laut.de-Biographie
Ben Folds
"Wenn alles noch aufregend wäre und Spaß machen würde, dann würden wir weitermachen." So kurz und bündig fasst Ben Folds die Gründe für den Split von Ben Folds Five zusammen. Nur weil seine Band sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in die ewigen Jagdgründe begibt, bedeutet das für den Tasten-Frontmann natürlich noch lange nicht das Aus. Der am 12. September 1966 in North Carolina geborene Folds macht einfach auf Solo-Pfaden weiter. Etwas anderes hätte man ja auch nicht erwartet.
Schon 1998 hat er mit dem Projekt Fear Of Pop und der dazugehörigen Platte "Vol.1" ein erstes Solo-Album veröffentlicht. Dort ging mit Folds aber der Drang zum Experimentieren (er benutzt sogar Gitarren!) etwas zu sehr durch, und die Fans seiner damaligen Band verschmähen das Werk. Trotzdem schlägt sich Folds ein weiteres Mal alleine durch. Immerhin ist er daran schon gewöhnt. Als Session-Drummer in Nashville, als Basser in der Broadway-Produktion des Musicals "Buddy Holly" und als Schauspieler hielt sich das Multi-Talent vor seiner Zeit als tastenhauender Rockstar über Wasser.
Nach der letzten BF5-Platte "The Unauthorized Biography Of Reinhold Messner" knüpft er an diese Frühzeit an. Er siedelt mit seiner Frau und seinen Zwillingen ins australische Adelaide um und nimmt in der einsamen Millionenstadt fernab vom Pop-Biz mit Produzent Ben Grosse (Filter, Fuel) sein erstes "richtiges" Solo-Album "Rockin The Suburbs" auf.
Nach der Veröffentlichung im Jahr 2001 hat Folds die alten Fans wieder auf seine Seite gezogen, denn im Grunde genommen macht er nichts anderes als zuvor mit seinen zwei Mistreitern Robert Sledge und Darren Jessee. Alles ist wieder an seinem angestammten Platz. Die Texte sind mit Zitaten vollgepackt, die Refrains gewohnt catchy, und Billy Joel, Elton John und Todd Rundgren stehen musikalisch Pate. Da sind sich doch alle wieder schnell einig über den Mann am Klavier. Auch als Folds ein Jahr später einen seiner fantastischen Live-Auftritte veröffentlicht, freut sich die Runde wieder. Denn das kann er immer noch am Besten.
Unter dem Namen The Bens geht Folds dann gemeinsam mit seinen Kumpels Ben Lee und Ben Kweller auf Tour durch Australien. Daraus resultiert auch eine gleichnamige EP. Überhaupt freundet sich Folds sehr mit diesem Format an und veröffentlicht mit "Speed Graphic", "Sunny 16" und "Super D" eine Triologie, die ausschließlich über das Internet verkauft wird. Während er weiter an seinem neuem Album arbeitet, greift Folds William Shatner aka Captain James T. Kirk als Produzent für dessen zweites Solo-Album seit immerhin 35 Jahren unter die Arme. Shatner arbeitete mit Folds auch schon für das Projekt Fear Of Pop zusammen.
Ende November 2004 möchte Ben Folds nach langer Pause endlich wieder nach Deutschland reisen. Angespornt von der Fan-Aktion "Ben Folds Society", die im Internet digitale Unterschriften für Europa-Konzerte sammelte, möchte er Köln und Berlin mit je einem Konzert beehren. Leider fängt sich Folds aber eine Lungenentzündung ein und muss die Termine verschieben. So müssen sich Fans zunächst mit seinem zweiten regulären Soloalbum "Songs For Silverman" trösten. Für die Aufnahmen geht der Piano-Man zurück nach Nashville. Zunächst nimmt er die Stücke im Alleingang auf. Doch als er sie im Frühjahr 2004 fertig stellt, beschließt er, dass es mit Band besser klingen würde.
So findet er mit Jared Reynolds am Bass und Lindsay Jamieson hinter den Drums zurück zur Ben Folds Five-Instrumentierung. Das Album, das sie in den RCA-Studios aufnehmen, in denen schon Cash und Elvis kreativ waren, produziert Folds gleich selbst. Vom glanzvollen Auftritt im australischen Perth erscheint pünktlich zum Weihnachtsfest 2005 eine Live-DVD.
