laut.de-Kritik

Über Atombomben, Pinguine und Joints bei Keith Richards.

Review von

Industriellentochter, Model, Promi-Liebhaberin, Schauspielerin, First Lady a.D., Sängerin, Mutter. Carla Brunis Leben ist vollgepackt mit interessanten Aspekten, dennoch gelingt es nicht wirklich, ihrer Persönlichkeit habhaft zu werden.

Ist sie mit ihrem naiven Charme stets zum richtigen Zeitpunk am richtigen Ort? Oder eher eine kühl berechnende Schönheit, die sich wenig um ihre Umgebung schert, wie sie Personen aus dem nahen Umfeld beschreiben? Eine Frage, die sich durch ihre Biografie zieht.

Nun, da ihr Mann nicht mehr auf dem Präsidentensessel sitzt, hat sie jedenfalls Zeit, weiter an ihrem Image als einfühlsamer Sängerin zu feilen. Und das Material sogar persönlich zu promoten, etwa mit einem Auftritt bei der Echo-Verleihung oder mit ihrer ersten Europa-Tour, die laut Label in Planung ist. Aus einem Nebenprojekt scheint eine Lebensaufgabe geworden zu sein.

Das merkt man auch ihrem vorliegenden vierten Album an. Zwar bleibt es bei der gewohnten Mischung aus Singer/Songwritertum mit Akustikgitarre und jazzigem Pop, doch umgibt sie sich diesmal mit einer ganzen Schar an bekannten französischen Studiomusikern, die ihren Stücken einen gewissen Tiefgang verleihen. Mit Bläsern, Streichern und unterschiedlichen Perkussionen ist es musikalisch ihr vielfältigstes Werk.

Auch hat Bruni an ihrer Stimme gefeilt. Sie klingt zwar immer noch verspielt und jugendlich, aber die Ungeschliffenheit ihres ersten Werks ist verschwunden. "Ich mag das Älterwerden. Für die Stimme ist es gut, weil sie sich verändert und tiefer wird. Sie reift genau wie der restliche Körper und das Wesen eines Menschen. Mir stehen heute dadurch viel mehr Wege offen", erklärt sie dazu. Das hört sich zunächst tiefgründig an, bedeutet aber nicht viel. Zumal Bruni genau weiß, dass ihr gereiftes Äußeres auch mit 45 Jahren noch sehr augenschmeichelnd wirkt.

Zum ersten Mal zeichnet sie für alle Stücke als Autorin verantwortlich. Dass sie ihren Gatten in "Mon Raymond" als "Atombombe" bezeichnet, ist nicht unbedingt als ewige Liebeserklärung zu verstehen, denn sie hat es bereits 2010 geschrieben. Bis auf ein Stück hatte sie das Album 2011 schon fast fertig, doch dann kamen die Geburt von Tochter Giulia und 2012 ein zäher Wahlkampf dazwischen.

Die Präsidentschaftswahl verlor ihr Mann bekanntlich. Das einzige Stück, das danach entstand, ist das abschließende "Le Pingouin". Das als Abrechung mit François Hollande, dem neuen Präsidenten, gilt. Entgegen der Gepflogenheiten hatte er das Glamour-Paar nach den Amtsübergabe im Élysée-Palast nicht bis zum Auto begleitet, sondern schon am Ausgang verabschiedet.

"Er ist nicht schön, der Pinguin. Er ist nicht groß, nicht klein, nicht ja, nicht nein, weder alles noch nichts, nein, er ist nichts, rein gar nichts. Er setzt seine Herrschermiene auf, aber ich kenne ihn, den Pinguin, er hat nicht die Manieren eines Schlossherrn", singt Bruni mit unschuldiger Stimme.

Der Pinguin sei nicht Hollande, sondern nur ein trotteliges Tier, beteuert sie nicht ganz überzeugend. Ihre Songs seien überhaupt nicht politisch. "Das Wichtigste an einem Song ist und bleibt die Musik, die Melodie selbst. Sie bringt doch so viel mehr zum Ausdruck als die Worte, die man dazu singt", behauptet sie noch dazu. Was wiederum wenig aussagt - warum hat sie 2007 dann ein Album mit vertonten Gedichten veröffentlicht?

Vielleicht, damit man sie nicht mit dem Joint in Verbindung bringt, den sie in "Chez Keith And Anita" einbaut, eine Hommage an die ausschweifende Welt des Rock'n'Roll zu Beginn der 70er Jahre, verkörpert durch Keith Richards und Anita Pallenberg? Schade eigentlich, denn das fröhliche, eingängige Stück gehört zu den besten des Albums.

Anbrennen lässt sie Bruni ansonsten nichts. "Ich bete", erklärt sie in "Prière", aber "ohne Gott, ohne Paradies, ohne Kreuz, ohne Christus, ohne Allah, ohne Buddha". "Darling" widmet sie einem Freund, dem Journalisten François Baudot, der sich 2010 das Leben nahm. Sie sei keine Dame ("Pas Une Dame"), sie sucht nach dem Wesen der Freiheit ("Liberté), singt auf Französisch, Englisch ("Little French Song" mit einem aufgesetzt wirkenden Akzent) und Italienisch ("Dolce Francia", eine Übersetzung von Charles Trenets "Douce France").

Kurzum: Es ist für alle etwas dabei.

Dass die Produzentin Bénédicte Schmidt mit Dominique Blanc-Francard verheiratet ist, der auf Brunis Debüt "Quelqu'un M'a Dit" mitverantwortlich zeichnete, ist wohl kein Zufall, schließlich versucht "Little French Songs" daran anzuknüpfen. Das gelingt beim Titel, der ein ähnliches Understatement vorweist, und teilweise bei der Musik, aber nicht bei der Stimme. Denn die Unschuld und die Unsicherheit, die das Debüt ausmachten, sind verloren.

Auch auf ihrem vierten Album gelingt es nicht, das Rätsel um Carla Bruni zu lösen. Aus musikalischer Sicht steht fest, dass sie sich mit ihrem Debüt ein Denkmal geschaffen hat, an dem sie immer wieder scheitert. Auch diesmal.

Trackliste

  1. 1. J'Arrive A Toi
  2. 2. Chez Keith Et Anita
  3. 3. Prière
  4. 4. Mon Raymond
  5. 5. Dolce Francia
  6. 6. Pas Une Dame
  7. 7. Darling
  8. 8. La Valse Posthume
  9. 9. Little French Song
  10. 10. Liberté
  11. 11. Le Pingouin

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