22. April 2022

"Kinder checken viel mehr, als man meint"

Interview geführt von

Rapper Flo spricht über Streitkultur, fröhliche Hits in harten Zeiten, Präsenz in Ox und der Brigitte, bei Stefanie Hertel und beim Fusion-Festival, das coolste Publikum von allen und immer wieder über Verantwortung. Nebenbei erfahren wir noch eine Menge über seine Entwicklung vom Drummer von Echt über Jim Pansen zu einem Drittel der coolsten Kinderband der Welt und stellen fest, dass Gzuz ausnahmsweise der bessere Jesus ist.

"Wie wärs, magst du mal wieder mit Deine Freunde sprechen?" Ernsthaft: Wer könnte dazu nein sagen? Warum sollte man ein solches Angebot auch ablehnen? Gespräche mit der besten Kinderband der Welt haben sich in der Vergangenheit stets als gleichermaßen vergnüglich und erhellend erwiesen, also hängen wir sehr gerne die nächste Runde dran. Statt buntes Durcheinandergequake aller drei Freunde per Konferenzschaltung (wie beim letzten Mal), meldet sich zur vereinbarten Zeit, pünktlich wie der sprichwörtliche Maurer, diesmal Rapper und Texter Florian Sump alleine.

Hallo, Flo. Beim letzten Interview sagten wir: "Das machen wir jetzt alle Jahre wieder." Das war 2020 Wir sind also schon echt spät dran.

Da schämen wir uns einfach nicht zu doll für. Das war ein Jahr, in dem sehr viele Menschen sehr viel auslassen mussten, das sie eigentlich geplant hatten. Da bin ich jetzt froh, dass wir es doch wenigstens im Folgejahr geschafft haben, wieder miteinander zu reden.

Beim "Weihnachtsalbum" hatten wir automatisch ein Gesprächsthema. Worüber unterhalten wir uns denn heute?

Boah! Ey, das hab' ich mich auch gerade gefragt. Es passieren natürlich gerade viele Sachen, über die wir reden können. Aber irgendwie fällt es mir persönlich in der letzten Zeit sehr schwer, Gesprächsthemen zu haben. Entweder redet man über die großen Sachen, die gerade in der ganzen Welt passieren, oder über den Kleinkram, den das Leben nebenbei irgendwie auch noch bereit hält. Der kommt einem dann aber manchmal so nichtig vor. Was natürlich totaler Quatsch ist, weil das Leben geht weiter und wir erleben alle irgendwelche Sachen. Aber ich find' Gesprächsthemenauswahl in letzter Zeit manchmal ganz schön schwierig, tatsächlich. Da musst du mich 'n bisschen an die Hand nehmen, und wir müssen da zusammen durch.

Wir könnten damit anfangen, über Jubiläen zu reden. Glückwunsch zum Zehnjährigen. Wie fühlt es sich an?

Wir ziehen immer noch die letzten Konfettistückchen aus unserem Studio raus, von dem Videodreh zu unserem Jubiläumssong. Das ist ein bisschen nervig. Ich glaube, wir haben zwölf Konfettikanonen verschossen, und wie das so ist: Du findest immer irgendwo noch so 'n Bröckchen, das rumliegt. Das Jubiläum wirkt also noch nach.

Ansonsten gehts uns da, glaub' ich, 'n bisschen wie es mir auch als Vater und wie es vielen Eltern geht: dass man an den Kindern merkt, wie die Zeit vergeht. Ansonsten spürt man das gar nicht so. Wir kucken auch so ein bisschen auf unsere Band, als wären wir so die Eltern unserer Musik, und können gar nicht glauben, dass wir das jetzt schon zehn Jahre machen. Was, Gott sei Dank, aber auch dafür spricht, dass es von Jahr zu Jahr und von Tour zu Tour eigentlich immer mehr Spaß gebracht hat und wir auch das Gefühl hatten, immer noch einen Schritt näher an uns und an unsere Band-Psyche ranzukommen. Es gibt noch keine Abnutzungserscheinungen. Wir stehen nur ein bisschen ungläubig daneben und können nicht glauben, dass es schon zehn Jahre sind.

Krass, wenn man bedenkt: Zehn Jahre, das ist fast ein Viertel meines bewussten Lebens, bei euch noch ein bisschen mehr. Habt ihr, als ihr angefangen habt, damit gerechnet, dass das so lange geht?

Jetzt hat sich das ein bisschen geändert, aber am Anfang haben wir so wenig in die Zukunft geschaut. Wir hatten alle noch andere Jobs, nebenbei. Wir haben ja auch sieben oder acht Songs vom ersten Album fertig gemacht, bevor wir überhaupt beschlossen haben, dass wir 'ne Band sind. Wir haben den Blick immer sehr im Jetzt gehalten und irgendwie auch gekuckt: Okay, jetzt haben wir acht Songs, jetzt haben wir zwölf Songs, vielleicht sollten wir dann mal ein Album machen. Es war eher so, dass wir uns immer da umgekuckt haben, wo wir gerade stehen, das dann auch sehr genossen haben, genau wie die erste Tour und alles, das danach kam, und zumindest zum damaligen Zeitpunkt noch sehr, sehr wenig in die Zukunft geschaut haben. Außer jetzt bei so Sachen wie dass man eine Tour natürlich paar Wochen oder Monate im Voraus planen muss. Mittlerweile sind wir an dem Punkt, dass die Tour (lacht) sehr, sehr lang geplant ist. Die Hallen und Clubs sind gebucht bis Ende 2023. Das ist dann schon ein Blick, der 'n bisschen weiter in die Zukunft geht. Aber irgendwie find' ich das auch ganz cool, dass wir von Anfang an immer so glücklich und zufrieden waren, da, wo wir in dem Moment waren, dass wir gar nicht so schnell dieses Höher-schneller-weiter-Denken entwickelt haben. Das ist ja ein verführerisches Fahrwasser, dass man denkt: Okay, wie ist der nächste Schritt? Wie bauen wir darauf wieder auf? Wir haben einfach sehr, sehr genossen, was wir genau in diesem Moment getan haben, und waren dann danach aber auch froh, dass wir gesehen haben: Okay, das lief jetzt so gut, dass wir weitermachen können. Und dann ist es irgendwie automatisch gewachsen, jedes Mal, aber ohne dass wir zu viel dafür getan hätten, außer dass wir einfach weiter Musik gemacht haben.

