laut.de-Kritik
Subtiler Flirt mit dem Übernatürlichen.
Review von Moritz FehrleDa braut sich etwas zusammen. Das Erste, was man auf dem dritten Album der New Yorker Band Big Thief zu hören bekommt, klingt wie die musikalische Untermalung eines David Lynch-Films. Knapp drei Minuten baut die Band mit vergleichsweise einfachen Mitteln eine unheimliche Spannung auf, bis Sängerin Adrianne Lenker in ein gruseliges Kreischen ausbricht.
Inspiriert vom gleichnamigen Film aus dem Jahr 1997, stellt "Contact" schon einmal das Grundthema des Albums vor. Big Thief setzen sich mit dem Übernatürlichen auseinander. Ganz getreu dem Motto: "Wenn wir die Einzigen im Universum sind, ist das eine ziemliche Platzverschwendung".
Dass man nach dem ersten Schreck keine Angst vor den Dingen haben sollten, die sich der eigenen Vorstellung entziehen, zeigt der Titeltrack "UFOF". Das F hinter dem unbekannten Flugobjekt steht dabei für Freund. Und der Song ist ein derart herzerwärmendes kleines Folkmeisterwerk, das man der Band wohlwollend auch den doch ziemlich dämlichen Titel durchgehen lässt.
Um grüne Männchen geht es ohnehin nur bedingt, wie Adrianne Lenker klarstellt: "Making friends with the unknown, all my songs are about that". Nichtsdestotrotz eine Aussage, die in unserem rationalen Zeitalter etwas esoterisch und befremdlich wirkt. Sich auf Big Thief einzulassen erfordert eben auch ein Stück Überwindung.
Das gilt für die kryptischen Texte von Adrianne Lenker genauso wie für ihren eigenwilligen Vortrag, der oft kaum mehr als ein Wispern ist. Und auch auf das zurückgenommene Tempo der Band muss man sich einlassen wollen. Größere Ausbrüche wie in "Contact" sind spärlich gesät. Stattdessen richtet die Band ihr Auge auf die kleinen Geschichten und Momente, die wir im alltäglichen Stress oft übersehen.
Diesen Blick fürs Detail fordert die Band auch von ihren Hörern ein, eine Überwindung und eine Mühe, die sich auszahlt. Nicht nur offenbart sich "U.F.O.F." bei genauem Hinhören als wesentlich vielschichtiger und verschachtelter, als es zunächst den Anschein hat. Die vier Musiker finden auch genau die richtigen Nuancen, um herauszustechen, aus der breiten Masse der Indiefolk-Bands.
Als bestens eingespieltes Team schaffen sie es (bei einem nur scheinbar homogenen Soundbild) jedem Song seine ganz eigene Facette zu geben. Teilweise geht es dabei regelrecht minimalistisch zu. In Songs wie "Betsy" braucht Lenker nur ganz wenige Worte, um ihre Szenerien zu erschaffen. Dazu erzeugen die Band und der sehr raue und tiefe Gesang eine verführerische Sogwirkung.
Vieles spielt sich im Halbschatten ab. Songs wie "Open Desert" lassen die Grenze von Traum und Wirklichkeit verschwimmen. Jazzig angehaucht kommt "Century" daher. Bass und Schlagzeug schaffen eine intime, schwebende Atmosphäre, und Adrianne Lenker gelingt das Kunststück, ein Liebeslied mit Assoziationen zu allerhand Käfern und Motten zu verbinden. Im Kosmos dieses Albums wirkt das absolut schlüssig.
In einer immer hektischeren und lauteren Welt ganz auf Stille und Reduktion zu setzen, darf man getrost als Anachronismus betrachten. Im kollektiven Brüllen all der Alphamännchen beharrt Adrianne Lenker darauf, zu flüstern. Dass sie schöner und lauter schreien kann, hat sie ja in "Contact" schon gezeigt.
5 Kommentare
♥ ♥
3/5 bisher. Gute Ansätze aber mir fehlt immer wieder das gewisse etwas. Könnte natürlich noch wachsen. Ich hoffe es.
Kein schlechtes Album, aber es will einfach nicht Klick machen
Bei weitem schwächer als die beiden Vorgänger. Unterm Strich eine Enttäuschung.
Album des Jahres bis jetzt.