laut.de-Kritik
Düstere Aussicht, frohe Botschaft.
Review von Dominik KalusIn Sachen Selbstvermarktung macht den Blackout Problems keiner etwas vor: Auf der Website und den Social-Media-Clips verbreiten weiße Rosen, Gasmasken und brennende Einkaufswagen Untergangs- und Aufbruchsstimmung. Auf Youtube stimmt die durchdesignte und dick mit Pathos versehene Studiodoku "Dark Days" packend auf den dritten Longplayer der Münchner ein.
"Dark" erscheint in Deutschland auf dem Major-Label Sony Music – ein Novum für die notorische DIY-Band. Ausverkauf-Rufe schallen aber ins Leere; Blackout Problems haben sich die künstlerische Freiheit bewahrt. Leben können sie von der Musik ohnehin nicht, wie sie im Vorfeld thematisierten. Insofern kauft man dem Quartett ab, dass sie in erster Linie für die Musik leben und sie so schreiben, wie sie Bock haben.
Dies sollte man beim ersten Hören von "Dark" im Kopf haben, denn aus den Alternative-Rock-Roots sind mittlerweile prächtig-gedeihende Pop- und Elektro-Elemente gewachsen, die man vorschnell für Stilblüten halten könnte. So singt Frontmann Mario Radetzky verstärkt auch im Falsett, und die Songs wurden an vielen Stellen garniert mit dicken Beats, schwebenden Synth-Sounds, Sprach-Samples und sogar Autotune. Nummern wie "House On Fire" oder "Seven" haben mit dem punkigen Rock ihrer Anfangstage nichts mehr zu tun.
'Dark Pop' taufte die Band das Genre des Albums und kommt damit den Hatern vorweg. Das wichtigste ist aber: Anders als auf dem Vorgänger wirken die modernen Elemente niemals künstlich aufgestülpt, sondern fügen sich nahtlos in den Grundsound der Band ein. Dies könnte daran liegen, dass Electro-Produzent Sebastian Horn (Geistha) und Sound-Tüftler Karan Walia am Entstehungsprozess beteiligt waren.
Aber keine Sorge, das Grundfundament der Blackout Problems blieb unverändert: Virtuos-kreatives Drumming, kluge und geschmackvolle Gitarrenarbeit und Mario Radetzkys raue und kraftvolle Stimme, die miteinander stets in fette Refrains münden. Im Gesamtpaket entstanden somit starke und innovative Songs, die alle auf ihre eigene Weise glänzen.
Der Titeltrack "Dark" zum Beispiel startet als straighte Alternative-Rock-Nummer und endet als schwebender Elektropop, "Darling" mündet in eine Postrock-Instrumental-Rakete, "Brother" besticht mit heiterem Pop-Refrain und warmer Crunch-Gitarre. "Murderer" beginnt mit einer wütenden Slave-Chant-Pentatonik-Strophe, wird unterbrochen von cleanen Gitarren-Arpeggios, und am Ende bekommt sogar das Gitarrensolo seine Existenzberechtigung im 2021er-Pop zurück. Groß!
Die Verses, Bridges und C-Teile sind stets gespickt mit durchdachten Gimmicks; Gitarrenlicks werden als Backingvocals wieder aufgegriffen oder Chöre aus dem Finale eines Songs werden dezent zu Beginn schon angeteasert. Somit bleiben die Tracks stets spannend und man merkt von Durchlauf zu Durchlauf mehr, wie viel Mühe und Gedanken die Musiker in ihre Arbeit gesteckt haben. Einzig gegen Ende nimmt die Qualität etwas ab, die letzten drei der 13 Nummern hättens als B-Side auch getan.
Textlich gehts um die ganze Palette der gesamtgesellschaftlichen Scheiße, die sich derzeit abspielt auf der Welt: Hass, Umweltzerstörung, verlogene Priester, Hoffnungslosigkeit, Krieg. Doch die Blackout Problems weigern sich, zu verzagen. "Respect and Love for everybody" fordert der Album-Opener, gemeinsam können wir alles schaffen, und die humanistische Grundgesinnung der Band glüht in jeder Songzeile.
Dafür wurde ein paar Mal zu viel in die Klischee-Kiste gegriffen: Bis drei zu zählen, von einer Klippe zu springen oder Astronaut werden – dazu wurde mittlerweile genug aufgerufen. Aber seis drum. Pop darf alles, und die Zeiten sind ohnehin düster genug.
2 Kommentare
Sehe ich genau so. Tolles Album!
Durchdachte Song-Konzepte. Alternative Rock mit Elektronik. Der deutsche Akzent klingt im englischsprachigen Gesang häufig durch.