laut.de-Kritik
Dreieinhalb Jahre Pause? Eine halbe Ewigkeit.
Review von Simon LangemannClueso ist kein großer Sänger, kein großer Texter, kein überdurchschnittlicher Gitarrist. Er ist auch kein Kauz, viel eher ein konformistischer, gutaussehender Model-Typ, der nirgends aneckt und es auch gar nicht versucht. Vermutlich sorgt es genau deshalb für so viel Missgunst, dass sich ausgerechnet dieser Mann langfristig als ein Popstar etabliert hat. Denn mal ehrlich: So richtig cool durfte man sich mit seiner Clueso-Affinität vielleicht einst unter 16-Jährigen fühlen, bei hippen Bescheidwissern sorgt sie hingegen meist für Kopfschütteln.
Mit "Stadtrandlichter" wird sich daran wenig ändern - und das ist gut so. Thomas Hübner wählt jenen Kompromiss zwischen Rück- und Neubesinnung, der sich seit dem zehn Jahre zurückliegenden "Gute Musik" mit jedem Release bewährt hat. Das bedeutet anno 2014: etwas mehr Gitarren als zuvor, generell mehr Organisches - und etwas weniger Synthies, auch wenn die fancy Vorabsingle "Freidrehen" das Gegenteil nahelegte. Summa summarum liegt Clueso völlig richtig, wenn er "Stadtrandlichter" im Vergleich zum sehr ausgeklügelt produzierten "An Und Für Sich" als eher livelastig bezeichnet.
Das belegt allen voran der Titeltrack, mit seiner völlig untypischen, aber bestens eingefädelten Tempo-Verschleppung im Refrain. Das titelgebende Stück übers Heimkehren erinnert am direktesten wieder daran, welche Stimmungslage man an Clueso so schätzt. Und das nicht erst beim dritten Durchlauf, sondern gleich bei der ersten Slide-Gitarrenline nach fünf Sekunden.
Mit ähnlichen Mitteln arbeitet der Morgen-danach-Song "Wach Auf", der sich vom unplugged Wohnzimmer-Szenario in eine astreine Pop-Nummer mit Background-Falsett und einem Gitarrensolo Christoph Bernewitz zum Niederknien entwickelt. Überhaupt meint, wer von Clueso spricht, natürlich immer eine ganze Armada einfühlsamer Instrumentalisten – die der 34-Jährige nun erstmals als Hauptproduzent zusammenhält.
Mit eindrucksvollem Ergebnis. Dreht man "Stadtrandlichter" zum ersten Mal auf, verspürt man ob der in etliche Details aufgegliederten Schönheit genau die Überforderung, die gut produzierte Platten nun mal ausmacht. "Alles Leuchtet" mit seinem stadiontauglichen Esprit oder die obskure Schlaflosigkeit in "Unter Strom": Man nimmt ihm alles ab.
Die Sounds von Philipp Milner, seit Jahren Teil der Clueso-Band und mittlerweile auch mit Hundreds erfolgreich, lassen sich etwa in den elektronischen Ausreißer "Interlude II" oder in den groovenden Blues-Rocker "Geradeaus" reininterpretieren. Max Prosa wirkte indes beim intimen Highlight "Galerie" am Songwriting mit.
Klar muss auch über den ein oder anderen textlichen Schnitzer hinwegsehen, wer akribisch danach sucht: Der Reim "Stadtrandlichter" auf "so lange nicht da"? Ein letzter Sargnagel für die vor Jahren begrabene Karriere als Rapper. Die etwas altbackene Story aus "Sein Song" mit Gastsänger Udo Lindenberg lässt sich vor allem deshalb leicht verzeihen, weil sie eins zu eins aus dessen Feder stammen könnte. Ansonsten scheint der Erfurter immer noch mit einem guten Gespür gesegnet - dafür, ob er etwas kann oder doch lieber bleiben lassen sollte.
Und das gilt letzlich fürs ganze Werk. Wer am Ende – so wie ich – dennoch leise bezweifelt, dass "Stadtrandlichter" ähnlich lange hängen bleiben wird wie seine unkaputtbaren Vorgänger, sollte die Ursachen demnach bei sich selbst suchen: Dreieinhalb Jahre Schaffenspause sind, übertragen auf den persönlichen Musikgeschmack, nun mal eine halbe Ewigkeit. Als geneigter Clueso-Hörer gibt es an dieser 17 Tracks starken Rückkehr allerdings wenig bis gar nichts zu beanstanden.
4 Kommentare mit 3 Antworten
Eieiei, der Einstieg der Review ist meines Erachtens aber arg holprig: Clueso ein Model-Typ? Auf den Presse-Fotos vielleicht..
Kein großer Texter? Sehe ich anders.
Und die Oberbescheid-wisser die Clueso als völlig uncool erachten.. was solls, die OberOberbescheid-Wisser wissen es dann wiederrum besser, wa.. Meint: Geschmackssache.
Ich bin gespannt auf das Album.
@ lautuser, hab den Clueso auch nicht als Schönheit vor dem Herrn in Erinnerung. Kam es bei ihm auch nicht drauf an. Denke es ging dem Autor hierbei einfach nur um einen Einstieg. Kein großer Texter?
Nun da ragen andere Deutsche sicher heraus, das macht aber seine Texte nicht schlecht. Clueso rennt wenigstens nicht penetrant durch jede drittklassige Castingshow. Meine ihn nur einmal irgendwo gesehen zu haben, k. A. wo. Wir haben in DE viele gute bis sehr gute Musiker, bin froh über jedes Review eines deutsch sprachigen Albums. Warum ist das bei Spotify nur noch nicht in der Liste?
Da gibt es mittlerweile eine ganze Riege an fähigen jungen/ jungebliebenen Singer/Songwritern in Deutschland. Clueso, Maxim, Phillip Poisel... wer kennt noch welche?
Moment. Ein deutesches Album bekommt hier wieder 4 Sterne? Dann noch ein mittlerweiler outer Clueso ? Hab mir dass Werk mal fluechtig nebenbei angehoert. 1,2 nette songs. da der gute aber 17 ! songs druffpacken musste, sind natuerlich viele lueckenfueller dabei. manchmal sollte ein musiker ein paar songs einfach verwerfen. das ist nicht mehr ganz der alte clueso der von mir eine 9/10 fuer so schnell vorbei bekommen hat.
"So Sehr Dabei" müsste ich noch irgendwo rumliegen haben und fand' das eigentlich auch ganz gut - selbst wenn's das Album zu sein scheint, auf dem er sich am deutlichsten an die Zielgruppe ranwanzt.
Trotz meines grundsätzlichen Wohlwollens hat der mich aber nie genug gepackt, dass ich mich weiter mit seinem Schaffen beschäftigt hätte ...
Klar. So Sehr Dabei war schon der Einstieg in den Mainstream. Aber man muss ja immer die Musik bewerten. Morgens bei Sonnenaufgang auf dem Bett liegen und sich das Album anhoeren ist unvergleichlich. Besonders Songs wie Jede Stadt. Eigentlich alle Songs. Fuer mich das chilligste Album ever. Clueso war schon immer der bessere Pop-Singer-Songwriter als "rapper" (die vorigen alben)
befindlichkeitsgeseier für menschen, die aus gefühlen statusnachrichten machen. grässlich.