Porträt

laut.de-Biographie

Blackalicious

Einer Rap-Crew wie Blackalicious kann der Hip Hop-Fan gar nicht genug danken. Für die leidigen Situationen, in denen nixblickende Hater Hip Hop-Künstlern musikalischen Anspruch und inhaltlichen Tiefgang absprechen, sollte der geneigte Head immer ein Blackalicious-Album mit sich führen: Platte in den CD-Spieler, Lautstärkeregler aufdrehen und MC Gift Of Gab und Produzent Chief Xcel die Argumentation überlassen. Jede weitere Diskussion überflüssig.

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Ihren Beginn nimmt die Erfolgsgeschichte des Duos an der John F. Kennedy High School in Sacramento, wo sich Xavier Mosley und Tim Parker 1987 das erste Mal über den Weg laufen. Die ersten Schritte im neuen Hip Hop-Kosmos gehen die beiden gemeinsam. Damals noch unter den Namen Gabby T (Gift Of Gab) und DJ IceSki (Chief Xcel) formen sie mit einem weiteren Rapper, Homicide, ihre erste Crew. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass Gabby T und IceSki am besten als Duo funktionieren. Ab 1989 treten sie nur mehr zu zweit an.

Auf der Suche nach ihrer künstlerischen Identität verändert sich nicht nur ständig der Sound. Auch auf einen Namen können sich Tim und Xavier nicht richtig einigen. So nennen sie sich erst GTI, eine Zusammensetzung ihrer Pseudonyme, um dann nach The Elements Of Sound und Atomic Legion 1991 erstmals unter dem Namen Blackalicious aufzutreten.

Die Euphorie der Anfangstage dämpft bald der Umzug von Gift Of Gab nach Los Angeles. Die Motivation der beiden, gemeinsam Musik zu machen, geht aber so weit, dass sie etliche Songs nur über Telefonkontakt aufnehmen. Eine Vorgehensweise, die jedoch keine Dauerlösung darstellt. So sieht es auch Chief Xcel, dem seine Übersiedlung nach Davis und der Besuch der dortigen University of California einen Rap-begeisterten Freundeskreis bescheren.

Kurz nach der Gründung der Crew SoleSides mit den Künstlern Lyrics Born, DJ Shadow und Lateef the Truthspeaker lässt Xcel seinen alten Partner wissen, dass er ihn nicht vergessen hat. Ein Busticket von Los Angeles nach Davis landet in Tims Briefkasten, und Gift Of Gab schlägt spontan ebenfalls seine Zelte am dortigen College-Campus auf.

Definitiv eine gute Entscheidung: Schnell überschlägt sich die Motivation des Kollektivs. Sofort beginnt die Arbeit am Debüt. Nebenher kollaborieren Chief Xcel und Gift Of Gab auf den Veröffentlichungen ihrer (mittlerweile gemeinsamen) Freunde. 1992 erscheint etwa die Single "Count And Estimate" von DJ Shadow als erste Platte auf dem eigenen Label SoleSides. Es folgen weitere kleinere Projekte der hochproduktiven Bay Area-Gemeinde, darunter die EP "Melodica" (1994), die erstmals den eindeutigen Blackalicious-Style präsentiert: Soul-lastige Beats von Chief Xcel und intelligente Texte von Gab, die sich mehr als gut ergänzen.

Trotz der unbändigen Begeisterung, die das Duo an den Tag legt, müssen Fans und Kritiker weitere fünf Jahre warten, bis Blackalicious mit ihrem ersten Album auf den Plan treten. In der Zwischenzeit formiert sich ein weiteres künstlerisches Umfeld, Quannum, das neben den üblichen Verdächtigen (DJ Shadow, Lyrics Born, Latryx) auch noch die Sängerin Joyo Velarde, die Crew Livesavas und die Gruppe Poets of Rhythm beheimatet. Außerdem kollaborieren alle Mitglieder untereinander und veröffentlichen in Folge unter den verschiedensten Namen. Das Duo Latyrx besteht etwa aus Lyrics Born und Lateef the Truthspeaker. Unter dem Pseudonym Maroons machen Lateef und Chief Xcel gemeinsame Sache.

Zurück zu Blackalicious, die 1999 ihr Debüt "Nia" auf den Markt werfen. Das erscheint ausgesprochen reif, immerhin liegt hinter den beiden knapp ein Jahrzehnt gemeinsame Musikgeschichte. Die hört man auf "Nia": jazzige Hip Hop-Stücke, Sample-lastige Instrumentals, Gift Of Gabs nachdenkliche Rapspielereien mit spiritueller Bay Area-Lyrik. Im Zuge dieser Platte manifestiert sich das ganze Quannum-Kollektiv endgültig als eine Hip Hop-Institution im kalifornischen Norden.

