laut.de-Kritik
Der Bass reicht bis unters Kinn.
Review von Jasmin LützSolltet ihr Gelegenheit haben, Bernd Begemann zu treffen (bei über 100 Konzerten im Jahr weniger ein Problem), dann unterhaltet euch mit ihm. Aber bitte nur, wenn er es auch will. Man fühlt sich nicht nur bestens entertaint, sondern ist danach auch schlauer. Zitate und Gedanken zu aktuellen Themen und Krisen sprudeln nur so aus ihm heraus. Es gibt wohl nichts, über das er nichts zu sagen hätte. Klug und emphatisch, manchmal auch nur mit einem kurzen, verschmitzten Lächeln - genau so hören sich auch seine Songs an.
Die neue Platte von Bernd Begemann & Die Befreiung heißt "Milieu", er selbst spricht im Interview von einer Art Konzeptalbum. Es beginnt mit "Es hat einen Vorfall gegeben". Die Analyse: "Jetzt dürfte klar sein, die Zuschauer sind nicht in Sicherheit." Es ist aber trotzdem völlig okay, auch mal im Bett zu bleiben ("Hallo Bett"). Ein Robbie Williams korrespondiert bekanntlich gerne vom Kopfkissen aus. Ob auch Bernd seine Lieder in den Bettlaken schreibt? In den sozialen Medien schaut er jedenfalls ab und zu vorbei, vorwiegend, um sich mit anderen politischen Argumenten auseinanderzusetzen. Er verarbeitet aber auch Stories und Schicksale von Influencerinnen. "Sophia Thiel" kann davon ein Lied singen. Musikalisch klingt das recht funky, fit und straight. Der Bass reicht bis unters Kinn.
Bernd ist ein Beobachter. Er geht durchs Leben und schaut bei seinen Mitmenschen und der Gesellschaft genauer hin. Seit den 1980ern veröffentlicht der gebürtige Braunschweiger Musik. Damals noch mit Die Antwort. Danach gerne solo und seit 2004 mit seiner Begleitband Die Befreiung: Ben Schadow am Bass, Achim Erz (Drums), und Kai Dohrenkamp an den Keyboards. Zuletzt erschien in dieser Konstellation 2015 "Eine Kurze Liste Mit Forderungen". Musikalisch pendelt die Band zwischen Country, Rock und Schlager-Pop. Und für viele ist und bleibt Begemann eine Inspiration.
Bernds Gesang steht immer deutlich im Mittelpunkt. Wer ihn nicht kennt, muss sich daran erst einmal gewöhnen. Alles klingt sehr vokalbetont, rauchig. Zuweilen nuschelt er in den nicht vorhandenen Bart, und man muss zweimal hinhören. Romantisch kann Herr Begemann ebenfalls, er ist eh der Überzeugung die besten Songs über die Liebe zu schreiben: "Kann Kein Allein Mehr" heißt die erste Single, eine wirklich schöne, authentische Ballade. Reduziertes Schlagwerk, Gitarre und Gesang stehen im Vordergrund.
Gefühle zeigen - damit tun sich manche Männer schwer. Ja, auch Frauen. Bernds Lieder amüsieren, hört man genauer hin, liefern sie auch emotionale, traurige Inhalte, die einen gleichwohl nie aus der Bahn werfen. Zwischen Bett und Dusche schießen einem viele Gedanken durch den Kopf. Es sind "Die Kleinen Dinge", die oft missverstanden werden. Am schönsten klingen diese allein mit Klavier und Vocals. Die Platte hält viele lebhafte Pop-Momente mit eingängigen Melodien und Zeilen bereit, die man direkt mitsingt. "Ich Muss Berührt Werden" erinnert an die Hamburger Schule, die wir von Jochen Distelmeyer kennen und lieben.
Wer Bernd Begemann noch nicht live erlebt hat, sollte einen Blick auf seinen prall gefüllten Tourplan werfen und eines der dreistündigen Konzerte besuchen. Entertainment pur, aber bitte nicht vergessen, mitzusingen und zu tanzen. Wir sind hier schließlich nicht beim Coachella.
1 Kommentar mit 3 Antworten
Wer ist das?
Wieso sehen die aus wie die Amigos +2 aber vor allem….warum ist das so gut?
... weil er den Humor hat, den Du gern hättest!
Weil es Begemann ist.
Weil er wirklich „Bernd“ heißt.