laut.de-Biographie
Bettye LaVette
Es ist schon bemerkenswert. Da erstreckt sich die Karriere von Betty Harris nun schon über mehrere Jahrzehnte und trotzdem kann kaum jemand etwas mit ihrem Künstlernamen Bettye LaVette anfangen. Obwohl sie als eine der ausdrucksstärksten und emotionalsten Stimmen im Soul-Zirkus gilt, blieb ihr der finanzielle Durchbruch letztlich immer verwehrt. Erst im 21. Jahrhundert, nach über 40 Jahren, nimmt ihre Karriere endlich richtig Fahrt auf.
Dabei fängt ihre Geschichte ganz verheißungsvoll an. 1946 in Muskegon, Michigan geboren, kommt sie mit ihrer Familie im Alter von wenigen Monaten nach Detroit, wo sie später die St. Agnes High School besucht. In einer der Hochburgen des Souls sei sie sehr eifersüchtig auf die vielen talentierten Menschen um sie herum gewesen, sagt sie später.
Jedoch ohne Grund, denn bereits mit 16 Jahren wird sie von Johnnie Mae Matthews entdeckt, die mit ihr die Single "My Man - He's A Lovin' Man" aufnimmt (1962). Die Platte sollte zunächst auf Northern erscheinen, allerdings wird Atlantic Records auf Bettye aufmerksam und sichert sich die Rechte an dem Song, der den Einstieg in die Top 100 zwar knapp verpasst, dafür aber in die Top Ten der R&B-Charts einsteigt. Es folgen Touren u.a. mit Ben E. King, Otis Redding (noch bevor dieser seinen Durchbruch erlebt) und James Brown.
Für ihre Entdeckerin Johnnie Mae Matthews hat LaVette später außer Dank nicht mehr allzu viel übrig: "Eine große, garstige Frau mit Narben im Gesicht, die mich schlug und die Temptations und alle anderen um ihr Geld betrog. Aber sie und mein erster Manager, Robert West, haben mich zu Atlantic gebracht. Sie hätte so viel mehr sein können als sie tatsächlich war."
In den Jahren danach nimmt sie immer wieder Singles auf, so auch ihr wohl bekanntestes Lied "Let Me Down Easy", geschrieben von Dee Dee Ford. Eine extrem athmosphärische Aufnahme, die LaVettes gesamtes Talent im Interpretieren von Songs widerspiegelt. Auch "Hey Love", das Stevie Wonder speziell für Bettye geschrieben hat, sowie die Coverversionen von "With A Little Help From My Friends" der Beatles oder Kenny Rogers "What Condition My Condition Was In" beweisen dies. Bettye LaVette sah und sieht sich nie als Songwriter sondern stets als Interpretin: "Wenn du ein Statement gibst, kann ich daraus ein gewichtigeres Statement machen. Und wenn du eine Story schreibst, kann ich daraus eine fesselndere Story machen. Aber ich denke nahezu niemals darüber nach, selbst eine Geschichte zu schreiben."
Nachdem sie sich mit unzähligen Cover-Versionen und Interpretationen verdingt hat, ist es 1972 endlich so weit: Bettye LaVette wird von Atlantic Records nach Muscle Shoals, Alabama geschickt, um an dem Ort, an dem schon die Rolling Stones, Aretha Franklin, Etta James, Bob Seger und viele andere im Studio standen, ihre erste Langspielplatte aufzunehmen. Es soll ihr lang erwarteter Durchbruch werden, doch es kommt ganz anders.
Die Platte, die den Titel "Child Of The Seventies" tragen soll, wird zwar ohne weitere Komplikationen in kurzer Zeit aufgenommen, von Atlantic allerdings niemals veröffentlicht. Die Gründe sind bis heute unbekannt, nicht mal Bettye LaVette selbst kennt sie. Erst im Jahr 2000 ersteht der französische Soulsammler Gilles Petard die Rechte an "Child" und veröffentlicht es unter dem Namen "Souvenirs" auf seinem Label Art and Soul.
Dieser Umstand hievt Bettye LaVette schließlich auch wieder zurück auf die Showbühne. Zwar erscheint 1982 mit "Tell Me A Lie" auf Motown endlich ihre erste LP, die Scheibe wird jedoch nicht weiter beachtet. 2001 wird sie von Keb Darge und Pete Rock gewürdigt, indem sie auf deren Compilation "Funk Spektrum 3" mit "Let Me Down Easy" vertreten ist. In der Folgezeit wird das Label Anti auf die Dame aufmerksam. "Ich bin wahrscheinlich die einzige 60 Jahre alte schwarze Frau mit einem nagelneuen Deal über drei Platten."
Vorher erscheint allerdings zunächst "A Woman Like Me" auf Blues Express. 2004 wird LaVette dafür der W.C. Handy Award in der Kategorie "Comeback Blues Album of the Year" verliehen. 2005 schließlich erscheint "I've Got My Own Hell To Raise" auf Anti unter anderem mit Interpretationen von Sinead O'Connor, Dolly Parton und Aimée Mann. LaVette hat endgültig ihren Stil zwischen Country, Blues und Southern Rock gefunden, ohne dabei ihre Soulwurzeln zu vergessen: "Ich bin Soulsängerin. Wenn ich eine Arie singen würde, würde ich sie singen, wie sie eine Soulsängerin singen würde. Ich kann nicht anders singen."
2007 erscheint der Nachfolger "The Scene Of The Crime", der an dem Ort aufgenommen wird wie schon "Child Of The Seventies": Muscle Shoals, Alabama. Mit dem Unterschied, dass die Platte dieses Mal tatsächlich erscheint. Unterstützt von den Drive-By Truckers, David Hood am Bass und Spooner Oldham am Wurlitzer-Piano entsteht wieder eine Platte, die Genregrenzen verschwimmen lässt und doch nur einer einzigen Kategorie bedarf: Soul.
Während Obamas Amtszeit darf die Detroiterin für ihn, den Ehrendoktor der University of Michigan, auftreten. Obwohl ihr nie wirkliche Hits beschieden waren, legt sie auch im Rentenalter Schlag auf Schlag ein Album nach dem anderen vor. Sie wechselt dafür ein paar Mal die Plattenfirma, um schließlich bei Verve zu landen. "Things Have Changed" wird 2018 ein reines Dylan-Cover-Album, "Blackbirds" vor allem eine Sammlung sehr intim interpretierter Jazz-Standards, aus den 30er, 40er und frühen 60er Jahren. Titel gebend: Das Beatles-Cover "Blackbird".
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