laut.de-Kritik
Die Amis läuten nicht den zweiten Frühling ein, sondern ihren Karrieresommer.
Review von Daniel ThomasDie geübten Farbenspieler setzen dieses Mal ihr ganzes Können auf Violett – und gewinnen. Dabei wäre das bloße Erscheinen von "Purple" für viele Baroness-Fans schon ein Segen gewesen. Ein Zeichen, dass es weiter geht, irgendwie.
Das war schließlich nicht selbstverständlich, nachdem am 15. August der Tourbus verunglückte und die Band schwere Verletzungen, mental wie physisch, davon trug. Bassist Matt Maggioni und Schlagzeuger Allen Blickle verließen in Folge des Unglücks die Band. Strippenzieher John Baizley musste sich deshalb nicht nur mit der Genesung seines zerschmetterten linken Arms gedulden und sich nur langsam, zunächst über eine akustische Solotour wieder ans Gitarrenspiel herantasten, er war auch gezwungen, neue Mitstreiter zu rekrutieren.
Doch aus der Tragödie entstanden bekanntlich schon etliche große Kunstwerke. So auch hier. Die posttraumatischen Nachwirkungen verarbeitet Baizley mit seinem alten Freund Pete Adams und den neuen Gefährten Sebastian Thomson und Nick Jost zum bislang besten Baroness-Album.
Die Gitarren im Opener "Morningstar" imitieren Fanfaren, ein kurzes aber heftiges Drumfill unterstützt die Laudatio für den Wiedereinzug in den Alternative-Metal-Olymp und dann bricht es los, das erste eruptive Riff, das alle Regler auf Angriff dreht.
In diesem Song fährt die Band bereits die gesamte Rezeptur auf, die Baroness gekonnt in neun weitere Formen gießen: Dringlicher, oft mehrstimmiger Gesang, harte Metal-Passagen, verzaubernde Twin-Lead-Guitars und flächige Synthies. Nick Jost an Bass und Keyboard ist ein echter Zugewinn für den Sound der US-Amerikaner.
Das wird in "Shock Me" noch deutlicher. Ein kuschliger 80er Alphaville-Sound spielt zu Beginn mit den Erwartungen und grinst sich dann schelmisch in die eigene Tasche, wenn der "Schock" auf Hörerseite in einer treibend gefälligen Hymne verpufft.
Der einzige Song, der direkten Bezug auf das für die Band einschneidende Erlebnis nimmt, heißt "Kerosene". In ungeraden Takten thematisiert Baizley hier das auslaufende Benzin, nachdem der Bus die Böschung hinunter gestürzt war. Andere Anspielungen muss man eher zwischen den Zeilen suchen.
Offensichtlicher ist, dass Baroness auf "Purple" alle Stärken ihrer Diskografie vereinen. Zugänglichkeit und Komplexität stehen in harmonischem Einklang, die Härte des Sludge-Metal trifft auf opulenten Pop-Appeal, krachende Riffs und schnörkellos schöne Instrumentalpassagen reihen sich zwischen geballte Männerchöre. Und dann ist da noch das ein oder andere unwahrscheinlichere Elemente, das die Vielschichtigkeit der Platte manifestiert.
"Chlorine And Wine" etwa beginnt als zeitlos schönes Ambient-Postrock-Stück, ehe aus der getragenen Atmosphäre das ornamentale Highlight der Platte entspringt. "lease don’t lay me down", singt Baizley da. Wer würde das wagen?
"The Iron Bell" wiederum verzückt mit einem zackigen Rhythmus aus der Indie-Disco. Und spätestens wenn in "If I Have To Wake Up (Would You Stop The Rain)" dann tatsächlich die Glocken zu läuten beginnen, wird deutlich, dass die Fast-K.O.-Gruppe mit "Purple" nicht etwa den zweiten Frühling, sondern ihren Karrieresommer einläutet.
11 Kommentare mit 21 Antworten
Bestes, weil qualitativ konsistentestes Baroness-Album. Ansonsten alles beim Alten, was in dem Fall ja gut ist.
Ist zwar off-topic, aber zu "Kerosene" fällt mir als Allererstes das hier ein:
http://hawkeyesmusic.bandcamp.com/track/ke…
Ist die Single sehr anders als der Rest des Albums?
Kommt darauf an, was du mit "anders" meinst. Sie ist jedenfalls sehr schwach im Vergleich zum Rest.
Ich finde den Sound der Single sehr gut, allerdings zu eingängig/flach. Wenn der Rest besser ist, dann hol ich mir das Album.
Genau das Problem habe ich mit "Shock Me" auch. Der Rest ist aber wirklich besser.
Ich finde sie haben die Griffigkeit von "Yellow & Green" mit der Ruppigkeit der vorherigen Alben auf "Purple" sehr gut verbunden. Der neue Schlagzeuger hat jedoch einen anderen Stil, an den ich mich in diesem Kontext noch gewühnen muss. Hoffentlich schaffe ich es demnächst zu einem Konzert.
Und das Album wächst und wächst...
Gestern in Wiesbaden erste Reihe gestanden, direkt vor Pete. Was'n geiles Konzert. Ich Depp hab vorher noch Bedenken gehabt, ich könnte enttäuscht werden. OK, Golgotha haben sie nciht gespielt, aber dafür Isaak als Zugabe. So geil
Halt doch einfach mal dein schändliches Maul. :'(
@Zombie
Und take my bones away als letzten Song, richtig? War zumindest in HH so.
Richtig.