laut.de-Kritik
Der letzte Stein ist schon gefallen.
Review von Josef GasteigerIst denn schon wieder Weihnachten? In den Augen von Genesis-Fans fiel die Niederkunft Gottes Sohn wohl auf den 20. September 2021, als die legendäre Band zum ersten Mal nach 14 Jahren und mehreren Rücktritten vom Rücktritt wieder gemeinsam eine Bühne betrat. Allesamt nicht mehr so frische 70+ Jahre alt, spielten Phil Collins, Mike Rutherford und Tony Banks ihre Hits und ein paar Deep Cuts der dekadenlangen Karriere der Prog-dann-Popband. Das Fragezeichen am Ende des Tour-Namens hin oder her: Sieht man sich Mitschnitte der ersten Shows der Reunion 2021 an, ist klar, dass die Würfel für Genesis-Konzerte mit Collins am Mikro besser schon vor dieser Tour endgültig hätten fallen sollen.
Einen ähnlich schalen Beigeschmack hinterlässt die vorliegende neue Best Of "The Last Domino?". Es ist bei weitem nicht die erste Greatest Hits-Zusammenstellung der Band und riecht verdächtig nach "Geschenkidee" passend für das Jahresende. Alle Studioversionen schon mal dagewesen, selbst die Remastered-Versionen der Songs haben heute schon 14 Jahre auf dem Buckel und offenbaren nicht einmal Puristen oder Sammler viel Mehrwert.
Die Tracklist spiegelt die allabendliche Setlist der finalen gleichnamigen Tour wider, mit minimalen Abweichungen: In die Albummitte schummelt sich noch der 90er-Brecher "Jesus He Knows Me" und die schmalzige Smooth Pop-Ballade "Hold On My Heart". Und statt des atmosphärischen Rausschmeißers "Carpet Crawlers" beschließt erst danach eine gekürzte (?!) Version von "Abacab" den Songreigen. Dazwischen versammeln sich die üblichen Hits der Band aus drei Jahrzehnten, stark angelehnt an die erste Reunion-Tour 2007.
Dabei zeugt diese Compilation - genauso wie die Konzerte - von der inneren Schizophrenie im Genesis-Bandkatalog zwischen hymnischer Gefälligkeit und feingeistig fantasievoller Komposition: Popradio-Inventar wie "Land Of Confusion", "Invisible Touch", "That's All", "I Can't Dance", "Mama" oder "No Son Of Mine" aus der kommerziellen Hochphase der Collins-Ära stehen inmitten der imposanten Prog-Epen der Siebziger mit Peter Gabriel. "The Cinema Show", "Firth Of Fifth" und "Dancing With The Moonlight Knight" vom unter Progfans verehrten "Selling England by The Pound"-Meilenstein offenbaren hier am stärksten diese Schlagseite.
Dass in den zweieinhalb Stunden einige musikgeschichtliche Großtaten schlummern, ist kein Geheimnis mehr. Endlos lang ist die Liste der zumeist Rockmusiker, die die Band in ihren Inspirationslisten weit oben führen. Der Platz im (Prog)Rockolymp ist längst gesichert. Dass dieses leicht lieblose Auspendeln zwischen Mitsingen und Mitdenken das letzte Lebenszeichen (abgesehen von einer möglichen Live-Scheibe nächstes Jahr) sein muss, ist schade. Da arbeitete zum Beispiel die "Platinum Collection" Best Of aus dem Jahr 2004 die höchst spannende musikalische Entwicklung von Genesis viel besser auf. "The Last Domino" schafft das nicht. In dieser Form hätte das Album im Grunde eine Streaming-Playlist sein können. That's all.
4 Kommentare mit 5 Antworten
Waren immer ne bessere Pop- als Progband. Die 8000ste Best of natürlich weiterhin künstlerisch sinnlos (Schocker) und selbst kommerziell in einer Spotifywelt vielleicht eher fragwürdig (s. letzter Satz der Review).
Waren immer ne bessere Pop- als Progband.
Ne
Ich bitte um ein Statement von Heinz Fischer!
Sehr geehrte/r Megatallica,
ich stimme der Rezension im Grunde zu. Für einen alteingesessenen Zuhörer von Genesis ist die Trackliste wenig überraschend und ich finde es sind keine größeren Auslassungen aus den verschiedenen Stadien der Band gemacht worden. Selbstverständlich wird dieses Album viele Fans nicht zufrieden stellen, allerdings ist man das bei Genesis ja schon seit Urzeiten gewohnt.
Ich persönlich freue mich, dass ich es tatsächlich auf die (vermeintliche) Abschiedstournee schaffen werde und das auch noch an sehr prominenter Stätte. Ein alter Studienfreund von mir aus New York hat es geschafft, mir und anderen aus dem Jahrgang eine Karte für die Show am Madison Square Garden zu besorgen, am sechsten Dezember diesen Jahres. Wir haben bereits einen kleinen "Fond" geschaffen, damit es auch jeder alte Herr rund um die Welt zum Konzert schafft! Wünsch' mir viel Glück, dass es Covid mit meinen Kollegen und mir gut meint und wir es bis dahin reibungsfrei schaffen!
Es grüßt,
Heinz Fischer
Endlich wieder original Premium Fake Material!
Peter Gabriel hat die Band 1975 verlassen nicht in des frühen 80ern. Gerade weil hier bestimmt viele Genesis -Profis lesen, sollte dieser Fehler nicht passieren. Ansonsten liest sich die Rezension wie die Setlist: nixx neues, stating the obvious. That's all
Hat mich auch furchtbar aufgeregt. Da pulvert man so viel Liebe und Zuneigung in so eine Band rein, und dann muss man sich nach Ionen mit so einem Fehler auseinandersetzen. Ist mir auch sofort aufgefallen. Bin da eigentlich nicht so kleinkariert, aber es macht schon was mit einem. Es ärgert mich einfach. Man geht mit einem schlechten Gefühl ins Bett.
Liebe und Zuneigung in eine Band? Hm. naja.
wenn man sich die Live Videos anschaut kommt einem als erstes das Wort verhunzt in den Sinn.