22. April 2022

"Wir haben einen Tapetenwechsel gebraucht"

Interview geführt von

Seit ihrer Bandgründung vor sechs Jahren haben Fontaines D.C. eine Menge durchgemacht. Ihr Debüt "Dogrel" wurde überall bejubelt, es folgten Auftritte beim Glastonbury Festival und ausgedehnte Touren über den Erdball.

Der Nachfolger "A Hero's Death" katapultierte Fontaines D.C. ins internationale Rampenlicht. Das Album wurde unter anderem für einen Grammy nominiert, der aber letzendlich an die Strokes ging. Gerade haben die Iren ihr neues Album "Skinty Fia" veröffentlicht.

Es dauert eine Weile, bis Fontaines-Gitarrist Conor Curley der Videokonferenz beitritt. Schlechte Internetverbindung in Zürich, da wünscht man sich um so mehr die Prä-Coronazeit zurück. Unser Interview ist geprägt von technischen Aussetzern und Störungen, was die Gesprächszeit leider etwas zusammenschrumpft.

Hallo Conor. Wie entstehen eure Songs? Wie kann man sich das Songwriting vorstellen?

Es ist normalerweise eine Mischung aus vielen verschiedenen Sachen. Bei diesem Album war vieles anders, weil wir alle schon eine Menge Demos unabhängig voneinander geschrieben haben. Da ging es dann einfach darum, diese Ideen umzusetzen und das Arrangement zwischen uns fünf abzustecken. Manche Songs sind aber auch bei Jam Sessions entstanden. Grian [Chatten, Sänger der Band] schreibt so ziemlich alle unsere Lyrics. "Big Shot" hat Carlos [O'Connell, Gitarrist] geschrieben.

War es schwierig euch zu einigen, welche Songs auf dem Album landen?

Ja schon, aber das gab es bei uns ab einem gewissen Punkt eigentlich immer. Jeder hat ja so seine eigene Vorstellung, welche Songs gut auf das Album passen. Es ging gar nicht so sehr darum, die Songs auszuwählen, sondern eher darum, einen guten Flow und eine gute Gesamtspiellänge für das Album zu finden.

In einem Interview meintet ihr, dass ihr bei "A Hero's Death" die hohen Erwartungen an das zweite Album vermeiden wolltet. Wie war es jetzt mit "Skinty Fia"?

Weißt du, wir haben uns mit der Zeit einfach mehr an diese Erwartungshaltung gewöhnt. Wir machen ja jetzt auch schon seit einigen Jahren Musik, da wird man einfach selbstbewusster. Außerdem sind wir sehr stolz darauf, wie das neue Album geworden ist.

"Wir lieben Irland, trotz seiner vielen Probleme."

Ihr seid mittlerweile fast alle von Irland nach England gezogen. Was bedeutet es für dich, als Ire in London zu wohnen?

Das ist eine ziemlich merkwürdige Sache. Man fühlt sich erinnert an die irischen Auswanderer, die nach England gekommen sind, um hier eine bessere Arbeit zu finden. Diese Geschichte wiederholt sich schon seit Jahrzehnten, bis heute. Wir versuchen, nicht zu sehr über die Vergangenheit nachzudenken. Aber man hängt natürlich trotzdem an den Dingen aus der Heimat, den Dingen, die nur Iren kennen.

Warum habt ihr euch dazu entschlossen, Irland zu verlassen?

Wir haben jetzt alle sieben Jahre in Dublin gelebt. Manche von uns sogar etwas länger. Es hat sich einfach wie der nächste logische Schritt angefühlt. "Dogrel" und "A Hero's Death" symbolisieren für uns eine andere Zeit, als wir alle noch junge Erwachsene waren und versucht haben, in der Musikindustrie den Durchbruch zu schaffen. Was wir jetzt gebraucht haben, war ein Tapetenwechsel und ein Wechsel der Perspektive. Auch damit wir uns darüber klar werden, dass wir jetzt professionelle Musiker sind.

