laut.de-Kritik

Nur die Harten zündeln im Garten.

Review von

Letztens fragte mich jemand, wann denn endlich das neue Album von Culcha Candela am Start sei. Schulterzucken, keine Ahnung. "Wichtiger Output?" Er: "Die sind richtig cool. Die feiern dieser Tage ihr 15-jähriges Band-Jubiläum. Ich meine, kennste Seeed? Culcha Candela gehen auch in die Richtung. Richtig gute Truppe." Na, dann ...

Der erste Track heißt "Rodeo". Trompeten aus dem Casio-Keyboard tröten über wummernde Bässen. Dancehall-Rhythmen übernehmen das Kommando. Im Booklet sitzt ein bierbäuchiger Leggins-Träger auf einem Kirmes-Bullen. Schreibt er die Texte für Culcha Candela?

"Wir übernehmen mal wieder die Dancehall / Alle Pferde gehen mit dir durch wie Bonanza / Volles Rohr wir rollen wie 'n Panzer / Machen wieder aus 'm Montag 'n Samstag", schallt es aus den Boxen. Wie lange sitzt man wohl an so einem Vierzeiler? Wahrscheinlich nicht allzu lange.

Im Geburtstagsjahr agieren Culcha Candela aus dem Bauch heraus. Gedanken machen kann man sich auch noch später. "Lass' die Sonne rein / Endlich mal wieder Summertime / Raus in den Park / Alle kommen vorbei", heißt es weiter. Eine Einladung zum chilligen Barbecue, inklusive Frisbee-Turnier? Wohl kaum. Die Berliner wollen den Park in eine Dancefloor-Hölle verwandeln. Checker Mateo zündet sich seine Kippen an einem brennenden Molotow-Cocktail an. Hier zündeln die Harten im Garten.

Die Stimmen der Protagonisten sind tief. Wahlweise im Cher-Vocoder- oder Telefon-Modus: Für jeden zweiten Song werfen Culcha Candela die Effektmaschine an. Wer genau was singt? Kein Plan. Spielt aber auch keine große Rolle. Die Themenauswahl bleibt überschaubar.

Tanzen, Frauen, Bugattis: Die Welt von Johnny Strange, Don Cali, Chino con Estilo und Mateo Jaschik ist klein. Alle sind happy und zufrieden. Es läuft ("Cool Mit Mir Selbst"), "die Gesellschaft stimmt" ("Geniess Mein Leben"), alle Kritiker können einpacken ("Ich lass' die Hater und die Jerks alle reden / Ihr liegt kilometerweit daneben"). Man ist sich einig. Oder doch nicht?

Bisweilen ist der Hörer verwirrt. Zwar reiten die Jungs nur allzu gerne in pinkfarbener Plüsch-Garderobe ins High End-Casino ein ("Cool Mit Mir Selbst"). Aber Versace-Tangas und It-Girl-Plastiknägel gehen gar nicht ("Versace"). Klassischer Fall von Zwickmühle. Ich meine, welche auch nur halbwegs normal gepolte Frau zwängt sich morgens in einen geleasten Bugatti und frühstückt mit Sekt und Kaviar am Roulette-Tisch? Aber egal, die Culchas bleiben dabei: "Ich mag keine Titten aus Plastik, wenn der Booty zur Mucke nicht abgeht."

Hatte ich zur "Mucke" schon was geschrieben? Nein? Nun, viel fällt mir dazu auch nicht ein. Zwischen der von zahlreichen Produzenten (Mustardo On The Beat, Juhdee, Guido Craveiro, VitaliZE, Steffen Häfelinger, Alexis Troy) zusammengewürfelten Mixtur aus pumpendem Zweitliga-Dancehall und handzahmem Format-Pop und dem Qualitätsstandard einer Band wie Seeed liegen in etwa genauso große Welten wie zwischen den Dribbelkünsten von Benedikt Höwedes und Lionel Messi. Ich habe fertig.

Trackliste

  1. 1. Rodeo
  2. 2. In Meiner City
  3. 3. Mach Dein Ding
  4. 4. Cool Mit Mir Selbst
  5. 5. Geniess Mein Leben
  6. 6. Komma Klar
  7. 7. Piste
  8. 8. Original Gyal
  9. 9. Pull Up
  10. 10. Versace
  11. 11. Schlager Schlägt Zurück
  12. 12. Ey DJ II
  13. 13. Starting Over
  14. 14. Feel Erfolg

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