13. März 2003

"Damon sollte eingeliefert werden!"

Interview geführt von

Seit 1999 hatte man – außer der Single "Music Is My Radar" – nichts Neues mehr von den Wahl-Londonern gehört. Nur Gerüchte, Gerüchte und noch mal Gerüchte. Aber dazu möchte Blur-Drummer Dave Rowntree später lieber selber Stellung nehmen. Vor dem Interview durfte ich exklusiv vier Tracks des am 5. Mai erscheinenden Albums "Think Tank" hören. Ein Hinweis darauf, dass Dave am liebsten über die neue Scheibe sprechen möchte. Ein Wunsch, den ich ihm natürlich nicht ausschließlich erfüllen kann. Obwohl mich schon interessiert, wie groß der Einfluss von Fatboy Slim auf die Produktion war ...

"Out Of Time" wird als Vorabsingle am 14. April veröffentlicht und klingt aufmunternd positiv. Zunächst Geschrei und Bar-Geplapper, wie es schon auf "Parklife" zu hören war. Dann beginnt der ruhige, sehr rohe, dabei aber extrem klar klingende Song, der sicher auf dem schönen, ja sanften Bassspiel ruht. Doch in die Ruhe hinein brechen immer wieder schräge Tendenzen, leicht verdaulich ist das Stück nicht. Über diese Unruhe legt sich beruhigend die wunderbar ausgefeilte Gesangslinie. Alles in allem nicht gerade einfache Kost, die man – so weit ich das nach vier gehörten Tracks beurteilen kann - auf "Think Tank" sowieso lange suchen wird.

Es folgt "Crazy Beat". Elektronisch geht's hier zu, die Stimmen sind durch den Vocoder gejagt. Nach einiger Zeit legen sich Gitarren darüber, die verdächtig nach den Sex Pistols klingen. Das passt gar nicht so schlecht und hört sich nicht nach Bastard Pop, sondern nach einer homogenen Einheit an. Im Verlauf des Songs wechseln sich elektro- mit gitarrenlastigen Parts ab. Am Schluss überwiegt aber der Punkrock.

Und nun der "Good Song". Schon wieder so ein dämlicher Songtitel. Aber der Track hat den Namen verdient, so ruhig und gutmütig kommt er daher. Er beginnt folkig und gewinnt durch den einsetzenden Bass einiges an Atmosphäre. Ein trauriger Lovesong, der einen doch zu keinem Zeitpunkt runterzieht. In meinen Ohren klingt der Gesang ein wenig nach Gorillaz. Mit diesem Vergleich war Dave allerdings überhaupt nicht einverstanden. Der meint, das Blur-Album sei von diversen Seitenprojekten unbeeinflusst.

Als letztes darf ich noch "On The Way To The Club" hören. Wieder erinnert mich der Song an eine andere Band. Diesmal sind es Pulp – die dunkle Atmosphäre und die Lyrics erinnern mich an "This Is Hardcore". Doch auch von diesem Vergleich will der Blur-Schlagzeuger nichts wissen. Auf jeden Fall hat "On The Way To The Club" wieder eine gehörige Portion elektronische Klänge abbekommen. Auch der Mann am Bass hat wieder ein Lob verdient. Ob hier Fatboy Slim produziert hat? Diese Frage ignoriert Dave später.

So, und nun ist es so weit. Ich (und mit mir zwei weitere Musikjournalisten) darf mit einem Blur-Mitglied kommunizieren. Der erste Kontakt macht nicht gerade Mut:
Dave: Dieser Computer stinkt. Also los, fragt was!
Ganz schön direkt, der Herr.

Auf eurer Homepage erscheint ein Popup: "No War On Iraq". Ist das ein offizielles Statement der Band oder stehen nur Teile von Blur dahinter?
Das ist nur Damons Sache. Ich habe nie gesagt, ich sei für oder gegen den Krieg. Ob der Krieg im Irak ein Thema auf dem Album sei, möchte ich wissen. Nein, sagt Dave, die ganzen "Stop The War"-Sachen sind Damons Ding. Das ist keine Bandposition. Was denn dann die Bandposition sei, hakt das ungeduldige Journalistenpack nach. Doch Mr. Rowntree hat keine Lust, darauf irgend eine Antwort zu geben.

