laut.de-Kritik

Livealbum oder Best-of? Völlig wumpe!

Review von

Was andere denken: Oh weh, noch ein Lockdown-Streaming-Album! Was ich denke: Scheiße ja, endlich ein vernünftiger Querschnitt durch die Behemoth-Diskografie!

Wenngleich live eingespielt, so dokumentiert "In Absentia Dei" dennoch den wohl schlechtbesuchtesten Behemoth-Gig aller Zeiten. Kein einziger Fan ist zu sehen in jener verlassenen polnischen Kirche, aus der die polnische Elite im September 2020 ihr Pandemie-Event in die kerzenbehangenen Wohnzimmer der Metalwelt streamte. Weitestgehend alleine stehen die vier Musiker zwischen den in Flammenlicht gehüllten Kathedralenmauern. Ja, dieser Stream hatte schon ein anderes Setting als die rudimentären Webcamübertragungen aus dem Proberaum, an denen man sich spätestens nach zwei Wochen Pandemie sattgesehen hatte.

Visuell zogen Nergal & Co. schon damals alle Register. Die Blu-ray-Version zu "In Absentia Dei" zeigt noch einmal, was es schon damals fürs gut investierte Fan-Geld zu sehen gab: Feuerjongleure, schwarze Reiter, Fesselspielchen mit Kreuzigungsflair – und: eine hitträchtige Setlist, nach der sich andere Extreme-Metal-Bands alle zehn Finger lecken würden.

Tatsächlich zeigt "In Absentia Dei" erst auf, was für eine große Lücke in der Behemoth-Diskografie klaffte: Zwischen BBC-Sessions, DVD-Alben, Full-Album-Live-Releases und skizzenhaften Magazinbeigaben suchte man ein würdiges, repräsentatives Livealbum bisher vergebens. Zumindest innerhalb der letzten und damit wohl wichtigsten Behemoth-Dekade, in die unter anderem Nergals Leukämieerkrankung und das kathartische Magnum Opus "The Satanist" fiel. Das mit dem Jahrhundertalbum einhergehende Klangupdate hin zu einem atmosphärischeren Düster-Metal-Sound kommt hier nun vor allem den Hits der sterileren Death-Metal-Phase zugute. Und, Kinder, gibts da doch viele!

Vertreten sind unter anderem "Ov Fire And The Void", "Decade Ov Therion" und "Conquer All" – um nur ein paar Beispiele aus der weniger schwarzmetallischen Zeit zu nennen, aus der man hier eigentlich nur "At The Left Hand Ov God" und "Demigod" vermissen dürfte. Klar, dass Behemoth Letzteren nach Hunderten Performances auch einmal aus der Setlist verbannen dürfen (auch wenn sie Stampfer wie "Slaves Shall Serve" ja schließlich auch schon seit bald zwei Jahrzehnten durchschleifen).

Viel spannender (und seliger) ist jedoch der Blick auf vergessene Perlen wie "Satan's Sword (I Have Become)" und den gloomigen Death-Doom-Track "Lucifer", mit dem Behemoth einst das Finale ihrer flammenden Liveinfernos zelebrierten. Doch Moment, gegen Ende schieben sie ja tatsächlich auch noch "Chant For Ezkaton 2000 E.V." und "O Father O Satan O Sun!" hinterher – wie viele Hymnen darf eine solche Band eigentlich haben?

Die 19 auf "In Absentia Dei" gebündelten Tracks profitieren allesamt nicht nur vom organischen "Satanist"-Sound, sondern auch von massiver Spielfertigkeit und dem Verzicht auf nachträgliche Klangpolitur. So besticht etwa "As Above So Below" gerade live durch seine brutale Tightness, ohne jedoch in der Stille auf diese kleinen, feinen Finger-rutschen-übers-Griffbrett-Quietschmomente zu verzichten, die dem Ganzen in seiner spielerischen Präzision erst wirkliche Live-Vibes verleihen.

Noch ein wenig dreckigeren Sound hätte das eigentlich doch ziemlich rohe Old-School-Black-Metal-Relikt "From The Pagan Vastlands" vertragen. Aber irgendwo gehört ja auch der Kreis geschlossen, damit auch dieser Debüttrack seinen klanglichen Median mit neuzeitlichen Tracks wie "Bartzabel" findet. Und wer wirklich 'authentische' Schwarzmetall-Vibes braucht, kann sich ja mit dem der Vinyl-Version beiliegenden Papp-Kirchen-Bastelset vergnügen.

Klar, nicht vergessen: Schon länger gehen für Behemoth-Showmaster Nergal Musik und Marketing Hand in Hand. "In Absentia Dei" zeigt aber noch einmal klar, dass die Gewichtung nach wie vor auf qualitativ hochwertiger Musik liegt. Da darf man bei der Inszenierung im Spotlight auch gerne mal klotzen.