Das klingt sehr organisch.

Ja. Ist tatsächlich auch so. Ich würd' dich doch nicht anlügen? Wenns anders wäre, würd' ich es dir sagen. Aber es war tatsächlich so. Und dann ist die Freude um so größer, wenn man dann bei der nächsten Tour merkt: Ach, kuck mal! Wir haben 'n bisschen Geld von der letzten Tour über, das können wir jetzt in Licht investieren, oder in ein Bühnenbild, das mal ein bisschen besser inszeniert ist als irgendwas, das wir uns aus Pappe zurechtgesägt haben. Und so konnten wir das immer weiter ausbauen, aber ohne diesen krassen Druck dahinter, dass man sich schon ein halbes Jahr vorher mit einem Marketing-Team zusammengesetzt hätte und überlegt hat: Wie schaffen wir den nächsten großen Schritt? Was völlig in Ordnung ist, wenn Leute das so machen. Aber ich bin froh, dass wir darauf verzichten konnten.

Je größer so ein Projekt wird - und eures ist ja ziemlich gewaschen - um so mehr Verantwortung für andere Leute hängt natürlich dran.

Ja. Das stimmt. Aber Verantwortung muss auch nichts Belastendes sein. Wir haben diese Verantwortung sehr gerne angenommen. Uns hat das total viel Spaß gebracht, zum Beispiel nach der ersten Tour zu entscheiden, dass, wenn die Konzerte größer werden, wir die Verantwortung auch annehmen wollen. Wenn die Hallen größer werden, oder damals die Clubs, dass wir den Eltern schon beim Reinkommen signalisieren: Wir haben uns hier über alles Gedanken gemacht. Ihr müsst euch keine Sorgen machen. Das war auf der ersten Tour natürlich noch ein bisschen chaotischer. Da durfte jeder stehen, wo er wollte. Zur zweiten Tour haben wir diesen Kinderbereich eingeführt, dass nur die Kinder vor der Bühne sein dürfen, die Eltern so ein bisschen dahinter. Dann haben wir angefangen, Leute mitzunehmen, aus dem pädagogischen Bereich, Freundinnen von uns, die wir schon lange kannten, die Erzieherinnen sind, die halt darauf achten, obs irgendwo Kinder gibt, die so ein bisschen verloren aussehen oder so, dass die wieder zurück zu ihren Eltern gebracht werden. Dass man die Eltern kontaktieren kann, über hinterlassene Telefonnummern auf den Armbändern von Kindern. Da Stück für Stück Verantwortung dafür anzunehmen, dass das größer wird, aber dass wir auch zeitgleich unserem Publikum zeigen wollen: Wir machen uns Gedanken darüber, was hier passiert, und wir versuchen, damit so cool wie möglich umzugehen, dass ihr euch alle wohl fühlt. Das kann ja auch Spaß bringen. Das muss ja gar keine Belastung sein. Verantwortung kann auch einfach Spaß bringen, und wir haben die gerne angenommen.

"An Alexander Marcus ist Lukas schuld!"

Hat sich das Wachstum auf die Arbeitsweise ausgewirkt, was die Musik betrifft?

(Überlegt) Nee, irgendwie nicht. Lustig, dass du das ansprichst, weil da haben wir gerade erst vor ein paar Tagen drüber geschnackt, wir drei, dass wir es so interessant finden, den Austausch mit unserem Publikum nach den Shows. Jetzt vor Covid, natürlich. Nach den Konzerten haben wir uns ja immer den Fans gestellt, für Autogramme, aber auch Gespräche, was teilweise länger gedauert hat als das Konzert an sich, und da haben uns sowohl die Kinder als auch die Eltern so krass dazu ermutigt, noch kompromissloser wir selber zu sein. Was das heißt, wir selber zu sein, war dann einfach, dass wir uns auf dem dritten Album getraut haben, ein Lied über die Fontanelle zu machen, oder so einen Humor noch mit einfließen ließen, bei dem wir vorher, wenn wir da so theoretisch drüber nachgedacht haben, eher gesagt hätten: Ja, okay, komm, das ist jetzt zu krass unser Dreierhumor, wer soll das da draußen checken? Das finden die Kinder doch vielleicht nicht lustig oder sie begreifen es vielleicht gar nicht richtig. Und auch da, wie in so vielen anderen Themenbereichen, haben sie uns einfach eines Besseren belehrt und uns eigentlich durch diesen Austausch über die letzten zehn Jahre noch mehr zu uns selber geführt. Das klingt jetzt 'n bisschen esoterisch, aber das meine ich komplett ernst: Die haben uns einfach noch mehr ermutigt darin, wir selber zu sein und uns nicht dauernd diese große Frage zu stellen: Checken das die Kinder? Die Kinder checken ohnehin viel mehr, als man so meint. Da haben wir ja schon oft drüber gesprochen, das haben wir schon oft festgestellt. Aber dass die uns als Band und auch als drei Einzelpersonen noch näher an uns selber heranführen, das hätte ich vorher so auch nicht vermutet.

Die würden wahrscheinlich eher checken, wenn man versucht, ihnen etwas vorzugaukeln, das man gar nicht ist.

Genau das, ja. Das haben wir uns ja von Anfang an auf die Fahnen geschrieben: Wir wollen die Kinder ernst nehmen, die halt nicht so für dumm verkaufen und mit dem Minimum abspeisen. Und trotzdem ist das immer noch, auch heute noch, nach zehn Jahren, nach wie vor ein Lernprozess für uns, dass wir immer noch merken: Da geht noch mehr.

Jesses. Wo soll das hinführen?

