvolles Album, das Menschen bewegt. Statt einen einzigen sechsfach Platin gehenden Song oder auch ein erfolgreiches Album wollte ich diesmal wirklich ein Music Lovers-Album machen.

Dann reden wir gleich über das neue Werk "Run". Wovon läufst du eigentlich davon?

Die Frage ist: Wo laufe ich hin? Das müssen wir alle für uns selber beantworten. Was sind unsere Ziele, wie vermeiden wir schon gemachte Fehler, wohin bewegen wir uns? Es umfasst alles. Die ganze Bandbreite der Emotionen, die Menschen durchleben können. Das Album hat eine Dringlichkeit, die aber nicht vom Weglaufen, sondern vom Daraufhin bewegen handelt. Außerdem war der Name des ersten Albums so episch und allumfassend, daher blieb ich bei einem simpleren Namen. Obwohl die Musik viel komplexer daherkommt, dunkler und auch heavier. Und es ist wahrscheinlich einer meiner Lieblingsmomente auf der Platte, wenn das Wort zum ersten Mal im Titeltrack gesagt wird.

Generell handeln viele zweite Alben von Bands und Künstler von Bewegung und Veränderung. Was klar ist: Sie haben ein erfolgreiches erstes Album, sind immer unterwegs und schreiben daher nur über die Tour.

Dieses Album war natürlich eine komplett andere Erfahrung unter anderen Vorzeichen. "Run" kam aber eher aus einem anderen, stärker internen Ort und hat damit, dass ich viel unterwegs war, nichts zu tun. Klingt für mich eher, als würden viele Bands auf zweiten Alben viel jammern. Dabei haben wir den besten Job auf der Welt: Wir machen Musik.

"Das Album soll als ganzes gesehen werden."

Wenn ich nun "Run" höre, braucht es generell ein paar Durchläufe mehr bei, um die Songs zu entschlüsseln. Wolltest du bewusst den Hörern eine Aufgabe stellen?

Nein, nichts ist Absicht, wenn ich Musik mache. Es war keine bewusste Entscheidung, jedoch stehe ich auch auf Alben, bei denen man immer mehr und mehr entziffert. Es ist wie mit Fast Food. Der erste Bissen ist großartig, aber nachher ist dir schlecht. Meine Lieblingsalben haben mich immer ein bisschen herausgefordert. Es gibt natürlich auch wieder eher gefällige Momente auf der Platte, ich freue mich aber besonders über das eher abgedrehte Zeug, das nie den Weg ins Radio finden würde.

Zudem geht's auch wirklich etwas heftiger zur Sache. Live gab es ja schon Rage Against The Machine-Covers und ordentlich Riffing. Steckt viel dieser härteren Gangart in dir?

Sicher, glaub ich schon. Statt Zorn und Heavyness nenne ich es aber Passion. Die Passion, all das zu sagen, was man sich sonst nicht traut. Ich hab ja meinen Background im Punkrock und Hardcore, da muss man das einfach machen. Ich liebe Alben mit schockierenden und überraschenden Momenten, und klarerweise sind auch einige davon auf "Run". Ich glaube, wenn sich jemand die Zeit nimmt, das Ding von Anfang bis Ende anzuhören, wird er dadurch auf jeden Fall noch einmal reingezogen. Das macht auch mir Spaß.

Prinzipiell höre ich drei Singles auf dem Album.

Kann gut sein, ich hab insgesamt fünf Tracks, die dafür in Frage kommen. Ein paar sind wahrscheinlich eher eine Herausforderung, aber das war "Sail" ja eigentlich auch. Wir hätten niemals geglaubt, dass es funktioniert. Aber ein paar Radiostationen wagten es und spielten den Song. Und die Leute und reagierten auf die Musik und die Message. Also ich glaube schon, dass wir so etwas in einer anderen Form auch wieder auf diesem Album haben können. Eigentlich will ich aber, dass dieses Album als Ganzes gesehen wird, als Album für Musikfans. Genauso wie für mich als Fan die ganzen Alben meiner Lieblingsbands.

Also wär's dir eigentlich lieber, keinen Megahit wie "Sail" zu landen?

