21. Dezember 2017
"Hip Hop ist doch ein Tanz!"
Interview geführt von Jeremias HeppelerDer verlorene Sohn kehrt zurück: Figub Brazlevic gehört heute zweifelsohne zu Deutschlands versiertesten Beatmakern, ein Arbeitstier, das zuletzt komplette Platten für Kollegah und MC René produzierte.
Aufgewachsen ist Figub im schwäbischen Tuttlingen, das sich gerne als Welthauptstadt der Medizintechnik bezeichnet. Nicht unbedingt das Umfeld für eine durch und durch urbane Kultur wie Hip Hop ... Ende Juli spielte Figub, der mittlerweile von Berlin aus operiert, einen Gig in seiner alten Heimat. Direkt am Skatepark, wo er einst unendliche Stunden verbrachte und mit seinen ersten Weggefährten, die ihn einst aus seiner ersten Crew warfen. Beim Interview kämpft Figub mit angriffslustigen Wespen und kommt schon bald ins Reden: Über seine Anfänge, Skateboarden, seine Arbeitsmentalität und seinen ganz spezifischen Sound.
Wie bist du hier in Süddeutschland mit Hip Hop kollidiert?
Es gibt zwei Kontexte: Meine besten Freunde hatten das schon gemacht und ich hatte zur gleichen Zeit angefangen, zu breaken und wir haben so Windmills und so probiert. Und irgendwie kam das dann zusammen – da waren wir 13 oder so. Für mich war der Hauptbezug, dass ich über meine Familie ein Verhältnis zum Jugoslawienkrieg und den Flüchtlingen hatte. Und die hatten halt Tapes, da war Dr Dre und Snoop dabei, aber auch Cypress Hill. Ja, bei den ersten Hausparty hat man viel Cypress Hill gehört. Speziell das "Temple Of Boom"-Album hat mich dann mit Leuten zusammengebracht wie Oliver Buscapé, der hatte damals schon so Turntables. Die haben sich halt damals gedisst, so Cousin-mäßig, mit Technobeats. Oder so ein Nachbar von mir, den kannte ich gar nicht so gut, aber der hat sich halt Hosen genäht. Die Hosen waren halt ultra breit. Und so Sachen halt. Und irgendwie haben wir, ohne es zu wissen, halt Dinge gemacht, die unglaublich reif waren – zu einer Zeit, zu der Hip Hop noch total jung war. Und alles was ich heute mache hat sich seit damals eigentlich nicht verändert. Die Einstellung, die Attitüde war damals schon dieselbe wie sie heute ist. Aber das Verständnis und viel mehr zu lernen und zu verstehen über die Hip Hop-Geschichte, das kam mit der Zeit.
Wann hast du gemerkt, dass das Hip Hop-Ding genau deine Kultur ist?
Ab Sekunde eins, als ich den ersten Beat damals für Olli gemacht hab, meinte er: Das ist genau das, was ich will. Und er hat mich auch rappen lassen. Und kurz davor, da waren wir hier in der Tuttlinger Festhalle. Und wir sind halt auf die Bühne und er hat zwei Songs gespielt. Aber ich hatte nichts im Kopf, ich hab einfach irgendwas gesagt. "Yeah!" oder so. Aber ich war dabei und ich hab mich cool gefühlt. Und ich hatte damals so ne Yankees-College-Jacke an. Das war schon voll Hip Hop. Das kann man sich gar nicht mehr so vorstellen, heute wachsen die Kids damit auf. Als ich in der Schule erzählt hab: "Ich mach Hip Hop!" Da haben die alle um geschaut und gefragt: "Hä? Das ist doch ein Tanz." Die hatten alle keine Ahnung.
Wir sitzen jetzt hier in Tuttlingen, sonniger Tag, schöner Park – das sieht nicht wie die typische Rap-Ursuppe aus?
Tuttlingen war schon immer ein hartes Pflaster für komische Sachen, das muss man echt sagen. Auch durch den massiven Ausländeranteil. Das ist schwer zu verstehen, wenn man so eine kleine Stadt sieht und wie schön es hier ist. In den 90er Jahren war es hier nicht so schön. Es sah aus wie scheiße. Ich hatte das Glück, ne gute Schulausbildung zu bekommen und super Eltern zu haben. Aber ich hatte trotzdem viel zu bemängeln, und dann geht es gar nicht darum, wo du bist, sondern wie es dir selbst geht und wie du das verarbeitest. Ich hatte keinen Führerschein, ich war Kiffer, ich hatte hier in der Gegend nichts zu suchen. Allein von der Mentalität her. Das war wirklich hart schwer. Ich komm jetzt nicht aus dem Ghetto, im Gegenteil, aber es ist echt schwer, wenn du weißt, dass die Eltern von allen Nachbarskindern und Freunden eigentlich nicht wollen, dass sie mit dir zu tun haben. Ich war hier ein Problemkind. Ich bin voll oft sitzen geblieben, ich kenn den halben Landkreis, weil ich überall auf den Schulen war. Da war es gut, wenn man Dinge machen konnten. Wir haben Breakdance-Workshops gemacht. Ey, wir haben die Kultur gelebt. Ich war immer draußen und klar haben wir viel Mist gebaut. Und Graffiti-mäßig war es halt auch hardcore-schwer hier, die Polizei kannte halt von jedem den Namen. Wie oft wurde ich angehalten und die Polizei nennt mich beim Vornamen. "Hallo Mario, wie geht's? Haben wir Dosen im Rucksack? Oder Marihuana?" Und klar, die meinen das so ein bisschen ironisch, aber das ist so ein bestimmtes Bild, das man von dir hat. Man sieht, ich hab die Mütze schräg und ich hatte die damals schon schräg. Und das hat gereicht.
