laut.de-Kritik

Würdiger Abschied eines großen Musikers.

Review von

"Auf meinem nächsten Album wird man Gitarre, Bass und Schlagzeug, aber keine Computer hören", erklärt George Harrison in einem Interview im Winter 2000. Ein Jahr später, am 29. November 2001, stirbt der Ex-Beatle im Beisein von Frau und Sohn an den Folgen eines Hirntumors. Sein Wort wurde über den Tod hinaus bewahrt: "Brainwashed" ist eine Harrison-Platte geworden, wie sie sich seine Fans von ihm zu Lebzeiten gewünscht hätten: der Meister singt in Hochform und rockt gewohnt gediegen.

Die Demos zu den Songs hatte Harrison bereits vor seinem Tod eingespielt. Nun lag es an seinem engen Freund und Traveling Wilburys-Kollegen Jeff Lynne, gemeinsam mit Harrisons 24-jährigem Sohn Dhani die Aufnahmen in Georges Sinn zu vollenden. Konkret heißt das: die beiden flochten behutsam Akustikgitarren und Backgroundgesang in die Rohversionen mit ein und versuchten, Georges Wunsch nach einer minimalistischen Produktion so gut es geht nachzukommen.

Völlig abstreifen konnte Lynne seine Vorliebe für den formvollendeten Popsong jedoch nicht. Deshalb ist aus dem Album keine spartanische Demo-Sammlung, sondern ein nicht unähnlicher Nachfolger von Harrisons '87er Werk "Cloud Nine" geworden. Die beiden schafften es aber, Harrisons Vermächtnis wie aus einem Guss klingen zu lassen, eine hohe Kunst, die den noch lebenden Queen-Mitgliedern mit dem Album-Vermächtnis "Made In Heaven" vor Jahren beispielsweise nicht gelang.

Schon der Opener "Any Road" zaubert Traveling Wilburys-typische Akkordfolgen herbei und führt einen lebhaft klingenden Harrison ein. Durchaus wehmütig klingen das sentimentale "Pisces Fish" und der Lovesong "Never Get Over You". Auf dem indischen Raga-Instrumental "Marwa Blues" erhält dann Harrisons berühmte Slide-Gitarre einen Solo-Einsatz. Dagegen bluesrockt George auf "P2 Vatican Blues" noch mal in seiner unnachahmlichen Art.

Über die Umsetzung des Songs "Rising Sun" dürfte er sich vielleicht am meisten freuen. Die Celli-Parts, die ihm zu der melancholischen Ballade noch einfielen und die er auf ein Band einsang, ließen Lynne und Harrison Jr. exakt nach seiner Melodie arrangieren. Zum Abschluss kommt der spirituelle Mensch George Harrison auf "Brainwashed" ins Lamentieren, prangert zivilisatorische Missstände an und führt den Glauben als unablässigen Rettungsanker an: "God God God you are the wisdom that we seek". Der Song endet in einem indischen Chant mit leichten Tamburinschlägen. Ein würdiger Abschied eines großen Musikers.

Trackliste

  1. 1. Any Road
  2. 2. P2 Vatican Blues (Last Saturday Night)
  3. 3. Pisces Fish
  4. 4. Looking For My Life
  5. 5. Rising Sun
  6. 6. Marwa Blues
  7. 7. Stuck Inside A Cloud
  8. 8. Run So Far
  9. 9. Never Get Over You
  10. 10. Between The Devil And The Deep Blue Sea
  11. 11. Rocking Chair In Hawaii
  12. 12. Brainwashed

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