7. Juni 2022

"YouTube ist ein Schwarzes Loch"

Interview geführt von

Zoomt man ein halbes Stündchen mit dem Ohrwurm-Züchter der späten Achtziger, dann ist von Rente keine Spur. Vielmehr erklärt der 67-Jährige: "Hey, ich bin nicht der Bruce Hornsby, den eure Opas gehört haben."

Ob sein neues Album wirklich so optimistisch geworden ist, wie er es beabsichtigte, kann man zur Diskussion stellen. "'Flicted", der Titel, klingt eher negativ und ließe sich frei mit "Am Arsch" übersetzen.

Im Laufe seiner Karriere schütteln Heerscharen von Musikerkollegen seine Hand, um zusammen ins Studio oder auf die Bühne zu gehen. Darunter Stevie Nicks, Bernie Taupin, Elton John, Clannad, Don Henley, CS & N, Chaka Khan, Robbie Robertson und Levon Helm von The Band, Gregg Allman, Warren Zevon, Jon Batiste, Brandon Flowers von The Killers, Justin Vernon von Bon Iver und aktuell Ezra Koenig. Genug Stoff für Tage.

Jetzt treffen wir uns auf Zoom. Mit dem Leben mit digitalen Medien hast du dich auf deiner letzten CD 2020 in mehreren Songs beschäftigt, an die du nun mit weiteren Songs zum Thema Technologie anknüpfst. Der Titelsong "Non-Secure Connection" und zum Beispiel "Porn Hour" befassten sich mit Datensicherheit und E-Commerce. Wie hat sich dein Bezug zum Digitalen entwickelt?

Ich versuche auf meine Weise in dieser Welt zu navigieren, dabei stell ich mich vielleicht chaotisch oder ungeschickt an, und ich weiß begrenzte Sachen in der Handhabung des Internets und beim Googeln und bei Bestellungen. Witziger Weise ist es mein Tontechniker, der mir hilft, manchen Datensalat zu sortieren, und der sagt, wir machen das schon ganz gut. Wayne Pooley heißt er. Er arbeitet seit 30 Jahren für mich, und so war unsere Arbeitsaufteilung immer:

Ich bekomm ihn dazu, mir Dinge zu zeigen, und er führt mich in die neuesten Spielzeuge ein. Zum Beispiel, als dieses Studio neu war, hatte ich ein klassisches altes Neve-Board (Mischpult), ein legendäres aus dem Jahr 1968, mit einer Mix-Konsole; John Lennon und David Bowie haben, soweit ich weiß, sowas zum Aufnehmen benutzt. Rupert Neve, auch ein Ton-Spezialist, entwickelte die fliegenden Regler, die flying faders, eine Methode um das Abmischen zu automatisieren. So führte er den ersten Computer bei uns ein, den ich bewusst wahrgenommen habe.

Und ich wurde ein ziemlicher Fan davon, damit zu arbeiten. Als das Teil ausrangiert wurde und das damit kaum vergleichbare ProTools in Mode kam, tat mir das so leid, doch so ist der Lauf der Dinge: Alle paar Jahre musst du was Neues erlernen. Gut, ich kenne mich jetzt nicht damit aus, wie man ProTools zum Laufen bringt.

Wahrscheinlich habe ich einfach zu viel Verschiedenes in meinem Leben zu tun, und mein Schwerpunkt liegt wohl eher darauf, selbst etwas Originelles zu erschaffen. Das ist schon schwer genug. Für mich jedenfalls. Manchmal ergibt es sich aber, dass ich bestimmtes Equipment persönlich kennen lerne, zum Beispiel damit ich meine Stimme und mein Klavierspiel selbständig aufnehmen kann.

Das reicht mir, damit fühl ich mich okay. Ich bin bis heute nicht 'Mister Rapid Fire' im Netz oder am PC, aber ich erkenne das an, dass wir im Informationszeitalter sind. Hat ja auch Vorteile: Weiß ich ein Wort nicht, kann ich das mal eben schnell nachschauen, und so hab ich meinen Weg gefunden, das Potenzial der digitalen Welt für mich zu maximieren.

