laut.de-Kritik
Soundtrack zum urbanen Untergang 2.0.
Review von Stefan JohannesbergÜberraschung: Der Alchemist sampelt für Boldy James wieder zünftige Snares. Der verrückte Loop-Lunatic, der mit seinem Sound "Albert Einstein" oder "Russian Roulette" prägte, switcht seinen Style zu 90er Mobb Deep-Level. Zurück in die Zukunft sozusagen. Gut so, denn Boldy ist kein Prodigy. Der Detroiter überzeugt wie schon auf seinem Mixtape zwar mit lässiger Straßen-Schläue, kann aber dank eingleisigem Flow ordentlich Druck auf seinem Kessel gut gebrauchen.
"My trigger finger is itchy scratchy / Right, my middle finger it grip that maggy" – bereits der Opener "Bold" zeigt Boldy von der bösen Seite. Der Beat kriecht über die verwahrlosten Straßen rund um 8 Mile und Co. In "Consideration" sampelt der Alchemist eine hypnotische Bass-Line, wie es nur er und Havoc können. Boldy erzählt aus seiner Jugend, als Kiffen und Drogenticken an der Tagesordnung waren. "I never paid attention in class except for math and science / Live in the lap of lux, smokin' on Cali's finest".
"Moochie" dunkelt die Scheiben des Caddy wieder ab und Boldy lehrt uns über gefährlich klingende Filmmusik-Samples das Einmaleins seines Straßenslangs: "A deuce is a split. A baby is a Stewie / A kilo is a Brick. A quarter is a Cutie". Spätestens jetzt leuchtet Boldys Statement zur Kollabo mit Alchemist ein: "His style to me, it complements the shit me and my people do. We ain't the flashiest people in the world. We’re clean cut, civilized gangsters. We be on some real distinguished gangster shit."
Als erster Gast gesellt sich auf dem folgenden "Traction" Action Bronson zur zivilisierten Zwei-Gangster-Armee. Und wo der Dicke aus Queens auftaucht, hellt sich bekanntlich jede Stimmung auf. "This is grown man rap, you in the kiddie pool / You still pissin' in that little urinal / We burn the tree with a tinge of purple / Flip work like a ninja turtle".
Boldy performt zwar okay, doch die düsteren Stimmungen stehen ihm besser zu Gesicht. Und die dominieren zum Glück. Mit keinem Track verschwendet man seine Zeit, und drei von denen rocken gar Klassiker-verdächtig. Für die "Surprise Party" zaubert der in LA lebende Beatmagier flache Mannie Fresh Drums, Kuhglocken und einen durchgehend hypnotischen Vocalloop aus SP oder Software. Gastrapper Freeway macht hier den Cappadonna. Wie der Wu'ler einst auf "Winter Warz" walzt der Philly-Freezer über den superben Song. Leider zu kurz.
Boldy besuchte ja den Alchemist im Studio, und anscheinend hängt da auch die kalifornische Wolf Gang ab. Features von Domo Genesis und Earl Sweatshirt waren so nicht zu erwarten, funktionieren aber hervorragend. Während das Klavier wild klimpert, liefert Domo den Hook, Earl erzählt irgendetwas von Pantera-Platten und Boldy zitiert 2Pac: "Runnin' with hooligans I put in my work / Wipe the slugs and guns off, with the tip of my shirt / Two .23's, when we ride on our enemies / And hit em up if they don't hit me up first". Die junge Generation gibt halt einen Fick auf Genre- und Ghetto-Grenzen.
Mit den hitziger Keyboard-Sequenzen in "KY Jellybeans" endet das famose Album aus dem Nichts. James rappt sicht hier dichter als je zuvor an Havoc und Prodigy heran und liefert seinen Soundtrack des urbanen Untergangs ab. Detroit eben. Das neue New York.
1 Kommentar
Fand gerade die Aehnlichkeiten zu P in flow und Stimme von Anfang an recht deutlich. Die Lingo-Erklaerung 'Moochie' irgendwie unnoetig, da alles irgendwie nix neues und manches ja hinlaenglich bekannt: kilo = brick? Danke fuer die gaenzlich neu Erkenntnis, Boldy.
Dennoch: 3 unterschiedliche Seiten der aktuell kaputtesten Stadt der USA in kurzer Folge nacheinander. Sehr spannend gerade wieder in Motor City.