laut.de-Kritik
Die Metallica-Vorband schöpft ihr Potenzial nicht aus.
Review von Manuel BergerKommt man im Sommer 2019 früh genug zu einer Metallica-Show, wird man unweigerlich auf Bokassa treffen. Lars Ulrich bezeichnete die drei bis dato unbekannten Norweger bereits zu Beginn des Vorjahres als seine neue Lieblingsband. Jetzt hat er sie als Support eingespannt. Wer weiß, dass Metallica auch große Fans von Kvelertak – die Vorgänger im Supportslot – sind, den wird das nur bedingt wundern. Denn wie ihre Eulen liebenden Landsmänner vertrauen Bokassa auf eine räudige, aber in ihrer Hemdsärmeligkeit teilweise durchaus massenkompatible Mischung aus (Hardcore) Punk, Stoner und Metal.
Die Band selbst stellt sich gar als Erfinder und Könige des Genres 'Stonerpunk' hin, was sie schon mal ein paar Sympathiepunkte kostet. Denn aufregend Neues kredenzt das Trio auf "Crimson Riders" zu keinem Zeitpunkt. Kurz zusammengefasst rotten sie einfach zusammen, was man zuvor in Einzelsongs schon bei Eyehategod, Queens Of The Stone Age, Baroness oder eben erwähnten Kvelertak gehört hat, mit rauer Deutschrock-Stimme und mal mehr, mal weniger Schlagseite gen Rise Against.
Die Single "Mouthbreathers Inc." zum Beispiel klingt wie eine Ansammlung von Blaupausen-Patterns verschiedener Genres: Man nehme eine auf Drop-Tuning tiefgestimmte Klampfe, schmiede sich aus Power Chords und viel leerer Saite das erstbeste Stoner-Riff, wechsle es mit viel Palm-Muting ab, garniere den Refrain mit poppigen Gangshouts und schreie ab und zu: "Goddamn!", "Ah-oh-ah-oh-ah!", "Uh!", "Alright!", "Fuck yeah" und "Come on!" Zwischendurch gibts für die Würze einen Breakdown aus genau denselben Zutaten, nur langsamer gespielt.
Schlecht ist das alles nicht, aber kreativ geht anders. Live – speziell vor Festivalcrowds – wird das vermutlich trotzdem hervorragend funktionieren. Denn in Feierlaune spielt irgendwann keine Rolle mehr, ob dort oben auf der Bühne tatsächlich Josh Homme seine Gitarre schwingt oder Bokassa mit "Vultures" eine 0815-Version seiner Songs abreißen. Cowbell bleibt Cowbell, zur Gitarrenmelodie lassen sich Hüften schwingen und oh, ah, guck mal: Ein Saxophon! Voll krass und unerwartet! Ja, unerwartet vielleicht, nur in diesem Fall leider nicht mehr als ein Gimmick. Genau wie das Cello im Titeltrack, das zusammen mit einem Blastbeat-Ausbruch offenbar nur davon ablenken soll, wie wenig Substanz die Nummer hat. Nach gut zwei Minuten bricht die Band "Crimson Riders", insgesamt kaum mehr als ein Fragment, ideenlos ab.
Aber: Bokassa gleichen die mangelnde Originalität mit Energie aus. Hummeln im Arsch hat das Trio, keine Frage. Selbst poppigste Melodien kotzt Sänger Jørn Kaarstad mit ansteckender Wut raus. Drummer Olav Dowkes prügelt die Songs mit manischen Fills nach vorn und schafft die schwierige Balance zwischen ruppig angeschludert und tight.
Was damit vollumfänglich möglich wäre, zeigen Bokassa im Abschlussdoppel. Bei "Blunt Force Karma" reißen sie in unter drei Minuten ein Thrash-Fest ab, das dank kraftvoll eingestreuter Hardcore-Shouts an Anthrax und Suicidal Tendencies erinnert. Geiler Song!
Mit "Immortal Space Pirates 2: The Last Shredi" schlagen sie in eine andere Kerbe. Zum Abschluss werden Bokassa plötzlich episch und verhältnismäßig komplex. Über sieben Minuten lang walzen sie das Stück, eine Fortsetzung zu "Immortal Space Pirates" vom Debütalbum "Divide & Conquer". Von der Ideenlosigkeit vorhergehender Nummern ist hier nichts mehr zu spüren. Über muskulösen Groove zwischen Doom Metal und Mastodon, würzigen Blastbeats, unheilvollen Chören, den obligatorischen Breakdown, ein zartes Interlude bis hin zu wunderbaren Harmonievocals im Klimax entwickelt sich eine bis zum Ende spannende Reise. Nächstes Mal gerne mehr Galaktisches.
Schade, dass Bokassa ihr volles Potenzial nicht auf Albumlänge ausschöpfen. Gerade im Vergleich zum vor zwei Jahren erschienenen, funkensprühenden Debüt wirkt "Crimson Riders" wie ein zweckdienliches Pflichtrelease – eine EP voll gutem Material, das pünktlich zur Metallica-Tour mit schematischen Fillern und passend zum Stadionsetting erhöhtem Hook- und Melodieanteil geflickt wurde. Gut für die Norweger, dass die meisten erstmalig live von ihnen hören werden. Der Konzertvorteil dürfte ihnen wegen des immensen Energielevels beim ersten Eindruck in die Karten spielen.
Noch keine Kommentare