Trackliste

  1. 1. Evoe
  2. 2. Wolves Ov Siberia
  3. 3. Prometherion
  4. 4. From The Pagan Vastlands
  5. 5. Blow Your Trumpets Gabriel
  6. 6. Antichristian Phenomenon
  7. 7. Conquer All
  8. 8. Lucifer
  9. 9. Ora Pro Nobis Lucifer
  10. 10. Satan's Sword (I Have Become)
  11. 11. Ov Fire And The Void
  12. 12. Chwala Mordercom Wojciecha
  13. 13. As Above So Below
  14. 14. Slaves Shall Serve
  15. 15. Chant For Ezkaton 2000 E.V.
  16. 16. Sculpting The Throne Ov Seth
  17. 17. Bartzabel
  18. 18. Decade Ov Therion
  19. 19. O Father O Satan O Sun!

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Behemoth

1991 formiert sich im polnischen Danzig ein Trio, das einige Jährchen später zu den bekanntesten Vertretern des extremen Metal aus dem Osten zählen …

6 Kommentare mit 18 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Tolle Rezi! Das Album erinnert mich immer wieder an das Debüt von Fynn Kliemann, der da stellenweise relativ nah dran kam. Wenn das Leben so an einem vorbeizieht und man die Scheibe am Ohr hat, kann einem echt schwermütig werden. Gott hat für das alles nur 7 Tage gebraucht und ich finde, genau so siehts hier aus. Vieles liegt brach, gesellschaftlich sind wir gespaltet. Nach Robert Habeck wurde eine Straße benannt in der nur Plattenbauten stehen. Was eine komische Art von Ehre, das wünscht man wirklich keinem.

    Naja, was bleibt ist das herrliche Scheppern dieses Albums im Ohr. 6,39/5. DankeAlex. Danke Sodi. (WB)

  • Vor 3 Jahren

    Die ballern sich live ganz schön einen zurecht. Fetter Sound!

  • Vor 2 Jahren

    Das ist ja gar keine Musik. Das ist Krach und des Teufels.

  • Vor 2 Jahren

    Wann hat Metal eigentlich angefangen, so bierernst zu sein? Mitte der 90er? Ist jedenfalls heute ne ziemlich freudlose Angelegenheit geworden, und langweilt mich zu Tode. Ja, ihr seid ganz doll superevil und hart, Kinder. Hier habt ihr nen Lolli!

    • Vor 2 Jahren

      Hmm ja, am besten fragen dich vorher alle Bands die unironisch harte Musik machen wollen.

    • Vor 2 Jahren

      bruder glaube das war seid diese einen film wo mann mit blau weis gesich vor seine bruders reitet und viel gute dinge sage dann viele ware hardcore gegen engeland

    • Vor 2 Jahren

      Na ja, die Attitüde wurd ab den 90ern und spätestens nach "Vulgar Display of Power" von Pantera (1992 oder so?) auch diametral gesteigert zur Bretthärte der Riffs vor sich her zu tragen begonnen, aber der tief gestimmte böse grollende NuMetal kam und kommt auf Textebene dafür traditionell weinerlich, selbstmitleidig und superschneeflockig daher.

      Hat der alte Fritz bei LB neulich erst wider unterstrichen und selbst der ultraharte MH-Fronter Robb Flynn kam auf der "The Burning Red" plötzlich mit Avancen an die heularschige Jämmerlichkeit des Erdenmenschendaseins angeschrubbt...

    • Vor 2 Jahren

      Klingt ja wie die Wahl zwischen Pest und Cholera - Harter-Junge-Knüppelorgien und Mimimimi... Bei beidem ist kein Platz für Spaß.

      Wahrscheinlich mag ich den Prä-90er-Metal vor allem deshalb, weil der oft nicht nur experimentell, sondern vor allem cool und spitzbübisch daherkam. Bin kein Metalhead und werds auch so schnell nicht. Ich nehm im Zweifel aber lieber zehn cringige Steel Panthers als auch nur eine dieser leblosen Stock-im-Arsch-/Blast-Beat-/Rülpskapellen.

    • Vor 2 Jahren

      Och... so rein technisch und über die verzerrte Sechssaitige geblickt - aber auch in Sachen Songwriting für dieses Genre - war Diamond Dimebag Darrell schon ne Klasse für sich, imho. Wahrscheinlich noch ne Spur zackiger, virtuoser und intervallwechsellastiger bei gleichzeitig vergleichbar erbaulich hohem Verständnis für einen guten Metal-Song sowie die eigene Rolle als ein spezifischer Teil in einem Ensemble als sein mMn roundabout im Modern Metal wiederzufindendes ehestes Äquivalent, Brent Hinds bei Mastodon.