Irgendwann im Sommer 2006 macht sich Folds noch einmal Gedanken über vergangene Taten. Dass es seine drei EPs aus dem Jahr 2003 nur im Internet zu erstehen gibt, macht dem alten Vinyl-Liebhaber plötzlich ein bisschen zu schaffen. Wäre es nicht schön, wenn auch die Freunde physischer Tonträger etwas von diesen Glanztaten mitbekommen würden? Und ob! Folds fasst sich ein Herz und haut die Dinger, angereichert mit einem Song der "The Bens EP" nochmal unter dem Zungenbrecher-Titel "Supersunnyspeedgraphic, The LP" als Vinyl und CD raus. Mit dabei ist natürlich auch das wohl bekannteste Cover seiner Internet-Veröffentlichungen: "Bitches Ain't Shit" von Dr. Dre.
2010 kommt es zu einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit mit dem englischen Autor Nick Hornby, die im Album "Lonely Avenue" gipfelt.
Doch die Vergangenheit lässt einen Menschen niemals ganz ruhen. 2008 kommt es zu einer kurzen Ben Folds Five-Wiedervereinigung im Rahmen der "Front to Back"-Serie von MySpace. Für die Kompilation "The Best Imitation of Myself: A Retrospective" nimmt die Band 2011 drei neue Songs auf. Im Herbst 2012 kommt es schließlich doch zum endgültigen Comeback und mit "The Sound Of The Life Of The Mind" erscheint der erste BF5-Longplayer seit dreizehn Jahren.
Seine Zukunft schätzt Folds realistisch ein: "Man weiß nie, was als nächstes kommt. Woher soll ich wissen, ob ich noch etwas gutes schreiben werde. Nicht viele Künstler in meinem Alter haben das Glück, relevante Platten zu veröffentlichen. Selbst die Großen wie Paul McCartney und Bob Dylan mussten durch Zeiten, in denen sich keiner für sie begeisterte. Das wichtigste ist, als Künstler in Bewegung zu bleiben. Ich muss sicherstellen, dass ich stolz auf meine Arbeit bin. Wenn ich das schaffe, bin ich glücklich."
Der Mann der schrillen Piano-Punk-Griffe findet dann für viele Jahre nur Bewegungs-Impulse außerhalb seiner Solo-CDs. Er komponiert an seinem Mason & Hamlin-Klavier Filmmusik, zum Beispiel für den Animations-Movie "Ab durch die Hecke". Ben arbeitet mit dem Washingtoner National Symphony Orchestra. In der Erfahrung mit Musiker*innen und Komponist*innen aus dem Klassik-Umfeld erkennt er im Gespräch mit Stereogum: "Sogar Komponisten auf dem Sterbebett waren noch dabei, Neues zu lernen. Wohingegen man in der Rockmusik ziemlich schnell altert und raus ist. Über solche Sachen hab ich nachgedacht."
Es bleibt nicht beim Nachdenken im stillen Kämmerlein. Nach zehn Jahren Erfahrung mit Musical-Inszenierungen, Soundtracks und TV-Shows verfasst Folds 2019 seine Autobiographie "A Dream About Lightning Bugs: A Life Of Music And Cheap Lessons", nur auf Englisch im Verlag Ballantine Books. In diesen Memoiren schneidet er auch an, dass er keine neuen Platten mehr raus bringen möchte. Zumindest Platten in der Art, wie er sie früher gemacht habe, seien für ihn passé.
Ein Gemeinschaftsalbum (2015) mit dem Kammermusik-Projekt yMusic und Streicher-Arrangeur Rob Moose bezeichnet er rückblickend im Interview von Stereogum als eine Art Ausnahme - "Ich würde das kein normales Album nennen." Moose ist bekannt von seiner Arbeit mit den Decemberists, The National, Laura Marling, Ben Howard und Bruce Hornsby.
Ein unvorhersehbarer Schwenk für Folds ereignet sich durch die Corona-Pandemie. "Plötzlich war ich nicht mehr die ganze Zeit auf Tour. Der Anreiz war größer. Nach so langer Zeit empfand ich den Schreibprozess und überhaupt alles als viel frischer", so Folds gegenüber dem Magazin Stereogum in einem seiner äußerst raren Interviews.
"Und ein Punkt war, dass ich tatsächlich ein würdiges Angebot von einer Plattenfirma erhielt. Ich bin mir nicht sicher, ob die Kids heute verstehen, was ein würdiges Angebot ist, zumal sie in Label-Verträge mit diesem ganzen 360 Grad-Rundum-Zeug und einen niedrigen Budget gehen, was prima ist, wenn du alles im Computer herstellst und deine Musik nicht von der Chemie des echten Live-Einspielens abhängt. Aber diese Chemie, als wär's live, die ich auf einer Scheibe bevorzuge, ist teuer."
Die Firma New West kümmert sich auch sonst nur um solche handgemachten Sounds, marschiert den Weg des Multiinstrumentalisten mit und verlegt mit ihm die ausgeklügelte Storyteller-Platte "What Matters Most" (2023) voller wunderschöner Melodien.
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