(Lacht) Zu viel weiterer Musik noch, hoffentlich.

Wenn man so lange und, nehm' ich an, auch relativ eng zusammenarbeitet: Geht man sich da nicht manchmal auf den Sack?

Ja, und wie! Wir können uns richtig doll auf den Sack gehen, zwischendurch. Das war innerhalb dieser zehn Jahre aber auch immer so ein wichtiger Punkt für mich, für die anderen auch, die haben da mitgezogen, weil es uns allen gleich wichtig ist: Wir haben 'ne gute und auch funktionierende Streitkultur. Wir sind jetzt auch keine Kommunikationsprofessoren geworden. Aber was wir innerhalb der Band nicht zulassen, sind so kleine Schwelbrände, die hier und da entstehen, und die dann irgendwann ausbrechen und aus einer vielleicht ursprünglich mal kleinen Sache gleich einen ganzen Waldbrand machen. Wir reden miteinander. Wir streiten miteinander. Wir können uns auch mal richtig auf den Sack gehen, weil wir gar nicht immer einer Meinung sind und natürlich auch immer noch drei Individuen bleiben. Aber bei uns kommen die Sachen auf den Tisch, die uns stören. Auch das ist natürlich - bisschen Stichwort Verantwortung, nochmal - aber auch das ist eine Verantwortung, die wir gerne annehmen. Bringt natürlich nicht immer Spaß, in dem Moment, in dem man sich mal richtig nervt. Aber das dann währenddessen oder kurz danach aufzuarbeiten und sich gesittet zu streiten, auch wenn mal die Fetzen fliegen, das ist auch was, worauf wir als Freunde stolz sind, dass wir da einen Weg gefunden haben, wie wir das machen können, ohne uns die Köppe einzuschlagen. Man sieht ja auch oft, wie sowas nicht funktioniert. Wie Menschen ihre kleinsten Meinungsverschiedenheiten nicht miteinander geregelt bekommen und es nicht ertragen können, dass sie unterschiedlicher Meinung sind. Und da haben wir schlicht keinen Bock drauf.

Drastisch vor Augen geführt, wie sowas nicht funktioniert, hat mir eben erst dieser Kinofilm über A-Ha. Hast du den gesehen?

Nee. Ich wusste gar nicht, dass es den gibt.

Der ist gerade auf DVD erschienen. Das war echt gruselig: Da hast du drei Typen gesehen, die sich nicht nur nichts mehr zu sagen haben, sondern die sich teils wirklich nicht leiden können. Ich fands wirklich tragisch. Drei so verbohrte Säcke schaffen es nicht, sich mal hinzusetzen und ihre Probleme auszuräumen, machen aber trotzdem irgendwie weiter.

Boah. Das ist unvorstellbar für mich. Da ist auch eine gewisse Portion Harmoniebedürftigkeit in mir, die das nicht zulassen könnte, die Vorstellung. Egal, wie gut die Karriere läuft, egal, wie gut das läuft, das man gerade macht: Wenn man sich dabei absolut nicht mehr versteht und es nicht schafft, sich an einen Tisch zu setzen - da würd' ich eher wieder, wie zehn Jahre davor, mir irgendwelche Jobs suchen und so meinen Kopf über Wasser halten. Das ist wirklich undenkbar.

Ich glaube, es war Paul, der sagte, es gehe aber nur um die Musik, um gute Songs und das Vermächtnis der Band, "unsere Zickereien untereinander sind der Welt da draußen komplett egal, unsere Musik gibt denen aber was".

Das ist krass. Kann ich total respektieren, wenn er das ernst gemeint hat, und wenn man sagt: Ja, okay, die Musik oder die Kunst steht über allem. In unserem Fall: Keiner von uns würde so glücklich werden. Wir betrachten das dann doch ein bisschen ganzheitlicher, weil wir einfach unser Leben in so vielen Momenten so eng miteinander teilen. Aber ... ey, gut. Ich glaube, dass allgemein zu dieser Zeit sowas wie mentale Gesundheit, so ein bisschen Generation Selfcare, weißte? Das gab es ja damals noch gar nicht. Vielleicht fanden die das einfach nicht so wichtig, wie sie sich fühlen, bei der Sache, so lange der Rubel rollt. Aber ich glaub', da hat sich ein bisschen was getan. Heutzutage weiß man, was es unterschwellig mit einem anrichtet, wenn man so viele ungelöste Konflikte mit sich herumträgt. Das wollen wir vermeiden. Da sind wir jetzt einfach einen Schritt weiter, glaub' ich.

Ich fand schon bezeichnend, wie der Film anfängt. Die haben die Bandmitglieder getrennt voneinander gefragt, ob es ein neues A-Ha-Album geben wird, und Paul so: "Ja, klar, ich hab' schon so und so viele Songs fertig, müssen wir nur aufnehmen." Morten: "Jaaaa, WENN wir es schaffen, zusammen ins Studio zu gehen und anfangen, aufzunehmen, DANN glaub' ich dran, dass das passieren wird." Und Magne: "Nein."

(Lacht) Vor der Kamera? Das klingt zu gleichen Teilen interessant und schwer, das mit anzukucken. Wenn man das vorher nicht auf dem Zettel hatte und einfach nur super fand, was die musikalisch gemacht haben, und dann kuckt man sich das so an ... Ich glaub', ich könnt' den Film nicht sehen, deshalb ist lieb, dass du mir davon berichtest. Das fällt mir ganz schwer, bei sowas zuzuschauen, weil man irgendwie das Gefühl hat, man erlebt den Moment dann nochmal so mit. Und gerade, wenns so ein bisschen awkward und Fremdscham-mäßig ist ... brrr. Da schüttelts mich.

Es ist halt einfach auch richtig dumm. Alle könnten so viel mehr Spaß haben, wenn sie es schaffen würden, einmal vernünftig miteinander zu reden. Das reicht ja meistens schon.