Ja, ich meine, es wäre schön, wenn das Album erfolgreich wird. "Megalithic Symphony" war aber auch sehr erfolgreich, hatte zwei weitere Top-Singles. Aber "Sail" war einfach das Monster, das ich nicht mehr kontrollieren konnte. Ich dachte nie, ein Platin-Artist zu sein. Jetzt bin ich Multiplatinum-Artist, verrückt.

Aber das hat mir auch viel Selbstvertrauen für dieses Album gegeben. Es ging nicht darum, ein zweites "Sail" zu schreiben. Es ging darum, ein musikalisches Erlebnis für die Zuhörer zu schreiben. Ich hab schon die überlebensgroße Single, die die meisten ihr Leben lang nicht haben. Sehr stranges Gefühl. Aber das gab mir die Freiheit, ein wahres Album's Album zu machen.

"Ich will die Musik spielen, die ich liebe."

Ist im Jahre 2015 überhaupt Platz für ein komplettes Album mit 14 Tracks, das als Ganzes verstanden werden will? Ich denke da an die Streamingkultur, die geringeren Aufmerksamkeitsspannen.

Gute Frage (überlegt). Ja. Ich glaube daran. Die Leute wollen Passion, sie wollen etwas gefährliches und anderes in ihrer Musik und wollen eine musikalische Erfahrung machen. Zumindest die Leute, die ich kenne. Aber es ist natürlich jetzt schwieriger als je zuvor, ein ganzes Album zu verdauen. Ich finde, Mundpropaganda ist dadurch aber auch wieder stärker. Wir sind ja nicht auf einem Majorlabel und müssen uns quasi auf andere Arten und Weisen verlassen, die Message rüber zu bringen.

Das restliche Jahr steht noch im Zeichen einer großen Tour. Wie geht's weiter? Wie groß wird die AWOLNATION?

Ich erwarte gar nichts. Es hat mich schon überrascht, so groß wie jetzt zu werden. Ich bin immer noch jeden Morgen überwältigt, dass die kleinen Ideen von mir Millionen von Menschen auf der ganzen Welt erreicht haben. Dafür bin ich schon unglaublich dankbar. Alles was ich wirklich möchte, ist die Menschen, die uns schon gehört haben, auf die weitere Reise und meinen weiteren Weg mitzunehmen. Wenn somit neue Menschen zu dieser Familie stoßen, großartig. Aber hauptsächlich will ich niemanden enttäuschen.

Es gibt die Typen, die nur "Sail" kennen. Dann sind da die Leute, die das ganze Album auswendig konnten. Ich habe immer wieder Fans getroffen, die sich Lyrics des Albums tätowiert haben, hatte wirklich viele Gespräche mit ihnen. Sie erzählten mir, wie die Songs ihnen geholfen haben oder sie inspiriert haben, etwas Positives zu tun. Diese Momente bedeuten mir am meisten. Ich hoffe das Beste, aber meine Erwartungen sind immer niedrig. Das einzige, das ich kontrollieren kann ist, die beste Musik zu machen, die ich kann. Und sie so brutal und heavy und düster zu machen, wie ich will. Das ist das erste Ziel, first and foremost. Ich will die Musik lieben, die ich spiele und dieses Album soll eine Platte sein, die mir auch als Zuhörer gefallen soll. Und das ist mir gelungen.

Also machst du Musik nur für dich?

Zuallererst ja, weil ich auch meine eigene Zielgruppe bin. Am Ende des Tages bin ich einfach ein riesengroßer Musikfan. Wenn ich eine Band oder ein Album entdecke, das mir gefällt, bin ich überglücklich. Wenn ich morgens aufstehe, freue ich mich über den neuen Song im Auto, oder das neue Album, das ich gerade gekauft habe. Ich war immer schon so offen gegenüber allen unterschiedlichen Genres und sehr sicher in meiner Musiksammlung und in meinem Geschmack. Wenn ich also etwas erschaffe, dass mir gefällt, muss es doch auch andere Menschen geben, die darauf abfahren.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Awolnation

Los Angeles, 2007: Aaron Brunos Band Under The Influence Of Giants diskutiert nach einem achtbaren Szene-Erfolg mit dem selbstbetitelten Debütalbum gerade …

3 Kommentare