Wenn man sich Songs wie "I Love You" anhört, bekommt man das Gefühl, dass euer Bezug zu Irland immer auch von einer gewissen Melancholie geprägt ist ...

Bei "I Love You" geht es um die Idee, dass wir unser Land lieben, auch wenn es viele Konflikte gibt. Es ging darum, diese Dinge alle aufzuzählen. Und wir lieben Irland trotzdem, trotz seiner vielen Probleme. Dieses Gefühl, diese Ambivalenz gehört vielleicht einfach dazu, wenn man irisch ist.

Alle drei Alben klingen ziemlich unterschiedlich. Wie seid ihr dieses Mal vorgegangen, als ihr im Studio wart?

Bei "Skinty Fia" haben wir versucht, das Level bei der Produktion deutlich anzuheben. Unsere ersten beiden Alben sind eigentlich ziemlich simpel gehalten. Auf diesem Album wollten wir mehr experimentieren, mit dem Schlagzeug-Sound und auch generell mit den Rhythmen. Eher so in die Richtung wie Primal Scream ihre Musik schreiben. Fast so, als würde man eine Art Dance-Remix von den ursprünglichen Songideen machen.

Ihr habt ja auch das erste Mal in einem größeren Studio in der Nähe von Oxfordshire aufgenommen ...

Ja voll, das war eine völlig neue Erfahrung. Der Sound klingt auch ganz anders als auf den bisherigen Platten. Es hat auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht, viel zu erkunden und neue Sachen auszuprobieren.

"Vielleicht kommt noch ein Album mit irischen Balladen."

Ihr habt U2, die Pixies und The Cure gecovert – hattet ihr da im Vorfeld die Sorge, in zu große Fußstapfen zu treten?

Wirklich besorgt waren wir da nicht, uns war schon klar, dass wir da unser eigenes Ding draus machen. Wir haben in unser bisherigen Bandgeschichte lange keine Cover gespielt, weil wir nicht mit bestimmten Bands assoziiert werden wollten. Aber mittlerweile sind wir viel selbstbewusster als Band. Und wir haben ja jetzt auch mehrere Alben, die zeigen, dass wir unser eigenes Ding machen. U2, die Pixies und The Cure sind einfach Bands, die wir sehr schätzen und respektieren. Es hat Spaß gemacht, eine eigene Version dieser legendären Songs zu spielen.

Du meintest, dass ihr jede Menge Material für das neue Album hattet – können wir da noch so etwas wie B-Sides erwarten?

Ja, da kommt bestimmt noch etwas. Wir wollten eigentlich erst ein Doppelalbum machen. Also ein Album mit den Songs, die jetzt auf dem Album gelandet sind und dann eine Sammlung von irischen Balladen. Das hat sich aber dann irgendwie seltsam und sperrig angefült und deshalb haben wir das Album runtergestutzt. Also vielleicht kommt noch ein Album mit diesen Balladen.

Auffällig ist auch, dass das neue Album visuell sehr stimmig ist. Die Musikvideos passen farblich sehr gut zueinander, die Farben tauchen auch wieder im Albumcover auf ...

Ja, das Visuelle spielt bei uns immer eine große Rolle. Carlos hat viel an der Präsentation des Albums gearbeitet, er hat die Farbgebung ausgesucht und sowas. Er ist sehr geschickt bei solchen Sachen. Uns war es auch echt wichtig, ein passendes Gesamtpaket zu haben.

Ihr seid eine irische Band, die gerade sehr viel im Gespräch ist. Gibt es andere Bands aus Irland, die man sich unbedingt mal anhören sollte?

Ich kann sehr Just Mustard empfehlen, die uns jetzt auf unserer Tour begleiten. Sie gehen sehr in die Richtung Industrial, Shoegaze und Dream Pop. Wir kennen die Band seit Jahren, sie sind genau mit uns auf einer Wellenlänge.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Fontaines D.C.

Im Vereinigten Königreich schießen Ende der 2010er Jahre Postpunk-Bands wie Pilze aus dem Boden. Brexit, erzkonservative Politiker oder riesige finanzielle …

Noch keine Kommentare