Classified - " Handshakes And Middle Fingers"

Der Druck war groß, um an den Erfolg des letzten Silberlings "Self Explanatory" heran zu kommen. Doch was der sympathische Rapper von der Ostküste Kanadas hier abliefert, übersteigt alle Erwartungen und Hoffnungen. Die Songs reihen sich perfekt aneinander, der rote Faden bleibt stets erkennbar. Kein Füllstoff, nur qualitatives Hip Hop-Material, das in diesem Stil seinesgleichen sucht. Alles "produced, engineered and arranged by Classified", aufgenommen in den hauseigenen Halflife Studios.

Das Album beschreibt perfekt die "Ups & Downs" aus dem Leben des Künstlers. Bereits das melodiöse, aber ruhige Intro, gefällt, erzählt von dem Erfolg des letzten Albums und von den Veränderungen, die das Geld mit sich brachte: "I use to think that money changed the man / Now I'm thinking that it changes those around you." Die Single "That Ain't Classy" untermauert noch die Bodenständigkeit, die Class hier an den Tag legt: "You'll never see me with my sunglasses on in the club / Dancing on a table to my own song getting buzzed." Das geile Sample lässt den Kopf nicken und den Song im Hirn festbeißen. Achtung, es besteht die Gefahr eines dauerhaften Ohrwurmbefalls!

Selten bekommt man ein so musikalisches und von den Beats her abwechslungsreiches Album vorgelegt wie dieses hier. Ob ruhig und smooth ("Unusual") oder mit von Vater Mike Boyd Sr. eingespielter Akustikgitarre und einer Saxophoneinlage ("Stay Cool"), bekommt das Hip Hop-Herz alles geboten, was es sich wünscht. Selbst der klassische Lobgesang an das viel konsumierte Grünzeug ist mit einer süchtig machenden Melodie und einer umwerfend gesungenen Hook vertreten ("High Maintenance").

"Danger Bay" fängt mit einem langsamen aber bedrohlichen Piano an, wird lauter und der Beat findet im Refrain seinen Höhepunkt. Starker und sozialkritischer Track: "And they all lost faith in their lord / And the ones who haven't they don't go to church they go to war." Auch in "Passion" ergibt sich ein perfektes Soundgewand aus Keyboards, Live-Drums und Cuts. In größter Prollmanier meint Class: "I go to sleep every night with a couple of girls." Doch bereits in der nächsten Strophe erklärt er: "Cause my daughters won't sleep in their own bed."

Der stolze Familienvater von zwei Töchtern scheut sich auch vor ein wenig "Young Soul" nicht. Hier erzählt der 33-Jährige vom Leben, vom Älterwerden und dem Sterben von Menschen, die ihm nahe stehen. Großartig. Selbst in einem vermeintlich Diss-Track wie "Run With Me" bleibt er zurückhaltend und irgendwie freundlich, wenn er wieder über einen umwerfenden Beat "Still you wanna front on me / But I don't think so, no no I don't think so" rappt.

Ein weiterer Höhepunkt und von Papa Boyd eingespielt, stellt "Step It Up" dar: Daddys Gitarre und Bass lassen den Rap der 90er Jahre aufleben, während Classified mal eben das Hip Hop-Business erklärt. Von den ersten Demos angefangen bis hin zu den Live-Shows. Die perfekte Anleitung, eine Karriere zu starten. Blasinstrumente? Gar kein Problem! Sie geben die Melodie vor und zaubern so einen frischen und fetzigen musikalischen Hintergrund zu "Desensitized".

Warum es dieser Mann nie über den großen Teich geschafft hat und hier immer noch allerhöchstens ein Geheimtipp ist? Rätselhaft, absolut unverständlich! Das ist mit Abstand das Beste, das ich in diesem Genre seit einer ganzen Weile zu hören bekommen habe. Nicht nur der Flow, das Storytelling, der Inhalt und die Beats stimmen, beeindrucken und überzeugen. Auch die Person Classified an sich macht einfach einen unverdorbenen Eindruck, fernab von jeglicher Arroganz und nervigem Bling-Bling-Getue. Das ist ein Rapper, der etwas zu sagen hat. Jemand, dem es nicht um das schnelle Geld geht, sondern um die Sache. "You'll never see my shirt wide open / With the chest hair blowing in the wind." Und das ist auch verdammt nochmal richtig so!