Ja, und wenn man so die Kraft dahinter erkennt, wie gut das tun kann. Was wir immer wieder festgestellt haben, und ich auch in meinem privaten Leben: Wie klein die Dinge plötzlich wieder werden. Es kommt einem manchmal wie so eine ewig hohe Hürde vor, was auszusprechen. Man denkt: Ogott! Der Konflikt ist so riesengroß! Und wenn man dann drüber spricht, wenn man diesen kleinen Schritt macht, wie oft stellt man dann fest, wie sich dieses Monstrum ganz schnell wieder in so 'nen kleinen Wackelpudding verwandelt, in eine ganz kleine Sache, die meistens nicht so schwer zu überwinden ist, dann verliert das Ganze sehr schnell seinen Schrecken. Und dann stellt man auch oft fest, an wie vielen Punkten im Leben das eigentlich so ist, dass man die Angst vor solchen Konflikten selber in seinem eigenen Kopf größer macht, und wie schnell sie dann wieder kleiner und wirklich handlebar werden, wenn man einfach den Mut aufbringt, den inneren Schweinehund zu überwinden und einfach mal drüber zu sprechen.

Meistens kostet ja das Rumeiern um so einen Konflikt die meiste Kraft.

Boah, das ist so zäh!

Wenn man so lange Teil einer Band ist: Wie sieht es mit Selbstverwirklichung aus?

Wir machen alle zwischendurch noch andere Sachen nebenbei. Lukas ist ja unser passionierter Musical-Man, wofür Pauli und ich generell nicht sooo viel Begeisterung übrig haben. Aber Lukas liebt Musical und Theaterstücke und schreibt da einfach tolle Sachen. Er hat vor ein paar Jahren damit angefangen und bringt mittlerweile Stücke auf die Bühne, die dann sogar wir gut finden. (Lacht) Nicht nur, weil wir seine Freunde sind, sondern weil auch das 'ne interessante, krasse Arbeit ist, so aus dem Nichts sowas zu inszenieren, zu schreiben und das tatsächlich auf die Bühne zu bringen.

Generell zum Stichwort Selbstverwirklichung: Ich hatte bisher mit meiner alten Band Echt, mit meinen vier besten Freunden damals, ein wahnsinnig krasses Abenteuer erlebt. Auch da steh' ich zu einhundert Prozent hinter der Musik, die wir gemacht haben. Ich hatte allerdings noch nie das Gefühl, mich so sehr in einer Sache selbst verwirklichen zu können wie in dem, das wir mit Deine Freunde machen. Dafür muss ich nicht alleine sein, um mich selbst zu verwirklichen. Dafür brauch' ich sogar Lukas und Pauli, in dem Moment. Ich hab' das vorher alleine probiert. Ich weiß nicht, ob ich dir das schon mal erzählt habe, dieses als ehemaliges Echt-Mitglied plötzlich Rapper sein zu wollen ... ich musste ja durch die harte Schule, damals.

Das war dieses Jim Pansen-Projekt?

Ja, genau. Und das Hip Hop-Publikum war ein sehr strenges, damals. Nicht zu vergleichen mit heute. Du musstest eine gewisse politische Einstellung mitbringen. Eigentlich durftest du überhaupt nichts mit diesem ganzen Sellout-Scheiß zu tun haben. Das heißt: Ich als jemand, der vorher in 'ner Teenie-Band gespielt hat, über die in der Bravo berichtet wurde, hatte es superschwer, da reinzukommen. Aber ich wollte das halt irgendwie. Es hat dann auch Spaß gebracht, diese Herausforderung anzunehmen. Aber das war für mich die harte Schule, und irgendwann hab' ich auch gemerkt: Ja, okay, ich will rappen und ich will Beats, die mir Spaß bringen, aber ich muss jetzt eigentlich gar nicht Leute überzeugen, die sich davon vielleicht gar nicht überzeugen lassen wollen. Auch wenn das zwischendurch sehr, sehr gut funktioniert hat.

Aber als wir dann angefangen haben, mit Deine Freunde Musik zu machen, hab' ich gemerkt: Alles, das mir vorher an Rap-Musik Spaß gebracht hat, bringt mir jetzt sogar noch viel mehr Spaß. Ich kann auch hier an irgendwelchen Flows rumtüfteln oder mir Mühe geben, solche Texte zu schreiben, dass die Leute anerkennen: Ja, der ist ein guter Rapper. Aber ich muss nicht raus und Leute damit überzeugen, sondern das passiert irgendwie von selbst, weil ich mich so wohl damit fühle. Am Anfang, als Deine Freunde noch sehr frisch waren und ich dann immer gesagt hab': Ja, ich rapp' jetzt so, aber es ist für Kinder, da gabs erstmal nach außen hin nichts Uncooleres, was man hätte machen können. Kinderrap, was soll das? Das hat sich mittlerweile natürlich verändert, weil die Leute jetzt wissen, wer wir sind. Aber das hätte noch zwei Jahre weitergehen können, dass mir Leute sagen: "Hä? Das ist doch uncool! 'N Kinderrapper bist du jetzt also? Okay." Das hätte mich nicht interessiert, weil mir da von Anfang an so viel Spaß gebracht hat, dass ich gemerkt habe: Was wir jetzt machen, mit Deine Freunde, das ist meine Selbstverwirklichung. Da läuft alles zusammen, das ich liebe an Musik. Da gibts Melodien. Da gibts keine Engstirnigkeit, was die Musik angeht. Da hören die Leute trotzdem, dass wir Liebe für Hip Hop haben, weil man das, glaub' ich, an der Art hört, mit wie viel Liebe wir die Musik produzieren. Da lief alles für mich zusammen. Das ist meine Selbstverwirklichung. Mehr brauch' ich nicht.

Krass auch, wie sich das geändert hat. Mit Sellout-Vorwürfen brauchst du allem, das im Hip Hop heute populär ist, gar nicht mehr zu kommen.