Das wirkt sich auch auf den Sound neuer Platten, wie jetzt "'Flicted" aus... Was empfiehlst du Fans deiner Generation, die dich schon vor 35 Jahren gehört haben? Wie stimmst du die auf deine aktuelle LP ein, oder was würdest du denen sagen?

Den Leuten meiner Generation? Ich denke, ich würde mich bei ihnen entschuldigen, in einer humoristischen, ironischen Art, dafür dass ich nicht dasselbe fortsetze, was ich gemacht habe, als "The Way It Is" und "End Of The Innocence" und "Mandolin Rain" rauskamen. Denn, wie ihr wisst, hat meine Karriere eine crazy Zick-Zack-Kurs eingeschlagen, und wurde zu einer Reise durch viele Genres.

Okay, ich würde sagen, wenn euch das nicht gefällt, was ich gerade mache, klar weiß ich, dass es abenteuerlicher ist als Früheres. Manchmal strange. Du hast "Non-Secure Connection" und "Porn Hour" genannt. Das sind zwei der dissonantesten Tracks, die ich komponiert habe.

Nun, mir geht es schon um Entwicklung und darum, an Herausforderungen zu wachsen. Das interessiert mich. Zu wissen, oh, ich muss das Gleiche tun, was ich vorher schon gemacht habe, fühlt sich wie ein Gefängnis an. Da bin ich nicht der richtige Typ dafür, um dem zu entsprechen, dass alte Hörer*innen bestimmte Sachen von früher her erwarten, dafür entschuldige ich mich bei Leuten meiner Generation. Umgekehrt, Jüngeren würde ich sagen: Hey, ich bin nicht der Bruce Hornsby, den eure Opas gehört haben.

Die werden dich glaub ich durch die Feature-Gäste via Spotify finden, wenn du zum Beispiel über Ezra Koenig getaggt bist.

Ja, stimmt, denk ich auch. (strahlt) Das ist eine Tür, die sich in meine Welt hinein öffnet. Absolut. Oder Danielle Haim auf dieser Platte, und natürlich Justin Vernon und so weiter. Das ist großartig! Eine angenehme Wendung in meiner späten Karriere. Von diesen jüngeren, großartigen Artists Bestätigung zu erhalten, und dann auch mit denen zu arbeiten - ein wunderschöner Punktsieg für mich (Score). Das inspiriert ja auch. Das ist der Grund, wieso ich so produktiv bin in letzter Zeit, weil ich alle diese positiven Einflüsse aufsauge.

Dein neues Album ist Teil einer Trilogie, so hast du es als dritten Teil angekündigt, und geht auf Filmideen zurück, die du mit Spike Lee entworfen hast, und dann hat es einen überraschenden und merkwürdigen Titel, "'Flicted". Der lässt sich mit Google-Hilfe nicht so eindeutig übersetzen ... Von abgefuckt über 'crazy', nicht korrekt, hab ich da vieles gefunden, 'mit unangenehmen Erfahrungen konfrontiert', und viele weitere Übersetzungen - jetzt hast du die Wahl.

(Lacht) Ja, lustig. Also, ich erkläre das: Eigentlich ist "'flicted" eine Kurzform von "Afflicted". Und das beschreibt diese Zeit der Pandemie. Nina Simone hat gesagt, es ist der Job des Künstlers, die Welt, in der wir heute leben, zu reflektieren. Das mache ich hiermit. Angefangen mit dem Titel. Ehrlich gesagt, ist "'Flicted" ein Begriff aus meiner Jugend.

Okay...

Ich bin mit Basketball aufgewachsen. Mein Sohn macht das heute professionell und hat neulich in Deutschland gespielt, in Oldenburg. Fand er toll. Russell und seine Frau lieben Deutschland.

