laut.de-Kritik
Wat kiekste so, Fatzke?
Review von Dani FrommEs lässt sich echt schwer in zartfühlendere Worte fassen: Jedem anderen würde man für ein Album wie "A.i.d.S. Royal" am liebsten die Eier abreißen. Vom (wieder einmal) recycleten Titel über die Texte, die Art, wie B-Tight sie serviert, die Geschichten, die er erzählt, bis hin zu den Beats: Alles, einfach alles an dieser Platte wirkt hoffnungslos von vorgestern. "Hier Geht's Um Rap 2018"? Gut, dass die Jahreszahl dabeisteht. Es klingt nämlich wie ... weiß nicht ... Mitte der Nuller?
Jetzt haben wir es zum Glück ja aber mit B-Tight zu tun, und der wiederum darf sich allerlei herausnehmen. Hauptsächlich deswegen, weil er gar nicht erst behauptet, irgendwo anders zu schwimmen als auf der eigenen "Retro"-Welle. Er habe festgestellt, dass ihm genau das eben am meisten Spaß mache, erklärte er gerade erst ungeniert im Interview. Dazu noch das Markenzeichengrinsen angeknipst, und das Kritikerherz schmilzt ohnehin wie Eisblumen in der Sonne.
Wenn einer so unverhohlen Vergnügen findet, an dem, das er tut, dann kann es einfach nicht ganz falsch sein. B-Tight beschreibt das am besten selbst: "Ich weiß, ihr kommt nicht klar auf mich", endreimt er sich durch "Nicht Cool". "Doch keiner ist so echt wie ich." Na, ja. Der eine oder andere andere würde mir da schon einfallen, B-Tight fehlende Selbstironie anzukreiden dagegen: niemals! "Auch, wenn ich mich blamiere, is' okay, da lach' ich drüber" ... und man möchte schon wieder mitgrinsen.
Statt ein tonnenschweres Image vor sich herzuwuchten, inszeniert sich B-Tight genau als das, was er ist: ein normaler, ein gerader Typ, "nicht perfekt, aber menschlich", und damit tatsächlich ungeheuer liebenswert. "Ich bin zufrieden mit wenig", offenbart er in "Bescheiden" zudem eine Szene-unorthodoxe Haltung, die vermutlich trotzdem bekömmlicher sein dürfte als das manische Größerschnellerweitermehr, dem das Gros der Kollegen hinterherhechelt und das in seiner steten Wiederholung auch nicht interessanter erscheint als der gefühlt 87. Aufguss von B-Tights Lebensgeschichte.
Mit dem Revue-Passieren-Lassen dummer Jugend- und seliger Sektentage füllt er (auch diesmal wieder) einen Großteil der Spielzeit. Dazu eine Menge Selbstabfeierei, die Erklärung "Ewiger Liebe", "seit Tag eins, von der Wiege bis zum Grabstein" (zum Rap, wer oder was sonst wäre es wert?), und Runde um Runde Maulschellen für Konkurrenz, Neider, Hater und falsche, deswegen entsprechend "Eklige Freunde": Das war dann auch schon alles, das "A.i.d.S. Royal" inhaltlich zu bieten hat.
Die Gäste ändern daran nichts, ohnehin marschieren (natürlich!) die üblichen Verdächtigen auf, Hauptstädter, allesamt. "Wat kiekste so, Fatzke?" Harris schaut vorbei, um ein bisschen "Berliner Luft" zu atmen, und erteilt den Gepflogenheiten der Zugezogenen in einem Crashkurs in Berliner Freundlichkeit Stadtverbot. Wer da am Zungenbrecher "jroßzüjije Jeheje" schon scheitert, kann seine Kehrwoche gleich wieder mitnehmen.
Orgi69 macht, was er schon immer gemacht hat: "Pörnchen", nämlich. Für die schlimme Lalalalala-Hook hat er vermutlich eine seiner Darstellerinnen rekrutiert. Die Stärken dieser Dame liegen jedenfalls ganz eindeutig auf anderem Gebiet als dem Gesang, was den "Sexkönig" aber offenbar so wenig stört wie der Umstand, dass seine Rechnung "Puffgänger, Frauenhändler, ihr kommt alle mit, denn heut' Nacht, nackt auf Zimmer, mach' ich Liebe zu dritt" genau Platz für je einen Puffgänger und einen Frauenhändler lässt. Reicht ja auch, eigentlich. Drei nackte Kerle, nachts in einem Raum, da ist zwar, wie Helge Schneider längst weiß, schlecht Fotze lecken. Aber wieso sollten die miteinander keinen Spaß haben?