Das hat sich komplett gedreht. Heute musst du verkaufen. Wobei: Das ist zum Glück ja auch nur ein Teil. Es gibt ja, Gott sei Dank, noch ganz, ganz viel megakrasse sehr gute, immer neue Rap-Musik, aber klar: Dieses, wie ich damit aufgewachsen bin, so, dass das nur Teil einer Subkultur ist, und diesen Rahmen soll es auch nie verlassen, bitte, sonst gehörst du zu den Sellout-Schweinen, das hat sich irgendwann gedreht, in: Ja, wenn du dir den Wagen damit nicht leisten kannst, dann bist du halt der Loser. Weder das eine noch das andere stimmt irgendwie. Am Ende gehts um die Musik, und da bin ich froh, dass ich das irgendwann auch für mich erkannt hab'.

Ich kuck' jedes Mal drauf, wie sich die Das-könnte-dich-auch-interessieren-Empfehlungen unserer Datenbank entwickelt haben. Am Anfang hat der Algorithmus als "ähnliche Acts" noch RIN, Kollegah und SXTN ausgespuckt. Inzwischen hat es sich relativ stabil bei der Kombination Fischmob, Alexander Marcus und DJ Koze eingependelt.

(Lacht) Wirklich? Okay. Ja, cool! RIN und Kollegah, das hat mich jetzt sehr überrascht. Das waren die vorgeschlagenen anderen Künstler am Anfang?

Ich hab' keine Ahnung, wie der dahinterstehende Mechanismus funktioniert. Ich kann mir aber vorstellen, dass es zuerst grob das Genre "deutscher Hip Hop" erkennt und da irgendwas ausspuckt, und später kommt die Feinjustierung: Was hören die Leute, die Deine Freunde hören, noch.

Ich glaub', bei der zweiten Einschätzung hat der Algorithmus keinen Fehler gemacht. Das ist vielleicht ein bisschen näher an uns dran. Wobei wir und da wirklich bei allem bedienen, das wir irgendwie toll finden. Und da gibts superviel, das wir toll finden, deswegen darf das auch alles irgendwie einen Einfluss auf unsere Musik haben. Aber DJ Koze, da bin ich nach wie vor Fanboy. War ich mein Leben lang, den find' ich immer noch hammer, den Typen.

Hier: Fischmob 4ever.

.. und was war das noch? Alexander Marcus? Ey, da sag' ich einfach mal: Daran ist Lukas schuld. (Lacht) Da kann er nix gegen unternehmen, dass ich das sage. Alexander Marcus - das ist der Teil, den Lukas mit reinbringt. Sehr liebevoll gemeint.

So oder so ist die Auswahl stark raplastig. Würdest du sagen, dass ihr ein Rap-Act seid?

Pffft ... ich weiß es nicht. Mittlerweile würde ich vielleicht sogar sagen, dass wir 'n Pop-Act sind, bei dem man die Liebe zu Rap und Hip Hop hoffentlich nach wie vor raushört. Aber wir machen uns so wenig Gedanken darüber, in welcher Kategorie das alles läuft, dass wir eigentlich mit jeglicher Bezeichnung leben können. Egal, ob man und Kinderband oder Familienband nennt oder ob wir jetzt 'n Pop- oder 'n Rap-Act sind: Irgendwie trifft das alles zu, auf 'ne Art. Aber nach wie vor: Die Beats, mit denen wir angefangen haben, die sich immer wieder einschleichen und die der Teppich für unsere Musik sind: Das bleibt Hip Hop.

Bezeichnend für den desolaten Zustand der Hip Hop-Medienlandschaft, dass ihr in den einschlägigen Rap-Magazinen gar nicht vorkommt. Dafür hattet ihr schon Interviews in quasi jeder anderen Publikation. Ich kenn' niemanden sonst, der in Ox und der Brigitte vorkommt.

Ja! Oder der beim Fusion-Festival gespielt hat und 'ne Woche später bei Stefanie Hertels großer Muttertags-Show.

Erklär' mal das Geheimnis dieser Bandbreite, bitte.

Kann ich dir leider nicht erklären. Weiß ich nicht. Es wundert uns immer wieder selbst und wir freuen uns. Bevor wir zur Fusion gefahren sind, hatten wir echt 'n bisschen Schiss. Weil wir dachten: Okay, wir können hier und da auftreten, aber Fusion ist 'ne Ansage. Das ist ein Techno-Festival, da sind keine Kinder oder nur sehr wenige, wie soll das werden? Und dann wurden wir durch ein Konzert getragen von sechs- oder siebenhundert superfröhlichen, toll feiernden Menschen, die da vor der Bühne standen, und sind halt auch nicht ohne Stolz wieder nach Hause gefahren und haben gesagt: Ey, wir haben heute einfach das Fusion-Festival gerockt. Wie geil ist das denn? Und dann waren wir ein paar Tage später in Stefanie Hertels Muttertags-Show, wo so Publikum zwischen 50 und 80 saß und mitgeklatscht hat, als wir "Deine Mudder" gespielt haben. Vor einer Graffiti-Wand, (lacht) die sie uns aufgestellt haben, im Fernsehstudio, damit das so 'n bisschen rappig aussieht, alles. Wir wissen nicht, warum das so ist oder was das Geheimnis dahinter ist. Ich glaube, dass wir generell einfach ... so sind wir als Band, so sind wir aber auch als Einzelpersonen: Wir lernen gerne Leute kennen, wir gehen gerne auf Leute zu und wir sind kein Teil irgendeiner Szene, die sagt: Okay, wir machen das und das, deshalb haben wir mit dem ganzen Rest nix zu tun. Sondern wir sind da einfach so 'n bisschen wie unsere Musik: in alle Richtungen offen. Wir breiten die Arme eher aus, als sie zu verschränken. Das ist, glaub' ich, auch schon alles.

"Innerhalb des Stillstands ist verdammt viel los"

Lukas sagte mal, er würde sich mehr Acts wünschen, die mit ähnlicher Herangehensweise wie ihr Kindermusik machen, weil man sich dann verbünden könnte. Ich hab' die Kindermusik-Szene jetzt nicht so fest im Blick: Hat sich da in den letzten Jahren was getan?

