laut.de-Kritik
Wenn Phönix gar nicht auferstehen will ...
Review von Yan VogelBandkopf Tom Englund übt sich auf der neuen Scheibe seiner Band Evergrey in der Kunst der Reduktion. Nach der Album-übergreifenden, überbordenden Konzept-Trilogie gipfelnd in "The Atlantic" setzt er nun auf schnörkellose Songs, die für sich stehen. Komplex fällt das Ganze trotzdem aus, firmiert die Chose weiterhin zurecht unter dem Banner Progressive Metal. Einige moderne Anleihen in Punkto Riffs und Synths steigern die Anbindung der elf Songs an den Zeitgeist.
Die Tracks sind kürzer und kompakter. Die Corona-Zwangspause in Punkto Live-Shows nutzte das Quintett zum reflektierten Feinschliff. Selbst eine epische Nummer wie das Duett in "The Beyolder" mit Dream Theater-Sänger James LaBrie, der im melodisch fantastischen C-Teil mitmischt, geht noch unter sechs Minuten ins Ziel.
"Run" verfügt über einen hohen Hardrock-Faktor mit den cheesy Keys und dem melodienseligen Arrangement. Neben den flotten Heandbangern wie der ersten Single Forever Outsider oder dem Titeltrack bestechen auf der Platte insbesondere die Zwischentöne. "In Absence Of Sun" referiert die epischen Momente, wie sie Symphony X in "Paradise Lost" für das Genre perfektioniert haben.
"You From You" spendiert ein paar ohrenschmeichelnde Piano-Tupfer und flirtet mit einem poppigen Arrangement, das etwa auch Avantasia auf ihren Single-Edits seit "Lost In Space" zelebrieren. Mit "Leaden Saint" findet sich gar eine Verbeugung vor Nevermore auf "Escape Of The Phoenix".
Der Albumtitel spielt auf die bekannte Redewendung wie Phönix aus der Asche an. Neben dem Vergehen und Werden in seiner zyklischen Abfolge bringt Englund in seinen Lyrics eine weitere Lesart ins Spiel: Über die Auferstehung des Phönix zu sprechen, hatte bei ihm ein Gedankenspiel ausgelöst, verrät Englund. "Was wäre, wenn der Vogel gar nicht auferstehen will? Was wäre, wenn er nicht zurückkommen will? Das ähnelt bestimmten Situationen im Leben; manchmal hat man es satt aufzustehen und stark zu sein. Ich denke, das ist der zentrale Gedanke."
Den Schweden den Vorwurf zu machen, sie gehen auf ihrem zwölften Album auf Nummer sicher, klammert die spielerische Klasse und den kompositorischen Weitblick aus. Gerade weil die neue Platte der Strenge einer Geschichte entsagt, entledigt die Formation sich einiger Fesseln und lässt mit die einprägsamsten Stücke in der Bandhistorie vom Stapel.
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