laut.de-Kritik

Es scheppert und kracht, als gäbe es kein Morgen.

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Mit einer an Intensität kaum noch zu überbietenden Mixtur aus wummerndem Post-Rock und bretthartem Jutebeutel-Hardcore setzen sich Fjørt kurz vor Jahresende die nationale Hartholz-Krone auf. "Couleur" ist ein in Sound gegossener Koloss, der sich fluchend und flehend durch den Alltag schleppt. Dabei reißt er alles nieder was ihm in die Quere kommt. Egal ob braune ("Raison") oder rosafarbene ("Windschief") Mauern: Der dritte Studio-Godzilla aus Aachen macht jedes Hindernis dem Erdboden gleich.

"Rückwärts war nie vorgesehen", keift Shouter Chris Hell im Einsteiger "Südwärts". Den Blick geradeaus und die geballten Fäuste links und rechts wild schwingend, positioniert sich der Sänger und Gitarrist im Rampenlicht. Er habe 1933 Gründe schwarz zu sehen und sei bereit, eigenes Fleisch zu opfern, um anderswo Wunden zu schließen, so der Mann mit dem düsteren Nachnamen, der im Verbund mit seinen beiden Mitstreitern David Frings und Frank Schobhaus alles aus sich herausholt.

Was sie auf "D'Accord" und "Kontakt" angefangen haben, perfektionieren sie auf "Couleur". Die Drums, der Bass, die unfassbar fetten Gitarrenwände: Das komplette Fjørt-Paket platzt im Spätherbst 2017 hörbar aus allen Nähten. Vom ersten bis zum letzten Akkord scheppert und knallt es, als gäbe es kein Morgen.

Irgendwo zwischen der verzerrten Wucht der Deftones, der Spielfreude aus dem Hause The Hirsch Effekt und Gift und Galle spuckendem Frau Potz-Gekeife jagen Fjørt den Puls eines jeden Post-Core-Anhängers auf 180. Die drei Aachener kotzen sich aus. Über die Welt, den braunen Nachbarn und das Chaos in den eigenen vier Wänden. Und das bisweilen so intensiv, dass man vom Repeat-Button gar nicht mehr loskommt.

Schlussendlich sitzt man völlig geflasht vor den heimischen Boxen. In den Gehörgängen ziehen zarte Synthie-Loops ihre Kreise ("Eden"). Weiter unten in der Magengegend rumoren noch die Nachwirkungen von sphärischem Bombast ("Magnifique") und purer Energie ("Windschief"). Man braucht eigentlich schon nach dem ersten Durchlauf eine längere Pause. Das Dumme ist nur, dass Kopf und Herz dagegen sind. Ergo: Alles nochmal auf Anfang. Lust und Schmerz in Perfektion. Vielen Dank, die Herren!

Trackliste

  1. 1. Südwärts
  2. 2. Couleur
  3. 3. Eden
  4. 4. Mitnichten
  5. 5. Raison
  6. 6. Windschief
  7. 7. Fingerbreit
  8. 8. Magnifique
  9. 9. Bastion
  10. 10. Zutage
  11. 11. Karat

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