Und was macht die Stimmung bei Blur gerade? Ein neues Album, ein neuer Tourgitarrist ... was hat das bei Blur bewirkt?
Im Moment seien sie einfach optimistisch, denn wir haben eine gute Platte gemacht. Da stellt sich die Frage, ob der neue Gitarrist Simon Tong (Ex-The Verve, The Shining) auch nach der Tour noch Teil von Blur bleibt. Simon wurde mit fünf anderen Musikern angeheuert, damit wir live mehr so klingen, wie auf der Platte. Wir suchen nach keinem anderen Gitarristen. Gab es Überlegungen, wer Grahams Nachfolger seien könnte? Fragen dieser Art möchte Dave am liebsten gar nicht mehr hören Da ist kein neuer Gitarrist., schreibt er empört, Graham war und wird immer Blur-Gitarrist und einer meiner besten Freunde bleiben! Wer weiß, was die Zukunft bringt.
Eine genauere Auskunft werden wir an dieser Stelle nicht bekommen.

Haben Blur denn überhaupt Tourpläne? Planen sie wirklich mit neun Musikern auf Tour zu gehen?
Natürlich haben sie viele Pläne, aber ob wir touren, hängt davon ab, wie das alte Material ohne Graham klingt. Der erste Auftritt mit Simon Tong wird von Blur allerdings als durchaus positiv gesehen: Es war einfach ein Showcase vor Leuten in Anzügen. Also keine tolle Atmosphäre, aber der Gig hat uns die Bestätigung gegeben, dass wir mit den neuen Musikern live gut zusammen arbeiten können.

Im Vorfeld verglich Dave "Think Tank" mit "Parklife" – wegen seiner Vielfalt?
Ich werde immer wieder gefragt, wie welches Blur-Album das Neue am ehesten klingt. Ich sage, das klingt am meisten nach "Parklife". Eigentlich, sagt er später, klinge es jedoch wie keins der Vorherigen. Es sei einfach ein Album wie keins zuvor. Das ist das beste Album, das wir je gemacht haben.

Wie kamen Blur überhaupt auf die Idee mit dem Brightoner Star-DJ Fatboy Slim zu produzieren?
Norman ist ein alter Freund, deshalb ist er dabei. Doch sieh an, er hat nur beim Produzieren von zwei Tracks Hand angelegt. Der Rest wurde von uns und Ben Hiller produziert. Ben hat mit uns "Music Is My Radar" aufgenommen und da hat alles gut gepasst! Deshalb ist er wieder dabei. Auch dass Norman negative Statements über Graham Coxon abgegeben hat, bestreitet Dave. Er ist ein alter Freund und mag Graham sehr. Glaube nichts, was nicht auf unserer Homepage steht!

Nach Damons Seitenprojekten denken sicher viele, dass der Blur-Frontmann seine Einflüsse von den "Gorillaz" und seiner Arbeit auf Mali ins Blur-Album eingebracht hat. Ob Alex und Dave da überhaupt noch was zum Album beitragen konnten?
Konnten sie, obwohl Damon in Mali gelernt hat Gitarre zu spielen. Die Gitarrenparts, die er für das Album eingespielt hat, klingen also dementsprechend. Niemand kann Gitarre spielen wie Damon. Er sollte eingeliefert werden. Die Gorillaz haben aus Daves Sicht allerdings nur einen minimalen Einfluss. Natürlich bin ich auch Blur. Eigentlich ist das ja alles meine Idee! Ach, is klar, Herr Mastermind.