Nun, ich war an einer Schule, wo ich der einzige weiße Junge in der Basketball-Mannschaft war. Da kursierten eine Menge Slang-Begriffe, die aus dem ländlichen Raum einwanderten. Zum Beispiel für den perfekten Wurf. Der geht so: Ellbogen anwinkeln, und zack, den Korb klar machen. Wenn aber jemand eine weniger elegante Wurfmethode hatte, und Leute aus meinem Umfeld so holprige Würfe sahen, dann meinten sie (spricht es gedehnt) oh Maaann, das ist ein fliiiicted shohhht. (lacht) also die Bedeutung ist, das ist eigentlich ein total verhunzter Wurf, vergeigt.

Also eher kein Kompliment, nichts Positives?

Nein, "'flicted", das ist sehr negativ, das geht eher in die Richtung, wie du es beim Nachschauen gefunden hast, also fucked-up. Affliction, wenn du mit etwas afflicted bist, das ist überhaupt nicht gut. In den letzten Jahren waren wir in einer ernsten Phase der Affliction, dieser alte witzig gemeinte Begriff aus der damaligen Zeit, der eher scherzhaft verwendet worden war, also man, what a flicted shot, den finden wir halt heute noch lustig. Um die Zeiten, in denen wir heute leben, irgendwie mit Humor zu nehmen, war flicted daher mein Wort der Wahl für den CD-Titel.

Ich find das schon beeindruckend, dass ich kaum ein Interview führen kann, egal in welchem Genre, ohne dass irgendwann Nina Simone als Referenz genannt wird. Alle nennen sie, niemand aber hat mir je ein konkretes Album von ihr empfohlen.

Ja, so bin ich auch. Ich bin halt ein Fan von YouTube. Das ist dieser Effekt, wenn du auf YouTube bist, und auf der rechten Leiste lauter Vorschläge kommen. Man kann ja Stunden versinken, wenn ähnliche Videos, basierend auf deinem zuletzt geschauten, aufploppen. Dann drückst du weiter und weiter und verschwindest da drin, das ist wie das Schwarze Loch. Besonders, wenn du eigentlich genau einen Clip kurz checken wolltest. Insoweit bin ich genau wie die anderen Leute, die Nina Simone zitieren.

Ich kenn überhaupt kein Album von ihr, aber ich kann dir punktuell sagen, da gab es das und das Video, wobei selbst da: Ich könnte dir jetzt nicht mal die Songtitel nennen. Anyway, ja, ich unterscheide mich da kein bisschen von deinen anderen Interviewpartnern.

"Viele Rassisten haben meinen Song falsch verstanden"

Nun wird sie auch gemeinhin mit Black Power und Bürgerrechtsbewegung assoziiert. In der Hinsicht muss ich dich jetzt auf "The Way It Is" ansprechen, weil das auch ein anti-rassistisches Lied ist. Sag mal, haben die Leute damals, als du das geschrieben hast, verstanden, was du sagen willst?

Mh, geschrieben hab ich den 1984. Manche Leute hatten überhaupt keine Idee, worum es darin geht. Lass uns da ehrlich sein: Viele Musik hörenden Menschen, also das ist eine Art ... Stereotyp, aber Klischees haben eben oft einen wahren Kern oder existieren sogar, weil sie überwiegend wahr sind: Also ich denke, sogar die meisten Leute, die Musik hören, sprechen zuerst auf die Musik an. Sie reagieren als erstes auf die Melodie oder den Rhythmus. Dann, vielleicht bei nachfolgendem mehrmaligen Hören, stellen sie sich gedanklich auf die Texte ein. Ich verallgemeinere da jetzt, es mag Ausnahmen geben.