Ja, da tut sich tatsächlich gerade 'n bisschen was. Die Mühlen mahlen langsam, aber es gibt jetzt das rappende Nashorn Dikka, was ziemlich gut ist, find' ich.

Das ist Serafinale, ne?

Genau, das ist Serafinale. Dann, hab' ich gerade vor ein paar Tagen erst entdeckt, fand ich irgendwie auch ganz süß, muss ich mir noch näher reinziehen: Mira & das fliegende Haus. Auch cool, irgendwie. Dan hab' ich letzte Woche ... jetzt gehts nämlich los! Jetzt lern' ich endlich die Rapper kennen, von denen ich früher Fan war und nie gedacht hätte, dass sich unsere Wege mal kreuzen! Ohne zu viel zu verraten: Aber Olli Banjo macht auch gerade ein Projekt, wo er Musik für Kinder produziert ...

Ach, was!

... wo es eventuell ein Feature geben wird. Es gibt noch nicht so wahnsinnig viele, aber die Leute, die das jetzt machen und mit denen wir auch Kontakt haben, die melden uns alle zurück, dass sie den größten Spaß daran haben, diese Musik zu machen und zum Leben zu erwecken, seit Jahren. Dieser Zauber, den wir bei der Arbeit erleben, der gehört nicht nur uns, sondern das stellen jetzt gerade auch andere Menschen fest, die sich mit der Thematik Kindermusik auseinandersetzen.

Man kriegt da halt auch ein cooles Publikum.

Ja, genau. Die sind einfach intuitiv. Die haben das Coolsein noch nicht verlernt und mussten es sich dann wieder neu beibringen, mit weniger Bauchgefühl. Die sinds halt einfach.

Weiß gar nicht, ob ihr heute noch Verbündete bräuchtet. Inzwischen seid ihr ja ein relativ dicker Live-Act. Termine für die Shows stehen. Macht man sich in Zeiten immer noch riesiger Infektionszahlen Gedanken, ob das vertretbar ist?

Weil wir uns diese Gedanken gemacht haben, haben wir die "Helikopter"-Tour dreimal verschoben und letztendlich final abgesagt. Weil das irgendwie einfach noch nicht ging und wir natürlich mit sehr, sehr vielen Unter-zwölf-Jährigen nochmal 'ne besondere Verantwortung haben. Irgendwie ist Verantwortung immer wieder das Thema, zu dem wir heute zurückkommen. Und jetzt ist es so: Wir haben ein bisschen verlernt, vorfreudig zu sein, was uns noch mehr zwingt, zufrieden im Hier und Jetzt zu sein. Sagen wir mal so: Wir freuen uns sehr auf den Sommer. Dadurch, dass das alles Open Airs sind, gehen wir zu einhundert Prozent davon aus, dass wir diese Konzerte alle spielen können. Was den Herbst und Winter und die Hallen angeht, dafür sind ja auch schon Tickets im Verkauf, da zügeln wir einfach unsere Vorfreude noch und hoffen das Beste. Wir müssen aber auch, so wie wir es die letzten Jahre getan haben, einfach 'n bisschen abwarten, bis das nah genug an uns rangerückt ist, um zu wissen, was alles geht. Vielleicht wird uns da ein Riegel vorgeschoben, vielleicht nicht, vielleicht ist Ende des Jahres alles vorbei. Da wissen wir im Endeffekt nicht mehr als der Rest der Gesellschaft. Trotzdem müssen wir planen. Trotzdem müssen wir irgendwie kucken, dass es weitergeht. Dementsprechend sind wir sehr optimistisch, was den Sommer angeht. Der Herbst und der Winter müssen einfach beide noch 'n bisschen näherrücken, damit man das besser einschätzen kann.

Ich bin da völlig zerrissen. Gerade gehts überall wieder los, ich seh' die Bilder von vollen Hallen und hab' so Bock. Aber dann seh' ich den Risikopatienten bei mir zuhause und denk': Kann ich einfach nicht bringen, im Moment.

Ja. das ist diese Zerrissenheit, die wir alle irgendwo teilen und mit der man auch nicht viel anstellen kann, außer dass wir jetzt zwei Jahre Zeit hatten, uns von ihr nicht mehr völlig verrückt machen zu lassen. Und Enttäuschungen gehören mittlerweile einfach zum Leben mit dazu. Einfach kommen lassen und gucken, was geht. Wenn dann was geht, ist es um so besser.

Bisschen Feierei hätten wir wirklich nötig. Pandemie, Klimakrise, Krieg ... fällt es angesichts von alledem schwerer, fröhliche Musik zu machen?

Nee. Ehrlich gesagt, nicht. Das mag vielleicht ignorant klingen, aber es ist die beste Zuflucht, die sich uns bietet. Wir arbeiten schon am nächsten Album, damit haben wir im Dezember letzten Jahres angefangen, das soll im Frühjahr 2023 irgendwann erscheinen. Wir haben da gerade letzte Woche so ein Ding gemacht, von dem haben wir so gute Laune bekommen, was sich dann beim Machen manchmal ganz kurz 'n bisschen komisch anfühlt, aber jetzt ist der Song relativ fertig, und er macht uns so gute Laune und wir denken, wenn sich das auf uns überträgt, dann wird sich das hoffentlich auch auf die Kinder übertragen. Ey, es gibt so viel gerade, was passiert, das uns auf den Kopf und auf die Füße fällt und wo wir eigentlich dazu gezwungen werden, dass die Mundwinkel runtergehen, und das auch völlig zurecht. Es ist so viel abgefuckt, gerade. Aber da brauchen wir um so mehr diese Momente der Leichtigkeit, in denen man sich darauf konzentriert, was auch immer noch trotz allem zwischendurch da ist.