      Anselmo brauch ich weder als TrveMetal-Darsteller wie noch auf der "Cowboys from Hell" miz Pantera kurz vor "VDoP", noch als Gallionsfigur für die nach diesem fürs Genre schon als ausnehmend bedeutsam wahrgenommenen VDoP-Albums unbedingt und schon gar nicht als den hirndegenerierten White Supremacist-Arsch von verführerischer Szene-Prominenz, wie er seit 2016 öfter in Erscheinung trat.
      Wie neulich erwähnt macht er mMn bei Down häufig seine künstlerisch beste Figur, wird dort aber auch unsagbar bequem durch den Corrosion of Conformity- und generellen Louisiana-Vibe der Mitmusiker dieser Supergroup chauffiert...

    • Vor 2 Jahren

      souli bruder kennst du metalicka murat immer hore wenn zockhe call of dirty beste song notting hams mathers lp

    • Vor 2 Jahren

      Halt die Fresse und/oder sauf weniger Whisky!

    • Vor 2 Jahren

      Bands wie SYL, Meshuggah oder Cannibal Corpse zeigen schon, dass man auch mit viel Ironie ballern kann.

    • Vor 2 Jahren

      Gerade Meshuggah sind da eigentlich ein ganz nettes Beispiel. Basierend auf Interviews mit denen kann man schon sehen, dass das ziemlich nette und relaxte Typen sind, die halt gerne Ballermusik machen. Verstehe nicht so recht, warum aus dem bevorzugten Genre irgendwelche spekulativen Rückschlüsse á la "Stock im Arsch" gezogen werden müssen. Die Bands nehmen sich doch seltentst wirklich Ernst, auch im Black Metal nicht. Ist halt ein Stilmittel...

    • Vor 2 Jahren

      Absolut, wobei mensch bzgl. Devin Townsend wohl kaum entscheiden mag, ob es besser wäre, er nähme lieber was greifbares und handfestes wie S.Y.L. wirklich ernst statt hörbar so was (unfassbar für die VÖ-Zeit gelungenes) wie Ocean Machine: Biomech.

    • Vor 2 Jahren

      Ach, und an der unmöglichen Aufgabe, Anneke van Giersbergen in irgendeinem musikalischen Gewand nochmal auch nur halb so rührend, nah und mitreißend klingen zu lassen wie in der The Gathering-Besetzung von "Mandylion" bis inkl. "How to measure a planet?" in so ziemlich jedem verdammten Song auf diesen Pladden ist auch der Maestro Townsend himself so grandios gescheitert wie alle (Wannabe-)Visionäre vor und nach ihm...

      ...eines der letzten Großen Rätsel in der zivilisatorischen Endphase der Besiedelung dieses Planeten durch eure Spezies, wie und mit wem das nochmal zu schaffen sein soll - Haben ja nicht mal The Gathering im Selbstzitat nochmal geschafft.

    • Vor 2 Jahren

      eure Spezies...?

    • Vor 2 Jahren

      Ich hab vor längerem mal beschlossen, mich nicht (mehr) als eurer Spezies zugehörig zu empfinden, da mir div. grundlegende - jedoch unter euch als universal selbstverständlich geltende - Merkmale der Spezies fehlen, als ganzheitlich betrachtet, nicht bloß eingebildet auf psych. Grundlage. ;)

    • Vor 2 Jahren

      Nicht falsch verstehen, ich spiele RL schon ein hochkonkurrenzfähiges XY-Game, wenn mich gerade was oder wer dazu motiviert, aber für mich ist's halt auch nie mehr als das - Fun & Games until it's official that when I had no more business with your planet but to enjoy the stay - I succeeded. :)

    • Vor 2 Jahren

      Meshuggah hatte ich auch als Ausnahme im Kopf. Klar gibt es ein paar Ausnahmen mehr. Ging mur um allgemeine Trendfragen. Ganz allgemein war Metal aus den 70ern und 80ern aber was party- und besäufnisfreundlicher. Und da kaufe ich die Härte auch eher ab als im modernen Metal, wo ich sie eher als weißes Rauschen höre. So ziemlich jede kleine Amateurband heute versucht, möglichst böse und spaßbefreit zu wirken. Das scheint der Standard zu sein. Und ist halt lächerlicher Kindergarten-Cringe für mich.

    • Vor 2 Jahren

      bruder meddl in 80 viel fur mannin wolle sein frau vielleicht alize schwarcz finde van holen gut

  • Vor 2 Jahren

    Gibt ja auch genug extreme Bands, die sich selbst nicht ganz so ernst nehmen bzw. auch mal gerne Spaß haben. Archspire zum Beispiel.