laut.de-Biographie
Behemoth
1991 formiert sich im polnischen Danzig ein Trio, das einige Jährchen später zu den bekanntesten Vertretern des extremen Metal aus dem Osten zählen soll. Adam Michal Darski a.k.a. Nergal schart Anfang der Neunziger (damals unter dem Banner Baphomet) tatsächlich zwei weiter Mitstreiter um sich, die alle mit Vornamen Adam heißen.
Adam Muraszko verkloppt unter dem Pseudonym 'Baal' die Drums und Adam Malinowski schrubbt als 'Desecrator' die Gitarre, während Nergal alles weitere im Studio übernimmt. Zusammen folgend sie dem musikalischen Pfad ihrer Vorbilder Venom, Samael und Celtic Frost. Die schwarzmetallische Ausrichtung der Anfangstage ist den ersten Demos "Endless Damnation" und "The Return Of The Northern Moon" deutlich anzuhören. Vom 1993 erscheinenden "... From The Pagan Vastlands" existieren mitunter halblegale Kopien auf CD und LP sowie Bootlegs.
Beim italienischen Label Entropy Productions erblickt 1994 die erste EP "And The Forests Dream Eternally" das Licht der Öffentlichkeit. Im Untergrund machen sich Behemoth recht schnell einen Namen, auch wenn ihnen diverse Vorurteile entgegen schlagen. Die kommen nicht nur aus dem kirchlichen Lager, auch aus dem Umfeld des polnischen Undergrounds sehen sie sich mit Vorwürfen konfrontiert, die da lauten, Behemoth wären nur auf Kohle aus.
Das Debütalbum der polnischen Schwarzmetaller erscheint 1996 beim Label Pagan Records. "Sventevith (Storming Near The Baltic)" nennt sich das gute Teil, das äußerst positive Kritiken erhält. Zusammen mit Nergals Nebenprojekt Damnation erscheint 1997 die Split-CD "And The Forests Dream Eternally/Forbidden Spaces". 1996 sind Behemoth erstmals außerhalb von Polen mit Christ Agony, Helheim und Menhir auf der 'Pagan Triumph Tour' unterwegs. Der Erfolg bringt ihnen die Aufmerksamkeit des deutschen Labels Solistitium Records und somit einen neuen Deal ein.
1998 erscheint "Pandemonic Incantation" mit neuen Drummer Zbigniew Robert Prominski aka Inferno und läutet einen Stilwechsel ein. Der führt sie weg vom Black Metal und heidnischen Texten hin zum progressiven Death Metal mit satanischer Attitüde. Wegen des schwachen Labelmanagements geht das Album jedoch ziemlich unter. Die letzte Veröffentlichung bei Solistitium ist die Mini-CD "Bewitching The Pomerania", die zu einem beliebten Sammlerobjekt avanciert.
Nach dieser Veröffentlichung und einer ausgiebigen Tour wechseln Behemoth zum italienischen Label Avantgarde Music. Ihren technischen und experimentellen Death Metal bauen sie beim Album "Satanica" (1999) weiter aus. Mit Erfolg, denn das Feedback ist äußerst gut, 2000 erscheint die CD auch in den USA. Bald finden sie sich mit Deicide und Satyricon auf der Bühne wieder. Nur mit dem polnischen Label und innerhalb der Band tun sich Probleme auf. Nach einigen Line Up-Wechseln ist die Besetzung mit Novy (bekannt von Vader und Dies Irae) am Bass und Havok (Gitarre) erst einmal stabil. Im selben Jahr erscheint ganz selbstbewusst das Best Of-Album "Chaotica – The Essence Of The Underworld". In Anbetracht des stilistischen Wechsels erfolgt die Veröffentlichung wohl zur rechten Zeit.
Das Nachfolge-Album "Thelema.6" ist ein weiteres innovatives und technisches Werk, mit dem ihnen ein großer Wurf gelingt, es kommt auch in den USA, Russland und Brasilien raus. Im Rahmen des 'X-Mass-Festivals' touren Behemoth im Dezember durch Europa. Mit dabei sind Morbid Angel, Dying Fetus, Enslaved und The Crown. 2000 erscheint auch das Video "Live Eschaton", im Sommer spielen die Polen auf diversen Festivals, unter anderem dem Wacken Open Air oder dem With Full Force. Nach weiteren Live-Gigs mit Vader, Carpathian Forest und anderen gehen Behemoth zurück ins Studio, um an "Zos Kia Cultus (Here and Beyond)" zu arbeiten.
Nebenher touren sie munter weiter und stellen die limitierte Mini-CD "Antichristian Phenomenon" (2001) in die Läden. Das aufwändig produzierte Album "Zos Kia Cultus" entsteht nach rund 700 Stunden im Hendrix Studio und erscheint im November 2002. Wieder stehen ausgiebige Touren an, die Behemoth, gemeinsam mit Bands wie Destroyer 666, Darkane oder Frontside, durch ganz Europa führen. Da Behemoth ständig Material rauswerfen, dürfen die Fans im selben Jahr noch für zwei DVDs in die Taschen greifen: Das Box-Set "Historica" sowie die Live-DVD "The Art Of Rebellion".
2003 spielen Behemoth zum ersten Mal auf US-amerikanischem Boden. Kurz darauf lädt sie Glenn Danzig auf das 'Blackest Of The Black'-Festival ein. Danach zocken sie mit Six Feet Under und Skinless weiter durch die USA. Beim Tuska Festival geben sie mit Ministry und Soulfly ihr Finnland-Debüt. Anschließend verkrümeln sich zunächst Novy und kurz darauf auch Havok aus der Band und kümmern sich wieder um ihre eigenen Sachen.