Ich weiß nicht, ob wir das mal erzählt haben: Genau gegenüber von unserem Studio ist eine Grundschule. Wenn die große Pause haben, da chillen wir manchmal mit denen und schnacken so 'n bisschen. Da sind letzte Woche Kinder mit Ukraine-Flagge über den Pausenhof gelaufen. Da stand ich mit acht- und neunjährigen Kindern an diesem Gitterzaun vom Pausenhof, und die haben erzählt, was für Sorgen sie sich um den Krieg machen und haben fast schon zu erwachsen darüber geredet. Und dann im nächsten Moment, als sie fertig waren und das Gespräch beendet war, sind sie aber losgelaufen, haben sich johlend und kreischend über den Pausenhof gejagt und waren einfach wieder Kinder. Das war so ein richtiger Aha-Moment für mich, dass ich mir gedacht hab': Okay, das eine und das andere, das kann irgendwie beides gleichzeitig passieren. Die Gleichzeitigkeit der Dinge: Dass man das, das auf der Welt passiert, ernst nehmen muss, dass man da auch drüber reden muss und sich ab und zu auch abfucken muss, weil das zur Zeit einfach dazu gehört. Aber es ist auch wichtig, dann wieder johlend über den Pausenhof zu laufen. Und da sind wir ja auch ein Stück weit mit für da, als Band. Den Teil wollen wir nicht auslassen. Wir können jetzt nicht sagen: Alles nur noch scheiße. Wir müssen irgendwie auch da weitermachen, worin wir gut sind. Und das ist eben nicht, nur schlechte Laune zu verbreiten.

Wobei ihr die ernsten Dinge ja gar nicht ausklammert. Ihr habt zum Beispiel schon Songs gemacht, die sich auf den Klimawandel beziehen lassen. Werden diese großen, wirklich schweren Themen denn künftig bei euch vorkommen?

Die werden sich bestimmt mal so mit einschleichen, aber vermutlich auch in Zukunft nicht auf so 'ne ganz plakative Art. Sich hinzustellen und einen Anti-Krieg-Song zu machen, obwohl wir absolut dagegen sind - also gegen den Krieg, nicht gegen den Anti-Krieg-Song - so ganz plakativ diese Riesen-Überschrift vor sich herzutragen, das war noch nie unser Ding. Aber was auf der Welt passiert, wird mit Sicherheit in unsere Texte mit einfließen, aber dann eher so im Unterboden und zwischen den Zeilen. Es ganz auszuklammern, wäre auch einfach ignorant, da haben wir keinen Bock zu. Das wird seinen Platz finden, nur eben nicht in der großen Überschrift.

Ich hab' gelesen, dass du nach Kritik von christlicher Seite ein bisschen mit der Zeile "Ich hab' Jesus gesehen" aus "Quatsch mit Soße" gehadert hast?

(Lacht) Na, jaaa. Ich hab' einen Freund, der sehr gläubig ist. In dem Lied zähl' ich ja die ganze Zeit Sachen auf, die nicht wahr sind. Der hat mir überhaupt keinen Vorwurf draus gemacht, aber hat mir dann in einem längeren Gespräch erklärt, dass er nicht versteht, warum ich in so einem absoluten Quatsch-Lied ausgerechnet den Namen Jesus benutze, der dann doch so vielen Leuten irgendwie was bedeutet. Ich hab' auch verstanden, was er mir damit sagen wollte und hab' angefangen, mich 'n bisschen unwohl damit zu fühlen, obwohl ich selber nun kein Christ bin. Aber ich hab' seinen Punkt verstanden, weil sonst zähl' ich da wirklich nur den größten Blödsinn auf, und in dem Moment benutz' ich den Namen von jemandem, der vielen Leuten was bedeutet. So hab' ich mir ein bisschen Gedanken drüber gemacht, und jetzt, für das Best-Of, ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist (lacht): Wir haben die eine Zeile geändert, und aus Jesus hab' ich einfach Gzuz gemacht. "Ich hab' Gzuz gesehen." (Lacht) Den hab' ich noch nie live gesehen, und damit dürften sich auch die Christen nicht mehr angegangen fühlen, weil Gzuz ist ein Rapper, damit haben sie dann kein Problem und ... ja, damit wird dann der Heiland nicht mehr beleidigt. Sozusagen. Also: Keiner von beiden soll beleidigt werden. Aber das fand ich jetzt irgendwie 'ne elegante Nummer.

Was ich auch noch dazusagen muss: "Quatsch mit Soße" ist der meistgestreamte Song von uns. Was wir nicht checken! Der ist vom ersten Album, der war keine Single, da haben wir kein Video gemacht, nix! das ist aber einer, der bei den jüngeren Hörern und Hörerinnen total gut ankommt und wo die Kinder bisher auch immer, bis dieses Jahr die Konzerte kommen, ganz schön enttäuscht waren, dass wir den nicht live gespielt haben. Wir haben den Song jetzt nie so krass auf dem Zettel gehabt, ihn auch nicht so doll gefeiert. Wir haben aber jetzt erkannt, dass die Kinder den lieben, und dann dachte ich: Okay, komm, mich zwingt niemand dazu, wir hätten Jesus auch einfach drinlassen können. Aber wir brechen uns damit auch keinen Zacken aus der Krone, wenn wir ihn einfach rausnehmen. Weil ich hing nie an dieser Zeile.

Wie ging das überhaupt vonstatten: 23 Tracks sind auf diesem Album, das klingt erstmal nach viel. Ihr habt aber einfach eine Flut von Songs. War es schwierig, eine Auswahl zu treffen?

Das war eigentlich relativ leicht. Wir wussten, wir wollen von jedem Album, wie sich das dann gehört, mehrere Songs mitnehmen und nicht eins überrepräsentieren. Ich glaub', das einzige, von dem wirklich nur ein Song dabei ist, ist das "Weihnachtsalbum", ansonsten ist das ziemlich gleich aufgeteilt. Dann haben wir einfach gekuckt: Was wird am meisten gehört? Wozu kriegen wir live bei Konzerten das meiste Feedback? Und dann musste Pauli natürlich auch kucken, als DJ-erfahrener Mann, als DJ, der er selber ist, wie sich das alles gut in eine Reihenfolge bringen lässt, die sich nicht so gegenseitig beschneidet, sondern dass man das alles gut durchhören kann. Das war nicht so schwer, das ging relativ schnell. Innerhalb von zwei Tagen wussten wir, wie da die Tracklist aussieht. Die hat sich irgendwie wie von selbst gefügt.