"Ich war da Vorreiter, ich mach heute noch Mucke am PC."
Bist du zu dem Zeitpunkt zum Hip Hop-Nerd geworden?
Das Gute damals war: Wenn du einen mit Skateschuhen gesehen hast, dann wusstest du, dass der cool ist. Es gab hier niemand, der die Schuhe anhatte und nichts mit der Jugendkultur zu tun hatte. Vielleicht ist das auch der Grund, warum so viele sich die Zeit zurück wünschen mit dieser Einstellung: "Ich muss es finden. Es ist meins." Und nicht jeder hat es zuvor zigfach geposted! Aber ja, es gab halt einfach ne Menge Leute hier, auch im Bodenseeraum. Später hab ich Pitvalid kennengelernt. Und andere Beatmaker. Irgendwann bin ich dann ins Ausland und hab viel in der Schweiz und Österreich gemacht und so hat das dann alles seine Kreise gezogen. Was aber der Unterschied bei mir ist und was mich von ganz klassischen Hardcore-Nerd auf Hip Hop unterscheidet: Ich bin jemand, der so ist und so denkt. Aber ich hab halt noch das Skateboarding als zweite und ganz massive Grundsäule. Und durch das Skateboarden hab ich dann immer andere Leute und eine andere Szene kennengelernt. Das hat mir sehr geholfen. Alles was ich in einer Stadt seh, ist für mich bis heute ein Skatespot. Das ist einfach drin. Die 2000er waren dann aber eher so ne komische Zeit mit den ganzen Jamba-Klingeltönen. Erinnere dich mal, was das für eine Zeit war. Eine dreckige Zeit. Ich bin mir treu geblieben. Ich geh mit der Zeit, aber ich versuch auch zeitlos zu bleiben.
Ab wann hast du das Ganze dann professioneller verfolgt?
Wenn ich dir Sachen zeige von damals, wirst du überrascht sein, was für ne Überzeugung das damals schon hatte. Das war nicht irgendjemand, der halt mal Beats baut. "Das hast du damals gemacht?", wirst du sagen! Ab 15 hab ich die Bangerbeats gebaut. Aber Leute haben dir immer das Gefühl gegeben, dass es whack ist, wenn du keinen Drumcomputer hast, sondern am PC arbeitest. Weil das war so technomäßig. Ich war da Vorreiter, ich mach heute noch Mucke am PC. Ich hab zwar Drumcomputer daheim, aber ich damit noch nie Beats gebaut. Richtig professionell wurde es dann ab dem Moment, als ich halt wirklich das Gefühl hatte, ich will das halt machen. Ich wunder mich eigentlich nur, warum ich das nicht früher gemacht hab. Aber das liegt halt daran, dass ich mir nicht sicher war. Und jetzt wo es passiert ist, ist es mir dann wie Schuppen von den Augen gefallen. Aber scheiß drauf, ich hab mir das immer gewünscht! Klar jetzt bin ich 34 und vielleicht wäre es mit 24 geiler. Scheiß drauf! Ich bin aktuell gerade auf Platz 2 der Albumcharts mit Kollegah. Das Album ist von mir, komplett! Ich freu mich da einfach auch.
"Aber warte mal, was jetzt noch alles kommt."
Du bist ohnehin gefühlt überall – Kollegah, Mc Rene, Arte, Soundtrack zur Doku "Wenn der Vorhang fällt" ... Mittlerweile steht dein Name auf Plattencovern und Festival-Lineups – als Producer. Wie geht das?