Die Arbeit am neuen Album beginnen Nergal und Inferno mit dem Neuzugang Tomasz Wroblewski aka Orion (Bass) und dem Session-Gitarristen Seth (Patryk Dominik Sztyber), die sich beide von Vesania her kennen. Nicht nur wegen der Thematisierung der ägyptischen Mythologie tun sich auf dem 2004er "Demigod" Parallelen zu Nile auf. Überhaupt beschäftigen sich Behemoth textlich mit philosophischeren Themen und Sichtweisen. Damit man sich das ganze auch optisch zu Gemüte führen kann, gibt es 2004 noch "Crush.Fukk.Create: Requiem For Generation Armageddon" auf DVD.
Zwei Jahre darauf sind sie schon wieder mit einer fetten DVD-Box namens "Demonica" am Start, die ihr Geld wert ist. Denn sie beinhaltet auf dem Bildschirm und in einem 44-seitigen Booklet viele Infos über die Anfangstage der Band seit 1992. Nach diesem Rückblick orientieren sich die Polen wieder ganz nach vorn und beackern im Rahmen der 'Sounds Of The Underground'-Tour flächendeckend die USA.
Den Erfolg von "Demigod" setzen sie 2007 mit "The Apostasy" fort und erobern neben dem europäischen auch immer mehr den nordamerikanischen Markt. Für "Evangelion" wechseln sie Anfang 2009 von Regain Records zu Nuclear Blast und legen ihr neuntes Album Anfang August vor. Zwischenzeitlich taucht Nergal in Polen auch in der Klatschpresse auf, da er wohl mal mit dem polnischen Playboy-Model/Poptrulla Doda einen drauf macht.
Abseits von solchen Klatschgeschichten besitzt Nergal mittlerweile eine eigene Signature Gitarre namens 'Hex-7' von ESP und ist nach seinem Studium an der Universität von Danzig ein ausgebildeter Museums-Kurator. Zwar wird er zwischenzeitlich von ein paar erkonservativen Katholiken angeklagt, weil er live gern mal eine Bibel zerreißt. Die Anklagen werden aber alle abgeschmettert.
Dennoch kommt er nicht zur Ruhe. Mitte August muss er überraschend ins Krankenhaus und bekommt die verheerende Diagnose: Leukämie in bereits fortgeschrittenen Stadium, weshalb er dringend eine Knochenmarksspende benötigt.
Nergal besiegt die Krankheit und veröffentlicht 2014 mit "The Satanist" nicht nur eines der besten Alben seiner Karriere, sondern gleichsam das Extrem-Metal-Manifest. Doch statt sogleich einen mit großen Erwartungen belasteten Nachfolger anzugehen, nimmt er sich in der Folge eine Auszeit vom Metal und wendet sich der Countrymusik zu. Gemeinsam mit dem seit Jahrzehnten in Polen aktiven britischen Rocker John Porter gründet er Me And That Man und veröffentlicht das Album "Songs Of Love & Death".
Was seine alten Fans von der stilistischen Kehrtwende halten, ist ihm zunächst einmal ganz egal, wie er im Interview mit laut.de erklärt: "Kunst ist ein egoistischer Trip. Es ist in dir und mit dir. Erst danach reichst du es an andere Leute weiter, weil du es aus dir selbst rauskriegen musst. Und dann ist es ihrs und du hast keinerlei Kontrolle mehr darüber, was sie damit anfangen. Sie können es töten, lieben, ihm folgen oder auch nicht. So oder so ist es okay."
Diesem Motto bleibt er auch beim nächsten Behemoth-Album treu. "I Loved You At Your Darkest" erscheint 2018 und bildet das stilistisch am breitesten gefächerte Werk der Bandkarriere. Nergal bedient sich im Gothic-Sektor, covert für ein späteres Release während der Sessions zusammen mit Niklas Kvarforth The Cures "A Forest", und übernimmt von Me And That Man die Idee, mit Kinderchor zu arbeiten. "Mit diesem Album wollte ich das Niveau unserer Band völlig neu definieren" erklärt er. "Auf der einen Seite ist es extrem und radikal, aber gleichzeitig ist es viel rockiger als irgendein anderes Behemoth-Album bisher. Auch wenn unser Ursprung Black Metal ist, ist Behemoth irgendwie darüber hinaus gewachsen und zu etwas größerem geworden. Wir kennen unser Vermächtnis, aber mit dieser Platte haben wir eine völlig neue Ebene angestrebt!"
Den ketzerischen Texten bleibt er aber treu und macht sich wie schon zuvor einen Spaß daraus, christliche Symbolik umzukehren und gegen ihre Urheber zu verwenden. Im Video zu "God=Dog" inszeniert er sich als gekreuzigter Jesus, für das erste Pressebild stellt die Band eins der berühmtesten Kreuzigungsbilder überhaupt nach, Matthias Grünewalds Isenheimer Altar. Der Albumtitel ist ein direktes Bibelzitat: "Tatsächlich hat das Jesus persönlich gesagt. Dass wir von Behemoth es also als Grundlage für unser Album nutzen, ist ein Sakrileg ohnegleichen. Aber das sind nicht nur billige Sticheleien. Ich glaube, es ist vielmehr eine tiefergehende Sprache innerhalb des Metal. Es ist Kunst."
Dieser Kunst geben Behemoth seit jeher auch eine visuelle Komponente. Anlässlich ihres Streaming-Konzertes während der Corona-Pandemie legen sie hier mit Feuerjongleuren, schwarzen Reitern und Fesselspielchen mit Kreuzigungsflair noch eine Schippe drauf. 2021 erscheint der Auftritt als "In Absentia Dei" auf Blu-ray und Vinyl.
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