Porträt

laut.de-Biographie

Devlin

Als Kanye West auf seinem Blog eins seiner Videos postet, zählt James Devlin gerade zarte fünfzehn Lenze. Fünf Jahre später merken sie es auch bei der BBC: Der Mann aus Dagenham im Osten Londons zählt zu den Künstlern, denen der Sender zutraut, den "Sound of 2010" zu liefern. Vorschusslorbeeren, die bald mehr als gerechtfertigt erscheinen.

Devlin - The Devil In Aktuelles Album
Devlin The Devil In
Kleine Brötchen, große Wirkung.

Im März 2010 unterzeichnet Devlin einen Vertrag bei Island Records. "Von der Dachterrasse des Gebäudes hatte man einen herrlichen Blick", erinnert er sich im Interview mit dem Guardian. "Ich hab' da runtergeschaut und mir gedacht: Zur Hölle nochmal, du hast gerade beim gleichen Label unterschrieben wie Amy Winehouse, Gott schütze sie, und Bob Marley. Das ist ein Privileg. Jetzt wird es ernst."

Dabei sieht zunächst wenig nach einer Karriere im Showgeschäft aus. James Devlin kommt am 7. Mai 1989 in Dagenham zur Welt, einer der unterprivilegiertesten Gegenden ganz Englands. Wie viele Leute dort, lebt Familie Devlin in einer Sozialwohnung. Große Sprünge können sich die Eltern nicht leisten. Die Mutter ist bei der Gemeinde angestellt, der Vater fährt einen Gabelstapler.

Vielleicht entspringt der Ehrgeiz, der den Sohn umtreibt, bereits hier. "Mein Vater hat mir beigebracht, gar nicht erst zu spielen, wenn ich nicht gewinnen will", erklärt er. "Wenn ich das Gefühl habe, ich könnte nicht der Beste sein, könnte ich es genauso gut morgen bleiben lassen."

Das Gefühl, mit Worten der Beste sein zu können, macht sich schon während der Schulzeit breit. Wenn im Englischunterricht Gedichte auf dem Lehrplan stehen, spielt James mit den Zeilen herum. Wenig später schreibt er eigene. Erste Rap-Versuche unternimmt er unter dem Namen Devastation, bedient sich jedoch bald seines richtigen Nachnamens: Devlin.

Falls es überhaupt noch einer Initialzündung bedarf, liefert sie der Grime, den Künstler wie Sharky Major oder Wiley per Piratensender in den Londoner Äther schicken. "Der Sound klang finster und intensiv, und was sie darüber spitteten, machte mir klar: Jesus, das hier bedeutet mir wirklich etwas!"

Mit etlichen Gleichgesinnten schließt sich Devlin zu The Movement zusammen. Die Crew bringt es mit dem vielsagend betitelten "Tempo Specialists" immerhin auf eine gemeinsame Veröffentlichung. Außer um Tempo und Technik geht es Devlin allerdings immer auch um Inhalt. Er erzählt von den Dingen, die er in seiner Gegend tagtäglich sieht, vom Leben am Existenzminimum, alleinerziehenden Müttern, von den nicht enden wollenden Kämpfen der kleinen Leute.

Nahezu zwangsläufig bekommen Devlins Texte eine politische Dimension. Er formuliert scharfe Kritik an der konservativen Regierung und einem System, das die Schere zwischen Arm und Reich weit und weiter auseinanderklaffen lässt. Seine Unzufriedenheit und sein Zorn brechen sich immer wieder Bahn.

Vielleicht ganz gut, dass sich die Frau Mama einschaltet und ihrem Sohn rät, er solle doch nicht immer so schwarz sehen. "Sie sagte: 'Freu' dich mal, mach' einen fröhlichen Song!' Zum Glück hat sie das gesagt! 'London City' war mein Versuch eines fröhlichen Songs, und der hat mir einen Vertrag eingebracht", blickt er zurück. "Trotzdem liegen mir die düsteren Themen einfach mehr."