Ich denke, jeder der sich tiefer mit "The Way It Is" beschäftigt, kann anhand des Textes herausfinden, worum es gehen sollte. Um die gesetzliche Aufhebung der Rassentrennung 1964. Aber natürlich, ich habe das nicht gar so offensichtlich dargestellt. Und viele Leute, die rassistisch sind in ihrer Einstellung, haben die Schlüsselzeile des Songs "Oh over don't you believe them" komplett anders aufgefasst. Die meinten, "Some things will never change / It's just the way it is" bekräftige die Segregation etwa in Bezug auf Wohngegenden, und zum Beispiel die Vorurteile, die sie pflegten, und sie haben den Kern des Songs, nämlich die letzte Zeile des Refrains völlig ignoriert und den Song ins Gegenteil verkehrt.

Das zu sagen, ist traurig, aber: Ich bin glücklich, dass der Song noch relevant ist. Einen großen Anteil daran hat das, was die Hip Hop-Community an Versionen daraus gebaut hat. Tupac Shakur, Polo G, eben letztes Jahr, "Wishin' For A Hero", Snoop Dogg hat sogar mehrere Fassungen davon abgeleitet, oder Akon, da gibt's fast schon so viele, dass du sie gar nicht alle wirst aufzählen können. E-40, Mase, und so fort. Mir sind so um die 20 Versionen bewusst, zum Beispiel auch Don Diablo, "Never Change", das ist EDM-Musik (macht doung-doung-doung / doung-doung-daba-ding-ding-douw). All das mag helfen, das Bewusstsein über diesen Song und seinen Inhalt zu vergrößern, und das scheint noch nicht aufzuhören. Eine sehr nette Post-Hit-Karriere, die "The Way It Is" zuteil wird.

Nun, da du Musik studiert hast ...

Ja, ich bin ein Musikakademie-Nerd ...

... Da lass uns über einige der Instrumente sprechen, die du aktuell verwendest, da sind ja noch die Celeste und diverse elektro-mechanische dabei: Magst du mal auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Keyboards, E-Piano wie das Fender Rhodes, Mellotron und Klavier eingehen, denn du spielst ja all diese Tasteninstrumente.

Oh, das ist eine umfassende Frage, da könnte die Antwort endlos gehen. Zunächst mal leben wir heute inzwischen in einer Welt, in der es nahezu für jeden Sound möglich ist, ganz easy über eine Datenbank Zugriff zu haben auf bestimmte Klangfarben. Mich hat da vor langer Zeit mein Kumpel Tony Berg rangeführt, als ich seine CD koproduziert habe. Der hat mich auf diese ganzen verschiedenen Ton-Nuancen, Keyboards, Mellotron, Chamberlin, und zwar das alte klassische Chamberlin, bei dem man so kleine Floppy-Disks reinsteckt, aufmerksam gemacht, all diese Sounds wurden gesampelt. Heute wird das als 'Chamberlin / Mellotron' verkauft, unter so einer Bezeichnung mit Schrägstrich.

Für meine letzten beiden Alben bin ich auch richtig auf den Geschmack gekommen, sowas für mich zu verwenden, und zwar überbordend. Und wir haben sogar eine Tonsequenz namens 'Bass-Flöte' aus dieser Samples-Datenbank, weil mich das angesprochen hat (lacht). Also so gesehen, ist das, was einem Keyboarder als Sound zur Verfügung steht, potenziell unendlich, eternal.

Ich liebe Studio-Gefrickel und die Manipulation von Sounds, zum Beispiel auch mit meiner Stimme, nehme sie und verwende einen alten Tremolo-Klang, (singt "Cri-hi-imson-ä-änd-Clo-o-ho-ver, aho-ho-over-and-o-o-over"), (lacht) auf sowas steh ich. Das macht mir voll Spaß. Diese alten Sixties-Platten. Und von heutigen Platten mag ich solche, die tief involviert sind in solche Sound-Manipulationen. Aber wie gesagt, deine Frage führt sehr weit, da könnte man so manches ergänzen.

Also du entdeckst diese Klangbestandteile per Zufall, du planst gar nicht, so-und-so soll das klingen? Du hast das Instrumentarium, und schaust, was da alles möglich ist?