Keine Streitereien nach dem Motto: "Ich will aber DAS!"?

Nee! Coolerweise nicht, und das ist ein bisschen ungewöhnlich, weil gerade bei Setlisten von Live-Konzerten kann es schon sein, dass wir da ein bisschen länger drüber reden und uns streiten. Aber in diesem Fall lief das sehr, sehr flüssig. Wofür ich sehr dankbar bin.

Wenn ihr schon am nächsten Album bastelt, beantwortet das natürlich die Frage: Warum nur ein neuer Song? Wären nicht wenigstens zwei oder drei drin gewesen?

Ja, ey, dazu kann ich dir sagen: Drei Wochen bevor wir das Video veröffentlicht haben, zu "Wir Sind Die Kinderband", gab es diesen Song einfach noch gar nicht. Eigentlich hatten wir geplant, wirklich so ein Best-Of zu machen, wo wirklich nur die Tracks der vorherigen Alben drauf sind, und dann haben wir uns superspontan dazu entschieden, weil Lukas nochmal so einen Beat gebaut hat und mir dann dieser, zugegeben etwas blöde, Kinderband-Hinterhänd-Reim eingefallen ist. Dann ließ sich der Rest des Liedes superschnell runterschreiben, und dann hatten wir zwei Tage später dieses Lied. Das Cover und so, das war alles schon fertig, da haben wir gesagt: Nee, nochmal zurück! Wir wollen diesen Song noch mit draufpacken, und eigentlich ist das 'n geiler erster Song. Das war nicht geplant. Der ist superspontan entstanden. Den haben wir einfach so in letzter Minute noch mit draufgepackt.

Wie ich schrieb: Das Album braucht eigentlich kein Mensch. Leute, die euch kennen und Fan sind, die haben das doch schon alles.

Ja. Das stimmt. Deshalb haben wir auch in der Bewerbung des Albums peinlich genau drauf geachtet, dass wir nie sagen: "unser neues Album" oder so. Es gibt ganz oft bei unseren Konzerten Menschen, die zum ersten Mal ein Konzert von uns besuchen und danach fragen: "Also, bevor ich jetzt hier sechs CDs kaufen muss, habt ihr nicht so eine, wo so 'n bisschen was von allen drauf ist?" Bisher haben wir dann immer gesagt: Das könnt ihr ja streamen. Und jetzt dachten wir: Komm, zum Jubiläum machen wir das einfach mal. Weil da wirklich viele Leute danach gefragt haben. Aber du hast Recht und Lukas musste auch sehr lachen über den Satz, dass dieses Album eigentlich kein Mensch braucht. Weil die, die richtig dabei sind, die brauchen das tatsächlich nicht. Aber für jemanden, der uns vielleicht gerade neu entdeckt, ist das doch ein ganz netter Quereinstieg, und der kann dann im Frühjahr nächstes Jahr nahtlos ans neue Album anknüpfen.

Man hätte ja auch Versionen der Hits machen können, ein Remix-Album.

Das stimmt, das hätte uns aber zu sehr weggebracht von der Arbeit am neuen Album, in der wir schon knietief drinstecken. Weil gute Remixe ... Bei Remixen denk' ich immer an die Zeit, als ich noch Maxi-CDs gekauft hab', so für zwölf Mark oder so. Da hatte man dann den Hauptsong drauf, wegen dem man die Maxi gekauft hat, und dann waren da noch zwei Remixe drauf, die kein Schwein gebraucht hat. Das wäre 'ne künstlerisch zu große Aufgabe gewesen, das jetzt alles noch geil zu remixen.

Eigentlich hat man Maxis doch wegen der Instrumentals gekauft.

Genau, DAS war immer geil! Instrumental: immer super. Aber so diese Single-Remixe haben wir doch eigentlich nie gebraucht.

Für die eingefleischten Fans wär' ein Remix-Album vielleicht etwas Neues gewesen. Dann wäre aber nicht so aufgefallen, wie unglaublich gut diese Songs allesamt gealtert sind.

Das hat mich echt gefreut, dass du das geschrieben hast. Cool. Das ist ein sehr schönes Kompliment, das nehmen wir grinsend an.

Man kann das, wie es gemeint war, als Kompliment lesen. Oder, wenn man pienzig drauf ist, als den Vorwurf des künstlerischen Stillstands.

Ja, irgendwie ... könnte man auch so auslegen, ja. Klar. Wir merken auch schon, ohne das jetzt zu kalkuliert zu machen: Aber eigentlich haben wir die kompletten sechs Alben nach der gleichen Formel gemacht und tun das auch jetzt gerade wieder. (Lacht) Weil innerhalb dieser Formel so viel möglich ist, haben wir nie das Gefühl, uns da jetzt neu erfinden zu müssen. Wir machen genau da weiter, wo wir uns absolut wohl und zuhause fühlen. Wenn das manchmal wie Stillstand wirkt, ist das okay. Auf eine Art ist es das ja auch. Aber innerhalb dieses Stillstands ist verdammt viel los.

Da schwimmt sie davon, meine Hoffnung, dass als nächstes dieses Kasperle-Techno-Album kommt, von dem ich sicher bin, das es in euch steckt.

Wir machen bei jedem unserer zukünftigen Alben immer mindestens ein oder zwei Kasperle-Techno-Lieder, versprochen, bei denen wir dann auch immer explizit an dich denken.

Aaawww. Danke!

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Deine Freunde

"Wir wollen den Kids mit unseren Songs weder das ABC näher bringen noch das Zähneputzen erklären. Das sollen gefälligst andere tun." Deine Freunde …

Noch keine Kommentare