laut.de-Biographie
Boldy James
Wie lang kann ein Mann trotz offensichtlichem Talent im Untergrund-Limbo festhängen, ohne dass er die Flinte endgültig ins Korn wirft? Egal, wen man heranzieht, er wird es nicht so lange auf die Kette kriegen, wie Boldy James es nun schon tut. Über ein Jahrzehnt im Rapgame kam und ging eine goldene Gelegenheit nach der anderen für den Detroiter Spitter - und während eine nach der anderen durch absurde Umstände in der Hand zerrinnt, bleibt er dabei.
Dabei scheint der Anfang eigentlich vielversprechend: Als Cousin von Cool Kids-Mitglied Chuck Inglish landet er auf deren "Merry Christmas"-Sampler und hat bald Kollabos mit MCs der Größenordnung von Big Sean - oder der damaligen Größenordnung von Snakk The Ripper, Dom Kennedy oder Asher Roth. Dass diese Liga gar nicht James' Anliegen war, hört man auch auf seinen Mixtapes deutlich heraus. Debütierend mit "Trappers Alley: Pros & Cons" etabliert er einen dunklen, tauben Sound und eine markanten Stimme.
Dann kommt der Aufwind, der ihn im Untergrund eigentlich hätte zementieren sollen. "My 1st Chemistry Set" liefert ein Coke-Rap-Debüt der Meisterklasse und wird durch die Bank vom Alchemist höchstpersönlich produziert. Auch wenn das Projekt noch ein bisschen Kind seiner Zeit ist und Boldys Stimme die Fixheit und absolute Eiseskälte späterer Projekte noch sucht, klingt die Platte grundsolide und macht einige Fans von klassischem Rapsound hellhörig. Einer von ihnen: Nas.
Eigentlich müsste man jetzt ja glauben, dass die Karriere nach einem Alchemist-Kollaboprojekt und Nas-Cosign in trockenen Tüchern ist, vor allem dann, wenn der einen auf ein vielversprechendes Label-Projekt holen will. Aber wer die Geschichte kennt, weiß, dass Mass Appeal nicht die Heimat war, die viele MCs sich gewünscht haben. Genau wie die anderen beiden Signings seiner Generation, Bishop Nehru und Fayshawn, geht die neue Musik von Boldy über die nächsten Jahre im Chaos unter.
Für ein paar Jahre ist Missmanagement und Funkstille für Boldy James angesagt. Soweit, bis er sogar wegen finanzieller Knappheit und Sorge um Gefängnisaufenthalte in den Status des Struggle-Rappers zurück fällt. Auf die Couch des Alchemists geflüchtet startet er Anfang 2020 ein Projekt, das die Gefüge der Zeit noch einmal umlenken könnte. War "The Price Of Tea In China" eigentlich nur gedacht, seine Kinder zu ernähren, falls er doch noch einmal ins Gefängnis musst, entfacht seine neue Kälte und Dringlichkeit ein nicht da gewesenes Feuer für Boldy. Die Platte wird nicht nur seine bis dato beste, sondern auch ein kritischer Volltreffer. Als dann auch noch die Gefängnisstrafe abgeblasen wird, stellt sich eine Renaissance für den dann 38-jährigen Rapper ein, die man sich nur für ihn hätte wünschen können.
Gleich vier mal schlägt er im selben Jahr zu. "Manger On McNichols", "The Versace Tape" und "Real Bad Boldy" treiben zwischen legendären Produzenten und aufstrebenden Beatmachern und geben ihm den Groove, einen Treffer nach dem anderen zu landen. Vor allem, weil er im selben Jahr endlich auch angemessene Heimat findet: Formal bekannt gemacht durch den Alchemist lernt Boldy einen gewissen Westside Gunn und sein Griselda-Label kennen. Ein Stall, nur für nostalgisch-grimmige Coke-Rapper in ihren Dreißigern, der dazu gerade noch kommerziell wie kritisch auf dem aufsteigenden Ast steht? Mit vier neuen Platten im Schrank, einem Label, das ihn wirklich versteht und einer neuen Alchemist-Kollabo-Platte für 2021 auf dem Weg scheint das neue Jahrzehnt für Boldy James endlich der Weg nach oben zu sein, der ihm schon seit 2013 immer wieder verwehrt wurde.
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