Ja. Ich scrolle durch die Musterbeispiele in der Datenbank. Bis ich was finde, das mich ... interessiert ... naja, nein, mehr: Das mich elektrisiert. Das ist schon ein wichtiger Punkt: Man kann ein ganzes Jahr an nur einem Song verbringen, wenn du dich wirklich auf die Suche nach den Zutaten machst. Wir haben eine Sample-Library, die sich 'Abbey Road' nennt. Da sind all die Aufnahme-Schnipsel aus - schätze ich mal - dem Original-"Abbey Road"-Album drauf.

Das ist doch 'ne gute Wahl!

Die sind alle richtig großartig! Oder mein Toningenieur hat mir die "John Cage Piano Library" besorgt. Du kennst John Cage? Avantgarde-Komponist der experimentellen modernen Klassik, 20. Jahrhundert?

Ja, wobei ich glaube, manchmal verwechseln Leute John Cage, John Cale und JJ Cale...

(amüsiert) Absolut richtig. Ja, Velvet Underground, John Cage und dann den Tulsa-Oclahoma Okie Bad-Ass JJ Cale, ja du hast Recht. Ich weiß ... ja, die sind alle komplett verschieden voneinander. Ich bin mehr ein John Cage-Typ als ein John Cale-Typ oder gar JJ Cale-Fan (lacht), jedenfalls in der Sample Library von John Cage sind Piano-Tonspuren aufbereitet, keine Ahnung, aus welcher Quelle, aber: Ich habe die mehr in einer Art Percussion-Kontext genutzt, und wiederum: Ich habe so viele Produktionen gehört und mitgemacht, wo man diesen Standard hat, Gitarre -- Bass -- Klavier -- Schlagzeug -- das langweilt mich ziemlich.

Mir ist an neuen Ausdrucks-Modi gelegen, ich interessier mich für neue Sounds, und insbesondere durch diese neue Trilogie von 2019 bis jetzt verstreue ich das, was ich da ausprobiere. Aber angefangen habe ich damit schon vor geraumer Zeit. Seit "Big Swing Face", einer ziemlich verrückten, fremdartigen Platte in den frühen 2000ern, seitdem bin ich da dran, aber vor allem in den aktuellen drei Platten hört man davon viel.

Was würdest du sagen, sind die drei Highlights deiner Laufbahn? Eine ganze Reihe Leute würden wohl von außen urteilen, erstens, "The End Of The Innocence", zweitens vielleicht deine Tourneen mit Grateful Dead ...

Ja...

... und drittens, manche mögen's als Comeback oder Neuerfindung sehen, deine Arbeit auf "Non-Secure Connection" ...

Ja...

... andererseits hatten wir auch ein Interview mit Huey Lewis, face to face ein paar Tage vorm ersten Lockdown, wo er auf die Frage nach zeitlosen Album-Empfehlungen dein Debüt nannte, bei dem er an einigen Songs mitgearbeitet hatte.

Ach ja? Okay. Also, ich würde das nicht als Highlight für mich bezeichnen, denn ich finde, dass meine Musik danach interessanter wurde. Weil ich mich als 'Slow Learner' sehe, habe ich so einiges erst mit zunehmendem Alter entwickelt. Aber deine Auswahl ist auch sehr schön, Don Henley, Grateful Dead und diese späte Karrieresituation, in der ich mich jetzt befinde. Ich würde zwei davon, nämlich die Dead und was sich in den letzten fünf Jahren getan hat, ebenfalls auswählen.

Und ich würde auch meine lange Arbeitsbeziehung mit Spike Lee hinzuzählen. Als dritten Punkt. Denn da handelt's sich um die am längsten währende Zusammenarbeit. Wir sind 1992, also vor ganzen 30 Jahren, das erste Mal bei einem Video, das er für mich gemacht hat, aufeinander getroffen.

