laut.de-Kritik
Köln-Fan mit dem Herzen am rechten Fleck.
Review von Jasmin LützBen Folds Gespür für herausragendes Songwriting hat sich längst herumgesprochen. Und wird mit "Way To Normal" weiter untermauert, wenn man vom protzigen Opener "Hiroshima (B B B Benny Hit His Head)" absieht. Wollen wir diese Stadion-Anarchie mal als Parodie auf Billy Joels-Massengigs deuten, als ironischen Wink für die Einweisung in die TopTen. Da will ja schließlich jeder hin.
Auf Ben Folds drittem Alleingang bleibe ich als kölsches Mädchen natürlich bei den Stücken fünf und sechs hängen. "Before Cologne" ist eine hübsche Piano-Einleitung zur eigentlichen Verführung "Cologne". Die Tränen sind dabei vorprogrammiert und werden durch traurige Streicher unterstützt - der Mann scheint bei seiner letzten Konzertreise großen Gefallen an der Rheinmetropole gefunden zu haben. Aber nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ben Folds' Ballade hat mit dem kölschen Frohsinn an sich eher wenig zu tun.
Von den zwischenmenschlichen Missverständnissen erzählt er im Duett mit Regina Spektor ("You Don't Know Me"). Es ist schließlich immer wieder traurig, lange Zeit mit jemanden zu verbringen, um dann festzustellen, dass man sich überhaupt nicht kennt.
Neben den klaren Pop-Melodien stoßen auch mal trashige Beats ("Brainwascht") in die Gedanken des melancholischen Virtuosen. Unterdessen entpuppt sich "Free Coffee" am Ende als eine funky Jazz-Variation. Hier hat der Komponist wohl zu viele Röstaromen abbekommen. Diesen Koffein-Schwung nimmt er mit ins nächste Tanzstück. "Bitches Ain't Shit" hieß es schon 2006 auf Supersunnyspeedgraphic, The LP, und die flotte "Bitch" bleibt auch Bestandteil dieser Platte. "Bitch Went Nuts" führt die Idee humorvoll und eingängig fort.
6 Kommentare
Liebe Frau Lütz,
sehr schöner Versuch die Stadt Köln hochzuhalten, nur passt es nicht ganz zur Platte, will sagen hat damit überhaupt nix zu tun:
Wie der Titel schon sagt, ist die Platte der "Weg zur Normalität". Jetzt fragt man sich natürlich warum ist es denn im Leben des Pianomannes nicht normal?
Antwort: Trennungsschmerz!! Herr Folds ist nicht mehr mit seiner Ehefrau liiert.
Tja und nun, mit diesem schnell herauszufindenden Backgroundwissen, macht auch die Platte einen Sinn.
Er hat also mitnichten eine Gefallen an der Rheinmetropole gefunden, sondern in Cologne haben sich vielmehr offensichtlich dem Text entsprechend die Wege beider getrennt.
Ich bitte ebenfalls auch die Songs "You don´t know me" und "Bitch went Nuts" unter diesem Aspekt zu hören.Im Übrigen auch die komplette Scheibe, denn sie ist nichts anderes als eine Verarbeitung seiner Trennung.
Letzlich schreibt Frau Lütz von dem hervorragenden Songwriting des Plattenmachers, vergisst dabei aber offensichtlich, dass es gerade eines hervorragenden Songwritings bedarf, große Opener zu schreiben, wie "Hiroshima" einer ist. Ich bitte auch hier Text und Titel des Songs in den autobiographischen Kontext zu setzen.
Nächste Mal also bitte mehr Recherche.
Grüße vom Juju3
Egal wie der Hintergrund nun ist, es ist auf jeden Fall eine sehr gelungene Platte.
Cologne ist dabei mein Highlight.
Das schöne ist doch, dass jeder die Platte (und Musik an sich) immer so interpretieren kann, wie er mag. Und noch schöner: Es stimmt immer!
Tim
Tolles, tolles Album!
Vielleicht etwas zu streng der Herr Juju3!
Aber in diesem Kontext ist die Platte schon zu sehen. Deshalb muss ich ihm schon Recht geben. All zu viel Recherche hätte es dafür wirklich nicht gebraucht. Aber Sebo hat insoweit Recht, dass dies für den Hörgenuss nebensächlich ist. Platte hören, für gut befinden und sich seine Geschichte daraus spinnen. Ist ja auch viel spannender.
Wollte in keinem Falle streng klingen, bin nur der Meinung, dass eine CD-Kritik nunmal auf fundiertem und dazu, wie richtig erkannt, leicht zu recherchierendem Wissen fussen sollte, ansonsten klingts doch arg nach brotloser Kunst und das hat doch Herr Folds nun wirklich nicht verdient.
Das Argument von Sebo geht meines Erachtens übrigens nur insoweit auf, als dass man Subjektivität zu Grunde legt. Ich betone, dass dies durchaus ein richtiges und legitimes Kriterium ist, für sich eine Platte schön oder weniger schön zu finden. Ich möchte an dieser Stelle aber anbringen, dass objektive Kriterien (Musikalität, Motivation, Intention etc.) durchaus dazu führen können, eine Platte noch schöner zu finden, weil sie dann vielleicht auch der eigenen Interpretation einen neuen, weiteren Blickwinkel hinzufügen lässt.
Musikalische Grüße
Juju3
So tiefgründig bin ich nicht veranlagt