Mit seinem Debüt "Bud, Sweat & Beers", das Radio-Moderator Zane Lowe als "heißestes Album der Woche" preist, katapultiert sich Devlin in Großbritannien auf den Radar. Gleich die erste Single "Brainwashed" chartet, der Nachfolge-Track steigt noch höher in die Hitlisten ein. Auf seinem Album gastiert unter anderem Emeli Sandé. Anfang 2011 ist Devlin zusammen mit Jessie J auf der UK-Version ihres Hits "Price Tag" zu hören.

Tatsache, jetzt wird es ernst. Devlin wandelt sich vom Untergrund-Rapper zu einem, der im Mainstream ein und aus geht. "Ich habe niemals vergessen, wo ich herkomme, aber du musst das Spiel mitspielen", erklärt er gegenüber Digital Spy. "Du brauchst Singles, die auch tagsüber im Radio laufen, musst aber gleichzeitig sicherstellen, dass du weder deinen Sound verlierst noch deine Seele verkaufst."

Der Erfolg bietet ihm neue Möglichkeiten: "Ich wollte ein Album erschaffen, das beinahe auch ein Film-Score sein könnte", so Devlin. "Ich wollte Bilder mit Worten malen. Mein Leben in den letzten drei Jahren glich einem verdammten Film - von den Anfängen in Dagenham, als ich nicht einmal genug Geld für Zigaretten hatte, zu Touren und Kollaborationen mit Superstars. Ich habe versucht, all das einzufangen." Eine tatsächliche Kino-Rolle übernimmt er in dieser Zeit auch: Devlin spielt zusammen mit Skepta im Streifen "Anti-Social" mit.

"The Moving Picture" erscheint, etwas später als ursprünglich geplant, im Februar 2013. Diesmal mit von der Partie: Katy B und Ed Sheeran. Die Kritiken fallen jedoch gemischt aus. Vielen Fans aus Devlins Anfangstagen erscheint seine Musik inzwischen weichgespült, zu angepasst und voller Zugeständnisse an den Geschmack der breiten Masse.

Ob es an derlei Rügen liegt, am anstrengenden Lebensstil oder ob doch etwas ganz anderes den Ausschlag gab? So oder so zieht sich Devlin nach "The Moving Picture" aus dem Rampenlicht zurück. Er habe sich körperlich wie künstlerisch ausgebrannt gefühlt, erklärt er später, habe eine Auszeit gebraucht.

Über Monate hinweg lässt Devlin nichts von sich hören oder sehen - bis zum Frühjahr 2015. Mit einem Überraschungsauftritt beim Boiler Room-Set der Kollegen Kano und Ghetts meldet sich Devlin wortgewaltig wie eh und je zurück. Das frisch wieder entfachte Feuer treibt ihn zusammen mit seinen Produzenten-Kumpels Term und Ratchet ins Studio, wo wie von selbst ein neues Album entsteht.

Devlins Rezept - alles Überflüssige wegstreichen, sich auf das Wesentliche besinnen - erscheint wie ein harter Kontrast zum größenwahnsinnigen Ansatz des Vorgänger-Albums, zugleich aber auch wie seine logische Fortsetzung. Nur konsequent, dass diese Platte, wie früher, independent erscheint, ohne Rückendeckung eines Majorlabels, dafür aber auch frei von allen Erwartungen und Zwängen.

"Ich habe Texte geschrieben, seit ich 13 war, jeden Tag", erklärt Devlin seine Auszeit. "Als ich angefangen habe, an mir selbst zu zweifeln, hat das den Ausschlag gegeben. Einen Schritt zurück zu treten war das Beste, das ich für mich selbst tun konnte. Ich wollte mir in Ruhe ansehen, was eigentlich los ist, mir einige Dinge durch den Kopf gehen lassen und ein bisschen leben."

Ein Kreis hat sich für Devlin ohnehin schon geschlossen, als er mit Wiley auf einem Track auf dessen Album "Godfather" kooperiert: "Ich bin mit Wiley aufgewachsen, habe eine Menge von ihm auf Rinse FM gehört, damals. Er war einfach schon immer dabei, von Anfang an." Wenn so jemand einen selbst als Lieblings-MC und "a grime treasure" feiert - was will man danach noch erreichen?

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