Anscheinend würde er es gerne bei dieser Aussage belassen, denn plötzlich antwortet Dave nicht mehr auf Fragen zur Musik. Er möchte lieber zählen, wie viele Valentinskarten die im Chat Anwesenden bekommen haben. (Das Interview fand am 14. Februar statt.) Er habe keine bekommen. Aber dann lässt er sich doch erweichen, weiter Fragen zu beantworten.

Von den vier Tracks, die ich vom neuen Album gehört hab klingen zwei ziemlich elektrisch. War das die Absicht von Blur? Wie steuert ihr so eine Album-Entstehung überhaupt?
Obwohl sie oft als verkopft gelten, machen Blur nach Daves Auskunft keine Pläne, wie die Sache am Schluss aussehen soll. Dennoch waren sie sich im klaren darüber, dass sie die Platte ihres Lebens machen mussten. Sonst hätten die Leute uns abgeschrieben.

Nun will ich wissen, was Blur bei der Arbeit zum neuen Album beeinflusst hat.
Lieber nicht, das ist Journalistensache. Hey, wir sind Journalisten… Wenn du willst, kannst du über unsere Einflüsse reden. Auch nach betteln und wilden Versprechungen besteht er darauf: Kein weiterer Kommentar. Echt, das ist eine Frage, auf die es keine vernünftige Antwort gibt. Alles geht ins Gerhirn und alles muss da irgendwie wieder raus, aber wenn ich jetzt unsere "Einflüsse" aufliste, werden die Leute denken, unsere Platte klingt genau so. Und das wird sie nicht. Da sehe ich, dass hier ein Missverständnis vorliegt: Ich meinte doch gar keine Vergleiche mit anderen Bands oder Alben. Eher mit Dingen, die der Band passiert sind ...

OK, wir sitzen nicht im Studio rum und warten, bis die Inspiration zu uns kommt. Es gibt nichts besseres für's Hirn als Input. Das war's was er zu sagen hat. Welchen Intput er meint, damit rückt er nicht mehr raus.

Auch dass die Atmosphäre und die Lyrics von "On The Way To The Club" mich an Pulp erinnern, gefällt ihm nicht wirklich.
Ich kann die Ähnlichkeit nicht sehen! Naja, vielleicht hab ich einfach zu viele Pulp-Platten gehört. Einen anderen Redakteur erinnert der Song eher an Beck. fight fight fight!, witzelt Dave daraufhin. Zu einem Streit zwischen Journalisten bringt er uns dann doch nicht.

Lieber eine weitere Frage aus der Klatschspalte: Was denkt der Rest der Band über Damons Seitenprojekte ... Die Presse berichtet ja immer wieder, ihr wärt ganz schön angepisst von seinen Alleingängen.
Dave sieht das wieder als total übertrieben: Ich habe auf dem Gorillaz-Album mitgespielt und ich bin ein großer Fan von Mali Music. Ich habe auch bei Fat Les (der Band von Blur-Bassist Alex James, Anm. d. Red.) gespielt und mit dem Graham Experience getourt. Ich rocke. Wie ich schon erwähnt habe, ist das alles meine Idee. An dem Punkt waren wir schon mal. Der Mann neigt zu Übertreibungen ...

Darum jetzt erst Mal eine unkomplizierte Frage ... und eine unmotivierte Antwort: Was denkst du über "Idols", das englische Pendant zu "DSDS"?

Wähle immer den ganz links, das verfälscht die Wertung.

Zu guter Letzt will jemand dann doch noch mal die Lyrics des neuen Albums reden.
Ich hab sie nicht geschrieben, würgt Dave das Thema ab. Und dann fällt ihm auf, dass die Interviewzeit schon einige Minuten vorbei ist. Es war schön mit euch zu reden.

Und ausgeloggt ist er. Ob er wirklich ein so kratzbürstiger Kauz ist, wie es im Chat manchmal schien? Oder hat es ihm einfach gefallen, mal alleine was zum Besten zu geben und sich dabei mit einem Augenzwinkern als das wahre Triebwerk bei Blur hinzustellen?

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