laut.de-Biographie
Dool
Dool – hinter diesem Namen versteckt sich nicht etwa eine fränkische Tool-Coverband, sondern ein Quintett aus den Niederlanden, das höchst ansprechende Eigenkompositionen vorzuweisen hat. Zumindest die grobe Kategorisierung als Progressive Metal haben sie zwar mit ihren großen Namensverwandten gemein, im tatsächlichen Soundbild unterscheiden sich die beiden dann aber doch teils gravierend.
Zum einen wäre da Raven van Dorst, vormals auch bekannt als Elle Bandita, am Mikrofon und der ersten von drei Gitarren. Die Rhythmusfraktion wirbelte in der Okkultrockszene bereits zuvor einigen Staub auf, als sie unter Selim und Farida Lemouchi bei The Devil's Blood diente: Job van de Zande am Bass und Micha Haring am Schlagzeug. Weitere Gitarrenpflichten übernehmen Nick Polak (ex-GGGOLDDD) und Reinier Vermeulen und komplettieren somit das Line-Up.
Bereits knapp ein Jahr vor Erscheinen der Debüt-LP "Here Now, There Then" im Februar 2017 erhalten Dool die Einladung aufs Roadburn Festival. Ein Deal beim Qualitätsschuppen Prophecy steht ebenfalls zu Buche. So hat die Band schon auf dem Papier beste Chancen, die Underground-Szene von sich zu überzeugen.
Musikalisch stellt das ohnehin kein Problem dar. Die exquisite Mischung der Truppe holt Katatonia-Fans ebenso ab wie die Avatariums, The 69 Eyes' und Freunde düsterer Psychedelia.
Die Band selbst zählt Sisters Of Mercy sowie Sonic Youth zu ihren Einflüsse. "Beizeiten sinnlich und neckend – wie ein Kinderschänder mit einer Tüte Süßigkeiten auf dem Spielplatz. Andernorts imposant und unheilverkündend. Genauso aggressiv wie dynamisch", heißt es anfangs auf der Website.
Ein allgegenwärtiger, okkult-spiritueller Gothic-Vibe umgibt die Stücke, die mal mit drückenden Heavy-/Doom-Rock-Riffs, mal mit poppigen Hooks aufwarten. Dool präsentieren sich sowohl anspruchsvoll durchdacht als auch einschmeichelnd zugänglich.
"'Here Now, There Then' dreht sich um Träumen, um Ziele und um Willen. Das Album will Grenzen und Verhaltensmuster durchbrechen und gleichzeitig Stigmata zerstören", sagt van Dorst. "Es ist ein Mantra für jeden, der es braucht, und jeder kann es in der Art und Weise nutzen, wie er möchte. Es ist das Schattenland zwischen Fantasie und Realität. Ein Märchen vor konkretem Hintergrund."
Bei den Metal Hammer Awards gewinnen Dool den Preis fürs beste Debütalbum des Jahres, schweißtreibende Headliner-Clubshows und Auftritte bei wichtigen Genrefestivals wie Wacken, Graspop und Full Force festigen den Status und mit dem Nachfolgewerk "Summerland" (2020) landen Dool plötzlich schon erste Magazincover und entern die Top 10 der deutschen Albumcharts. Inzwischen hat Omar Iskandr Reinier Vermeulen an der Gitarre ersetzt und die Band schwelgt unter Anleitung van Dorsts des Öfteren in von Livejams inspirierten Drei-Gitarren-Arrangements.
Konzeptuell widmen sich Dool der 'Raumlosigkeit' bzw. van Dorsts Vorstellung eines Lebens nach dem Tod. Der Begriff 'Summerland' stammt aus Richard Mathesons Buch "What Dreams May Come". "Es ist das Heraufbeschwören des Jenseits in die Realität", erklärt van Dorst. "Ich überlegte, was himmlisch für mich ist, was Summerland für mich ist. Man kann versuchen es durch Sex, Orgasmen, Drogen, Meditation heraufbeschwören. Wie kommst du jetzt an einen so ekstatischen Punkt, wie du dir das Jenseits vorstellst? Ich denke das ist eine gute Lebensmaxime."
"Summerland" erscheint pünktlich zum ersten größeren Covid-19-Lockdown, weshalb Touring zum Album zunächst außer Frage steht. "Da ich Musik vor allem mache, um live aufzutreten, setzte mir das schwer zu. Ich verfiel in kreative Depression", schildert van Dorst die Konsequenzen. Letztlich ergibt sich aus der Situation dennoch etwas Positives, denn notgedrungen ändern Dool in der Folge ihre Arbeitsweise. "Sonst kam immer ich mit einigen Songs an und trommelte alle im Proberaum zusammen", erklärt van Dorst. "Diesmal war es umgekehrt. Nick und Omar wollten, dass ich mir ihre Riffs anhöre, Vocalparts dazu baue, meine Gitarre wieder raushole. Sie zogen mich aus diesem Loch. Gemeinsam zu schreiben war für mich eine völlig neue, gute Erfahrung. Und da wir nun schon recht lange zusammen spielen, verstehen alle das grundsätzliche Feeling von Dool."
Das Ergebnis dieser Sessions erscheint im April 2024 unter dem Titel "The Shape Of Fluidity" – produziert von Cult Of Lunas Magnus Lindberg, der zuvor schon das Mastering für das Livealbum "Visions Of Summerland" übernommen hatte. Am Schlagzeug sitzt inzwischen Vincent Kreyder.
Van Dorst thematisiert auf "The Shape Of Fluidity" erstmals im Rahmen der Band die eigene Intersexualität und findet für sich im Titel der Leadsingle die Selbstbezeichnung "Hermagorgon": "Es geht um mein Geburtsrecht, meine Identität. Als Baby sahen die Ärzte in mir ein kleines Monster und wollten aus mir eine Eva machen. Das hat offensichtlich nicht funktioniert. Ich dachte mir: Wenn ihr in mir ein Monster seht, lasst mich dieses Monster sein. Ich bin nicht Adam und nicht Eva – im Garten Eden bin ich die verdammte Schlange!"
Fürs Albumcover entwerfen Dool gemeinsam mit dem Künstler Metastazis eine zum textlichen Konzept passende Flagge aus Eis – "für Personen, die sich noch verändern, die suchen, die wandern."