Höchst lebendig mischt sich Basstard unter "Tote Rapper": Der kleine Mann hat einfach immer noch eine Stimme wie kein Zweiter. Klar, dass der Beat in seiner Gegenwart deutlich gespenstischer ausfallen muss als anderswo. Etwas Neues erzählen er und B-Tight hier allerdings so wenig wie der junge Kollege Shadow030, der sicherstellt, dass die nächste "Generation MV" schon in den Startlöchern steht. Er hat zwar noch immer kaum etwas zu sagen, erledigt das aber in einem einzigen Part facettenreicher, als sich sein Gastgeber auf dem kompletten vorausgegangenen Album präsentiert hat.
Wer übers Märkische Viertel spricht, kommt nicht drum herum, Sidos "Mein Block" zu zitieren, genau so wenig kann B-Tight ja wohl ernsthaft über A.i.d.S. sprechen wollen, ohne seinen alten Bunkerbruder einzuladen. Tatsächlich birgt "A.i.d.S Royal" nicht ein Sido-Feature - wohl aber eine ganze EP, in denen die beiden Sektierer noch fünf weitere Male auf die glorreiche gemeinsame Vergangenheit anstoßen und am Ende, auch das wenig überraschend, eingedenk der glorreich vernebelten Kifferzeiten noch einmal einen durchziehen. "Dankeschön".
"Ich hab' noch mehr drauf als du glauuuubst", jault es aus "Wie Urlaub". Was genau? Gesang jedenfalls nicht. Eher schon das nochmalige Auswalzen bereits ausgewalzten Materials. "Alles ist die Sekte, auf ewig" geht auch hier als Programm durch. "Wir machen leider immer weiter." Immerhin hat sich B-Tight den gelungensten seiner Beats für "Alles Schwarz" aufgespart. Der klingt runder, komplexer, schnarrender als alle Produktionen auf dem eigentlichen Album zusammen.
Die stammen (bis auf das Instrumental zu "Berliner Luft" und die Hälfte der Bonus-EP, die Sido verantwortet) aus B-Tights eigener Herstellung und funktionieren im Grunde allesamt ganz gut. Gemeinsam haben sie aber auch die doch eher unterkomplexe Struktur, als sei jeder einzelne aus einigen wenigen Versatzstücken zusammengesteckt worden. Simple, kleien Melodien, blecherne Drums, wenig Zwischentöne. Entwicklungen, überraschende Wendungen, jede Form von Meta-Ebene geht der musikalischen Ausgestaltung völlig ab.
Damit passt sie aber auch wieder bestens zum Projekt "A.i.d.S. Royal", an dem wirklich nichts mehr scheinen will als es ist. Was eigentlich auch schon wieder grundsympathisch rüberkommt, irgendwie. Nix Neues in Bobbys Königreich, und der Regent sieht keinerlei Handlungsbedarf, daran etwas zu ändern. So lange er breit feixend auf dem Thron sitzenbleibt, geht es seinem Volk aber vermutlich auch nicht allzu schlecht.
3 Kommentare mit 4 Antworten
braucht keiner mehr
Doch. Alleine das Säcke Feature einzig Tony D fehlt, oder?
da hör ich viel lieber Annemarie
Die Säcke und Bastard gehen schon klar. BlokkFaustus Track ist lahm. Da haben die beiden schon bessere Tracks zusammen gemacht. Rest der Tracks ist ziemlicher Durschnitt, tut aber niemanden Weh. Tony D. fehlt definitiv
Da hör ich lieber Voll auf Modus Schwartz im HHZ Modus
+s
Hat mir seinem 2015er Comeback-Album sehr gut abgeliefert, seitdem ist allerdings wieder Ebbe. Schon das 3. Album nacheinander, das ich mir anhöre und mich dann hinterher frage, warum ich das eigentlich noch tue
Ich gönne ihm die 1. Für das nächste Album ist allerdings sicher noch Luft nach oben.