Dieses Detail hab ich in der Vorbereitung nicht gefunden, dafür aber einen Song von 1998 für den Spike Lee-Film "Clockers", du am Klavier, Chaka Khan hat gesungen. Chaka profitiert nicht gerade vom positivsten Image, ich schätze sie über alles, andere unterschätzen sie oder reduzieren sie auf ihre Drogenvergangenheit oder darauf, sie habe halt einen Prince-Song gecovert. Wie war das zwischen euch, kannst du mal was pro Chaka Khan sagen?

Ja, also das stimmt, das war ein weiterer bedeutender Spike-Moment. Und bei mir ist es umgekehrt als bei den anderen, ich kann nur Positives über sie sagen. 1995 lernte ich sie über ihren und meinen Manager, durch so eine typische geschäftliche Connection kennen. Da kam die Frage auf, ob ich einen Song mit ihr für sie schreiben würde. Da war ich sofort interessiert, denn ich liebe bereits die Musik von Rufus, ihrer Band vor der Solo-Zeit, und ihre eigene Musik.

Sie ist eine bezaubernde Performerin, überragende Sängerin, eine überhaupt sehr musikalische Person, gute Songwriterin. Also sie kam hier in mein Studio, wo ich jetzt gerade auch zugeschaltet bin, und wir schrieben das Lied "Love Me Still".

Spike verwendete es dann für seinen Soundtrack zu "Clockers". Seitdem hab ich dann nur ein, zwei Mal mit ihr gearbeitet. So um 2007 herum, haben wir hier in Virginia zusammen ein Konzert gegeben. Für mich war alles positiv mit ihr.

"Spike Lee sagte, hier ist das Skript, schreib Musik"

Nun gilt Spike Lee als sehr musikalisch. Bei Jon Batiste hat sich das auch gezeigt, der jetzt so viele Grammys gewonnen hat, ...

Jon! Ja, mit Jon Batiste habe ich selbst auch gearbeitet. Wir waren beide Teil an der Filmarbeit zu "Red Hook Summer". Seitdem kenne ich ihn. Im Internet gibt es ein großes Foto von uns beiden beim Sundance-Festival. Ein alter Freund von mir, super Kerl!

Wie laufen diese Kollabos mit Spike? Ihr bekommt Szenen genannt, und was er sich dafür vorstellt, oder ihr habt fertige Songs, und er nimmt die, oder wie läuft das ab?

Wir haben eine kuriose, atypische Form der Beziehung Regisseur - Filmkomponist. Das erste, was ich für ihn machte, war eine Doku über Kobe Bryant. "Kobe Doin' Work", hieß die. Und bei diesem ersten Mal lief es eher nach Standard ab: Ich kam in sein Haus, war in New York, da wohnte er in der Nähe der Carnegie Hall, und ich war für ein Konzert genau dort, und zwar um Randy Newman live zu sehen, tatsächlich.

Ja, und damals lief ich mit ein paar Freunden von mir zu ihm weiter, ein alter Freund aus dem Kindergarten und Co-Songwriter von mir, Chip, war mit dabei. Er zeigte mir den Film, gab mir was zum Zeichnen, dann liefen die Zahlen, die Time-Codes unten am Bildrand, und dann besprachen wir das, er meinte, so, an der Stelle, da hätte ich gerne was in der und der Richtung, und naja, das waren recht spezielle Vorstellungen, und ich ihm den Gefallen zu tun und das so zu erfüllen. Das lief ganz gut.

Dann heuerte er mich für eine ganze Weile lang regelmäßig an, zehn, elf Jahre. Ich war dann für den Film "Oh Boy" tätig, der erfolglos war, so weit ich das mitbekam. Die Leute, die mich für den Film engagierten, schmissen mich raus und ihn auch, das war wirklich strange, echt mies, obwohl das eigentlich der beste Score war, den wir gemacht hatten, aber naja, wir benutzten dann Cues, Teile, Skizzen daraus, für weitere Gelegenheiten, ...

Ah, du hast dich selbst recycelt...

