laut.de-Biographie
Emile Haynie
Emile Haynie lebt im Keller seiner Mutter und bastelt Hip Hop-Beats. Hin und wieder produziert er Tracks für kleine New Yorker Artists, die mehr oder weniger zuverlässig den Weg an die Öffentlichkeit finden, Eminem ist sein größter Held und seine Beat-Alben drückt er jedem Rapper in die Hand, der nicht schnell genug die Flucht ergreift.
So gelangt auch Proof an eine Kopie, als Emile eines seiner Konzerte besucht - und Eminem rückt für den jungen Produzenten aus Buffalo, New York plötzlich in greifbare Nähe. "Schwing dich ins Flugzeug und komm nach Detroit. Sofort", so Proof, nachdem er sich zu Gemüte führt, was der junge weiße Produzent ihm da in die Hand gedrückt hat. Er arbeitet gerade an einem Album und kann die Unterstützung Haynies gebrauchen. Für Emile öffnet sich auf seinem Trip nach Detroit das Himmelstor: Obie Trice sitzt mit großen Augen vor der Stereoanlage, drinnen liegt Emiles CD. Proof und Obie nehmen ihn mit ins Studio - da wiederum sitzt Marshall Mathers höchstselbst und überarbeitet gerade einen von Haynies Beats. Obie Trice nutzt viele dieser Kollaborationen später für sein Album "Cheers". Von dem Moment an ist Eminem nicht mehr nur ein Held, sondern auch ein Kollege. "Der Beat von mir war eine 6.5, aber was Eminem draus gemacht hat, war eine zehn", erinnert sich Haynie später.
Es ist auch Eminem, der Haynie sieben Jahre später zum Grammy-Preisträger macht. 2010 gewinnt "Recovery" in der Kategorie Bestes Hip Hop Album. Haynie ist einer der wenigen Künstler außer Dr. Dre und Eminem selbst, der Beats beisteuert. Dazwischen passiert Geschichte: er produziert für Proofs Album "Searching For Jerry Garcia" und feiert Thanksgiving mit ihm. Auch Ghostface Killah gelangt über Ecken an einen Beat. The Roots bedienen sich seinr Künste, Snoop Dogg und Ice Cube klopfen ebenfalls an.
Haynie mäandert durch die Rapszene, entdeckt 2007 auf MySpace Kid Cudi und verschafft dem jungen Rapper Auftrieb. Über gemeinsame Labelbekannte bekommt er 2009 die Chance, einen Remix zu einem Motown-Tribute-Album für Michael Jackson beizusteuern. Die Faszination für die alten Jackson 5-Stücke ist größer als seine Zweifel, eines solchen Unterfangens würdig zu sein. Wegen der Gitarrensounds entscheidet er sich für "Maria (You Were The only One)". Auch ist es Kid Cudi, der Haynies Arbeit RZA vorstellt. "Your swords are sharp", so dessen epischer Kommentar. Zu der Zeit arbeiten sie auf Hawaii in Kanye Wests Studios an "Man On The Moon II: The Legend Of Mr. Rager". Dieser tüftelt gleichzeitig an "My Beautiful Dark Twisted Fantasy". Haynie spinnt sein Netz weiter und zeichnet für "Runaway" verantwortlich.
Die Tür ins Pop-Business ist längst offen. So ist es ein gemeinsamer Bekannter, der Haynie auf Lana Del Rey aufmerksam macht. Die klare Vision ihrer Kunst beeindruckt ihn. Er produziert nach "Blue Jeans" ihr gesamtes Debüt. "I think it's gonna be the shit", prophezeit er - und behält recht.
Nach einem kreativen Bruch mit Kid Cudi wendet er sich immer mehr vom Hip Hop ab: Die Indierocker von Fun. erhalten seine Unterstützung, "Some Nights" dafür Platinstatus, Bruno Mars kann Haynie für "Locked Out Of Heaven" danken. 2012 ist ein starkes Jahr für ihn.
Es ist eine private Trennung, die Haynie mitten in den Aufnahmen zu Del Reys zweiten Album "Ultraviolence" aus der Bahn wirft. Er zieht sich zurück ins sonnige L.A. und verschwindet für ein Jahr aus dem Rampenlicht, um seinen Schmerz in sein erstes eigenes Album zu gießen. Ein Hotelzimmer im Promi-Hotel Chateau Mormant wird kurzerhand ein Studio. Lana Del Rey, Nate Ruess (Fun.) oder Charlotte Gainsbourg kommen zum musikalischen Trösten vorbei, Florence Welch hüpft in Yogakleidung ins Zimmer und singt zwischen Sonnengruß und Baum fix Backgroundvocals ein. In diesem fluktuativen Umfeld entsteht "We Fall". Es scheint nur logisch, dass das Album so ein bunter Mix aus Folkpop, 60s-Vibe und kalifornischer Sonne wird, obwohl Haynes Wurzeln doch eigentlich woanders liegen.
Aber Emile Haynie hat keine festgezurrte Richtung, in die er steuert. Er liebt Musik in all ihren Formen und Farben. "Er hat diese Sammler-Mentalität", so Produzenten-Kollege Mark Ronson zum Complex Magazin, "er würde nächtelang das Internet nach seltenen japanischen Songs durchforsten, weil er einen zweisekündigen Drum Break sucht. Seine Bibliothek zu durchstöbern ist wie Weihnachten für mich. Er inspiriert mich." Wohin es den vielseitigen Produzenten, der inzwischen sicher bei seiner Mutter ausgezogen ist, auch treibt: Haynie ist verantwortlich für einige der größten Hits von fast zwei Dekaden - und das nicht nur im Rapgeschehen.
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