Aber warte mal, was jetzt noch alles kommt. Das geht jetzt erst los. Ich bin nur am arbeiten, ich bin gierig. Weil ich es wirklich will! Darum mach voll viele unterschiedliche Sachen: Ich war ja jetzt auch auf Tour mit Christmaz, Blubbermouth und Technikal Development. Ich bring drei englischsprachige MCs aus ganz Europa auf eine Tour. So Sachen will ich machen. Ich will mich da einfach auch hinbringen, das ich so irgendwo steh. Ich erarbeite mir das ja auch. Ich habe über die Jahre aber auch viele Sachen verpeilt. Ich hätte mit Cro arbeiten können, als das erste Album "Raop" kam. Jetzt hab ich gerade so einen Ehrgeiz, den ich so noch nie gespürt habe. Und einerseits finde ich das gut, aber andererseits nervt mich das auch. Weil man imaginär eben immer über Klickzahlen und so weiter nachdenkt. Man ist halt ständig damit beschäftigt und man kann halt kaum aus sich raus. Ich hab ja auch noch ein Label mit Krekpek und mach die Veranstaltungsreihe EASTWESTSESSION. Eigentlich ist das verrückt, wenn ich das so seh und ich freu mich und ich finds geil. Andererseits sag ich mir: Woah, digger, konzentrier dich mal auf eine Sache. Aber ne, eigentlich auch nicht. Ich mach eh alles und komm da nicht drumrum.
Woher kommen die ganzen Kontakte?
Weil ich ich bin. Olexesh war das erste Mal in Berlin bei mir in der Bude. Ich hab da irgendwie auch ein Gespür dafür. Schau dir mal die "Ersatzverkehr" an, wer da alles drauf war und wie die sich alle entwickelt haben seither. Siehe Plusmacher. Siehe Döll. Siehe Schwesta Ewa und vor allem Ssio. Ich bin mit so vielen Menschen vernetzt und connected und freu mich, wenn die sich dann so entwickeln.
Dein Sound funktioniert sowohl bei jemand wie Olexesh aber auch bei einem Nico Suave. Warum?
Weil ich das so will. Weil ich mir sage, ich mag unkonventionelle Sachen. Und oft geht es nicht um Inhalte. Sondern das ich auf die Phonetik höre oder wie derjenige auf meinen Beat klingt. Und vielleicht werde ich komisch beäugt in der Rapszene, für so ein Ding mit Kollegah. Weil ich noch nichts so richtig mit eloQuent gemacht hab. Oder mit Hiob. Mit all den Mcs, die eigentlich für so nen Sound stehen. Ne, ich mach hier mein Teil und die Leute wissen, was sie von mir kriegen. Und ich finds ja auch geil, weil es heißt, dass die Leute Hip Hop immer noch mögen. Ich versuche nicht Pete Rock oder Premo und so zu kopieren, ich versuche einfach, das was die Jungs damals gemacht haben, weiterzutragen und zu transportieren. Die Ästhetik des Mischens. Da geht's um Flavour. Um Vibe. Um das Gefühl sich auszukoppeln. Da geht's mehr um Sounddesign als um eine spezielle Boom Bap-Haltung. Mir persönlich ist es einfach wichtig, dass die Musik einfach fucking zeitlos ist. Die Musik braucht ne Attitude. Dass die Drums so gesetzt sind, als würden sie dir eine geben. Als würden sie so High Noon mäßig da stehen wie zwei Cowboys, die sich so beäugen. Das ist es doch. Hip Hop kommt vom Cowboy-Sein. Und das in Beats, das find ich geil. Ich versuche in alle Richtungen zu gehen und versuche die Leute mit guten Sounds und ner gewissen Handschrift zu infizieren. Ich mach halt auch bewusst mein Maul auf und mach nicht das, was alle von mir erwarten würden.
Wie stehst du aktuell zu massiven Hypes wie Trap oder Afro-Trap?
Es nervt mich halt, dass überall das Gleiche ist. Die Leute sind alle auch null kreativ. Ist ja cool, dass das alle feiern. Und die Leute sind gut drauf. Aber sorry, das Ding ist halt played out. Und das alle Leute, die jahrelang für was anderes stehen auf den Zug aufspringen und noch ne schlechte Version davon machen, das ist so ne Sache. Erst fand ichs whack. Dann fand ichs richtig whack. Jetzt freunde ich mich langsam damit an, auch weil es natürlich ne Weiterentwicklung gibt. Wenn ich mir die John Known Sachen anhör, der hat jetzt so nen Song rausgebracht "Johns Blues", der beginnt so mit einem Boom Bap Ding und dann wechselt der Beat plötzlich und es geht in so einen Cloud-Trap-Ding über. Das ist cool. Aber es ist mir egal. Ich mach was ich mach. Wenn ich ein Trap-Album machen würde, dann wäre mein Anspruch so hoch, dass ich das Genre zerficken möchte. Aber das wäre einfach weird. Und dann müsste man auch weitermachen und wenn man einmal drin ist, dann muss man das auch durchziehen. Ich versuch einfach, dass ich meinen Beitrag leisten kann, für die Kultur allgemein. Darum mach ich jeden Scheiß. Wenn der Trap da rein passt mit der Attitüde, dann passt das.
2 Kommentare mit einer Antwort
"Beat Rock" - ernsthaft?!? Korrigiert das mal!
Haha, dieser Beat hat echt den Beat!
Die Rapper mit denen er auf Tour war heißen auch BlabberMouf und Teknical Development.