Die Kritiker reagieren begeistert, ebenfalls die Fans, die über 100.000 Kopien über die Ladentische wandern lassen. Eine Zahl, die im Independent-Bereich für Freudensprünge sorgt. Das macht natürlich auch die Majors hellhörig. Nach langen Verhandlungen macht MCA das Rennen und sichert dem Duo freie Hand bei der Produktion des Nachfolgers "Blazing Arrow" zu.

Nach anfänglicher Skepsis entwickelt sich die Zusammenarbeit mit dem Majorlabel erstaunlich gut. Blackalicious behalten ihre künstlerische Freiheit, MCA erfüllen den beiden einige kleine Träume, indem sie ihnen den ein oder anderen großen Namen als Kollaborationspartner organisieren.

2002 erscheint "Blazing Arrow" und wirft alles in einen Topf, was an schwarzer Musik bis zu diesem Punkt erschaffen worden ist. Das gilt in gewissem Masse generell für Hip Hop, jedoch brachte das selten zuvor jemand so klar und ansprechend auf den Punkt. Bei der musikalischen Großtat helfen Genrefremde wie Hip Hop-Vertreter tatkräftig mit, unter anderem Gil Scott-Heron, Saul Williams, Hi-Tek, Jaguar Wright, The Roots-Kopf ?uestlove, Chali2na von Jurassic 5 und Ex-RATM-Frontmann Zak De La Rocha. Zur Freude aller Beteiligten geht die Rechnung auf: "Blazing Arrow" avanciert zu einem musikalischen Meilenstein der Westcoast der etwas anderen Art.

Danach scheint allerdings Geduld gefragt. Die hungrigen Fans warten auch zwei Jahre später noch auf einen Nachfolger. Jedoch vertröstet MC Gift Of Gab die Heads 2004 mit seinem Solodebüt auf dem Punk-Label Epitaph. Dort gibt es zwar keinen Beat vom Kollegen Xcel, trotzdem begeistert "4th Dimensional Rocketship Going Up" mit soliden Instrumentals etwa von Vitamin D oder Jake One. Gift Of Gab zeigt sich über die 15 Tracks hinweg in Höchstform und überbrückt somit spielend die Wartezeit.

Bis "The Craft" tatsächlich erscheint, schreibt man bereits das Jahr 2005. Unter anderem wirkt hieran der Grammy-dekorierte Russell Elevado mit, der seine Finger auch schon bei D'Angelos "Voodoo" oder "Mama's Gun" von Erykah Badu im Spiel hatte. Gift Of Gab bezeichnet ihn zuweilen als inoffizielles drittes Mitglied von Blackalicious.

Statt einer Erweiterung des Line-Ups steht nach "The Craft" allerdings erst einmal die Trennung an. Zwar lösen sich Blackalicious nicht offiziell auf. Gift Of Gab und Chief Xcel beschreiten künftig aber getrennte Wege, um sich unterschiedlichen musikalischen Projekten zu widmen.

Die frohe Kunde von Blackalicious geistert erst 2012 wieder durch die Kopfnickergemeinde: Es scheint, als haben die einstigen Weggefährten ausreichend viele Erfahrungen außerhalb ihrer Crew gesammelt. Die gute neue Mär spricht von einer Alben-Trilogie, deren erster Teil demnächst erscheinen soll.

Demnächst? Gut, dass Blackalicious-Fans sich inzwischen in Geduld geübt haben: Davon braucht es noch etwas mehr. Statt mit einer neuen Platte muss sich Gift Of Gab zunächst mit seinem Gesundheitszustand befassen. Die Diagnose: Nierenversagen. Auch nach einer Organtransplantation bleibt er auf die Dialyse angewiesen.

Künstlerisch haben die Umstände Blackalicious jedoch allenfalls gebremst. Aufhalten lassen sich die beiden nicht: "Imani Vol. 1" erscheint im Herbst 2015, produziert wie eh und je von Chief Xcel. Die großen Themen: Vertrauen, Hoffnung, Liebe - und die Zeit, ihre Limitiertheit, Unumkehrbarkeit und die Flüchtigkeit des Moments.

Immens produktiv, wählen Blackalicious die Tracks, die für eine Veröffentlichung in Frage kommen, nach einem simplen, aber effektiven Prinzip aus, wie Gab dem kanadischen Magazin Exclaim verrät: "Ich und X verwenden, was wir die 'Gänsehaut-Theorie' nennen. Wenn uns ein Song keine Gänsehaut beschert, machen wir ihn gar nicht erst fertig." Wenn aber jeder Track Gänsehaut verursacht? "Dann nehmen wir die mit MEHR Gänsehaut."

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Blackalicious - Blazing Arrow: Album-Cover
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  • Redaktionswertung: 5 Punkte

2002 Blazing Arrow

Kritik von Stefan Johannesberg

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