Ja, wenn du das Gefühl hattest, das hätte damals für den Film funktioniert, vielleicht kann es ja auch woanders passen, und wenn das hier und da der Fall war, benutzten wir was davon. Das nächste Mal, das ich wieder für Spike arbeitete, war dann besagtes "Red Hook Summer" mit Jon Batiste. Spike sagte einfach, 'hier ist das Skript, schreib Musik.' Ich komponierte also darauf hin ohne ein einziges Bild aus dem Film vor Augen, den ganzen Score als einen Arbeitsschritt, und er setzte Bestandteile daraus jeweils dort hin, wo er sie einbauen wollte.

Und nach diesem Muster haben wir's von da ab immer gemacht. Also: Hier ist die Musik, nimm sie, und füge sie ein, wo du magst!

Recht visuell ist auch das Artwork zu "'Flicted". Gutes Artwork.

(lacht) Danke, freut mich, dass du es magst.

Ist das von einem Teil eines Films inspiriert?

Ich würde sagen, es ist eine Hommage an den großartigen Filmemacher Wes Anderson! Das hässlich geformte Haus, ...

... schaut aus wie 'ne Teekanne ...

Ja, richtig, heißt auch so ähnlich: "the coffee-pot house", in Lexington, Virginia steht das. Da waren wir, ich habe mit meiner Frau einen Ausflug dort hin unternommen.

Das ist also nicht ge-photoshopped, sondern echt?

Da ist manches Photoshop enthalten, und zwar um dieses Haus, das in Lexington, also in den schönen Blue Ridge Mountains liegt, umgeben von Wald, in eine Wüstenumgebung hinein zu setzen. Das ist also meine Version von Wes Anderson, mit einem Wes-Feeling, und naja, ich bin seit meinem zweiten Studioalbum selbst gar nie mehr auf einem Cover vorne drauf zu sehen gewesen. Ich dachte mir, mach ich das mal und zeige mich dem Publikum, wobei man das auf zweierlei Art lesen kann: 'Hi, hier bin ich wieder nach all den Jahren' oder 'Hier bin ich und tschüs!' (lacht) 'Ich hab genug.'

Hast du damit gerechnet, dass du mit 67 noch arbeiten würdest oder gar einen vierten Teil der Trilogie machen würdest?

Ja, sie wird wirklich einen vierten Teil mit Kammermusik, mit Y Music und Rob Moose haben, nächstes Jahr, da bin ich schon echt aufgeregt, Kammermusik, was ganz anderes, wirklich unique, kann man gespannt sein, dann würden's vier Platten in fünf Jahren sein. Was eine Menge ist.

Was mir die Gelegenheit gäbe, dich dann wieder zu interviewen, wenn die erscheint, weil jetzt unsere Zeit leider fast rum ist....

Ja stimmt, darüber gäbe es dann nämlich eine Menge zu sagen, weil die nochmal ganz anders gemacht sein wird, - denke ich! Sogar mit einer elektrischen Sitar auf einem Song. Bisschen Abwechslung. Aus Spaß. Und du meinst, ob ich das gedacht hätte, dass es so weit mit 67 kommt? Nein, hab ich nicht.

Als du aufs College gingst, als du studiert hast, mit welcher Erwartung hast du damals angefangen? Mit welcher Vorstellung?

Ich denk, da hab ich so weit gar nicht gedacht. Eher probiert, einfach irgendwie den Fuß in die Tür zu bekommen, anzufangen, und an einen Punkt zu kommen, wo ich das tun könnte und davon leben können würde, und zwar ohne dass irgendwer mir im Nacken sitzt, der mich fragt, 'heyy, wo bleibt der Hit!?' und ich da seinen Atem spüre und - da hatte ich total Glück, denn dieser erste Hit, den ich hatte, "The Way It Is", war völlig untypisch fürs damalige Radio.

Jeder dachte, das sei eine B-Seite. Sogar die Plattenfirma gab zu, dass sie damit nicht gerechnet hatte, und somit haben die mich nie gefragt 'hey, wo bleibt der Hit!?'

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