laut.de-Biographie
Geoffrey Gurrumul Yunupingu
Er gibt keine Interviews, macht keine Promo und unterwirft sich auch sonst in keinster Weise den herkömmlichen Musikbusiness-Mechanismen. Unterwerfung ist wohl so ziemlich das letzte, wonach sich ein blinder Aborigine sehnt. In ihrer Heimat Australien gelten die Ureinwohner nämlich nicht viel. Seit die Kolonialherren ihr Land übernahmen, sind sie mit allen Konsequenzen wie Alkoholismus, Arbeits- und Chancenlosigkeit, gesellschaftlich randständig.
Unter diesen Umständen erweist sich der vermeintliche Fluch, von Geburt an blind zu sein, eventuell als Segen. Wer würde nicht gerne die Augen verschließen vor dem Leid, dass die Eroberer der 'zivilisierten' Welt den Ureinwohnern ihrer Landeroberungen zufügten und noch zufügen. Blindheit als Segen, diesen Eindruck erhält, wer sich mit dem Ausnahmekünstler Geoffrey Gurrumul Yunupingu beschäftigt. Hierzulande tut dies Thomas Müller (SWR3) als Erstes. Auf seine Empfehlung hin widemt das heute-journal vom 27. Juli 2009 dem Künstler ein ausführliches Porträt. Am folgenden Tag belegt Gurrumul Platz 1 der Amazon- und iTunes-Charts.
Zu Recht! Denn die Stimmung, die Gurrumul in die Herzen seiner Zuhörer zaubert, gleicht haargenau diesem inneren Frieden, dem die westliche Welt vergebens hinterher hechelt. Eine Gitarre und eine Stimme. Mehr braucht Gurrumul nicht, um aus dem Outback seine Botschaft weltweit unters Volk zu streuen. Diese hört auf den Namen "Wiyathul" und klettert im Australien des Jahres 2008 auf Platz 3 der Charts. Mitte 2009 erobert "Gurrumul" auch den europäischen Markt.
"Gleich beim ersten Hören von 'Wiyathul' bekam ich eine Gänsehaut. Die eindringliche Stimme von Geoffrey Gurrumul Yunupingu zusammen mit der akustischen Gitarren-Begleitung entfalten einen ganz eigenen Zauber", schwärmt SWR3-Mann Thomas Müller über seine erste Begegnung mit Gurrumul. Da es schlicht allen so geht, die mit Gurrumuls Musik in Berührung kommen, fasst Müllers Aussage das Phänomen Geoffrey Gurrumul Yunupingu in Worte. Taten lässt Elton John folgen, der den Musiker bereits zu sich auf die Bühne einlud, während sich Sting und Björk explizit als große Fans outen.
Der Erfolg Gurrumuls kommt zwar über Nacht. Der 1970 auf Elcho Island (Nordaustralien) geborene Geoffrey Gurrumul Yunupingu besitzt als Musiker jedoch über reichlich Erfahrung. Bei der in den 80ern erfolgreichen Aborigine-Band Yothu Yindi sitzt er an den Percussions. Neben der Kunst des Trommelns beherrscht er auch das Didgeridoo-, Keyboard- und Schlagzeugspiel.
Diese Fähigkeiten ruhen auf "Gurrumul". Hier präsentiert sich der Multiinstrumentalist als Zauberer, der statt mit Hexenbesen und Zaubertrank, mit Stimme und Gitarre die Sinne verführt. Auch der Zweitling "Rrakala" heimst 2011 in Australien Preise ein.
Willenlos und gefügig macht seine Musik, die auf einem hervorragenden Handwerk, besselter Inspiration und Schaffenskraft, und einem gefühlvollen und leidenschaftlichem Vortrag ruht. "Er kann nicht sehen, aber sehr wohl fühlen", diagnostiziert seine Mutter pragmatisch den Erfolg ihres "schüchternen Jungen." Weil er nicht gerne spricht und sich den (neu)gierigen Fragen der Journalisten stellt - sogar dem ZDF verweigert er 2009 bei seiner Deutschlandpremiere ein Gespräch - übernimmt das Rede und Antwort-Stehen sein Clan (Gumantj) für ihn. Gurrumul selbst teilt sich lieber singend mit.
In seinen Liedern erzählt er die Geschichten seiner Vorfahren, singt von der Natur, seinen Vorfahren und deren (verlorenen) Ländereien, oder von der 40.000 Jahre alten Kultur und Geschichte der Aborigines. Nonchalant meistert er dabei den Spagat, die Dinge beim überlieferten Namen zu nennen, ohne anzuklagen oder gar zu provozieren.
"Gurrumul ist der erste Aborigine-Künstler, der sich seinen Weg ins australische Mainstream-Bewusstsein bahnt und dabei das Land dazu bringt, seine Beziehung zur indigenen Bevölkerung dieses Kontinents neu zu bewerten", hebt Weltbild.de die politische Bedeutung Gurrumuls hervor. "Sei stark und bleib aufrecht, egal in welcher Gesellschaft du lebst", formuliert es Geoffrey Gurrumul Yunupingu.
Des Lesens und Schreibens nicht mächtig, reichen dem Musiker seine Stimme - er singt im Dialekt seines Volkes auf Yolngu - und seine Gitarre, um rund um den Globus aus (s)einer Welt zu berichten, die sich um das Wesentliche dreht: Liebe und Leid des Menschen.
Noch keine Kommentare