5. Januar 2010

Angry Young Men im Antichristwald

Interview geführt von

Drei Jahre für das Debüt, drei Monate für den Nachfolger: Für das erste Video zum neuen Album ging laut.de mit Get Well Soon's "Konschti" flitzen und baden.Da, wo Fuchsschwanz und Manta sich Gute Nacht sagen, wo hinter bergigen Abzweigungen von der Landstraße angeblich alle hundert Meter ein neues Dorf liegt, und man noch beherzt in Scheiße treten kann, die nicht aus prozessiertem Chappi besteht, liegt der verwunschene Wald, in dem Lars von Trier seine Schauspieler für "Antichrist" malträtierte. Klar, das war schon aufregend "mitte Schalotte Jeansburg und dem Wilhelm", resümiert der am Auto lehnende Windecker im Rentenalter und verfällt in eine kontemplative Pose.

Ob er denn vielleicht auch wisse, wo dieses andere Filmteam heute sei? Das für den Musiker, Get Well Soon? "Wahrscheinlich da, wo die immer sind vom Film!", trumpft er auf und zeigt in Richtung Forsthaus. Er kennt sich aus - auch wenn ihm "die Musikgruppe jetzt gerade nichts" sage.

Na ja, der Ein-Mann-Betrieb Get Well Soon aka Konstantin Gropper kommt ja auch nicht aus dem Bergischen, sondern aus Oberschwaben, das er seit dem - auch für ihn leicht beängstigenden - internationalen Erfolg seines Debüts weit, weit hinter sich gelassen hat. Jetzt wird er aus Berlin hergefahren, zum Dreh von "Angry Young Man" - das ist die erste Auskopplung aus dem bald erscheinenden zweiten Album "Vexations".

Der Angry Young Man als Bengel

Für das Video zur Single - musikalisch durchaus konsequent-opulent auf den Vorgänger abgestimmt aber doch wieder enorm spannend - dienen verschiedene Höhenlagen des hier nur als "Antichristwald" bekannten Forsts im Bergischen Land als Kulisse.

Drei Kinder spielen die Hauptrollen, sollen sich aber gefälligst dafür fürchten. Damit das besser gelingt, wird der zunächst sonnendurchflutete, dann regennasse Kiefernwald vor jedem Take sorgfältig mit einer Patrone zu einer verhangenen, diesigen Masse genebelt.

Wirkt, fehlt nur noch der sprechende Fuchs. Den Rest der leicht unbehaglichen Atmosphäre besorgen die Nachwuchsschauspieler und ihre traumartig wirkenden Bewegungen durch die Aufnahme in Superzeitlupe auf echtes Filmmaterial.

"Unser größtes Problem ist das Licht", meint Produktionsleiter Matthias. "Um vier wird's dunkel, da müssen wir einpacken. Heißt für uns: Um fünf Uhr morgens muss alles fertig zur Abfahrt sein". Mit winzigem Budget und umso mehr Elan wird das Video in wenigen Tagen realisiert und nachbearbeitet.

Das ungefähr 15-köpfige Team besteht fast nur aus Studenten der Kölner Kunsthochschule für Medien. Philipp, der Regisseur, kennt Konstantin schon länger persönlich, hat die Idee für das Video mit Freunden entwickelt und arbeitet "selbstverständlich" wie alle anderen ohne Bezahlung.

Tatsächlich ist das Video zu "Angry Young Man" zumindest ästhetisch und atmosphärisch enorm an "Antichrist" angelehnt. Gut, es fließt nicht ganz so viel Blut und das Thema Geschlechterkampf wird auch nicht aufgegriffen, aber die Frage, in wieweit der Mensch als destruktiver Faktor von der Natur selbst heimgesucht wird, steht auch in diesem Clip zur Diskussion. Der Titelgebende "Angry Young Man" ist in diesem Fall nicht im engen Sinne des Begriffs als radikaler Schriftsteller à la Kingsley Amis zu verstehen, sondern als ein Kind, das grundlos ausgesprochen gemein zu einem Tier ist. Das Tier reagiert darauf gezwungenermaßen recht ruhig, aber seine Umgebung rächt diesen unerlaubten Eingriff in das natürliche Gleichgewicht und zeigt dem Bengel und seinen Freunden, wo der Hirsch röhrt.

Aufgabe: Wiederholt ins Wasser fallen

Der Konschti, wie die Schwaben-Connection der Crew ihn nennt, ist jetzt endlich auch am Ort, aber so richtig da scheint er nicht zu sein. Er dreht sich zur Wand, zupft vorsichtig seine schmale Krawatte zurecht, faltet die Hände und schaut dann gedankenverloren aus dem Fenster, während um ihn herum im engen Forsthäuschen tropfnasse Geräte herumgewuchtet werden, Funkgeräte knirschen und die Teammitglieder sich zwischendrin mal anfauchen, um die Spannung zu lösen - mehrere Tage mit Kindern und Tieren gegen Zeit und Wetter zu drehen ist eben nicht immer witzig.

Die erst aufgescheuchte, dann wehrhafte Natur in der Video-Story wird durch unterstützende Aufnahmen in einem Wildpark dargestellt; einen Teil dieser Natur verkörpert auch Konstantin, der an diesem Tag bei fiesem Regen durch frisch eingenebelte Fichtenreihen rennen muss.

Das Video

Nass bleibt er auch in der Nacht, als die letzten Szenen in einem extra geöffneten 20m-Tauchbecken in Siegburg abgedreht werden. Aufgabe: Wiederholt und elegant von einem Floß ins Wasser fallen. Gefilmt wird tauchenderweise vier Meter unter ihm. Findet Konstantin leider richtig scheiße. Nach dem ersten Probelauf stellt er höflich, aber bestimmt klar: "Das mach ich jetzt aber nicht noch fünfmal!"

Hätte er nicht schon vorher Depressionen gehabt, hätte er sie im Bergischen Land bekommen, sagte Lars von Trier über den Drehort dieser Tage. Ganz so dramatisch war es für die Get Well Soon-Crew wirklich nicht. Ob sich der Aufwand gelohnt hat, könnt Ihr selbst entscheiden.

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LAUT.DE-PORTRÄT Get Well Soon

Konstantin Gropper ist auf der Flucht vor seiner Vergangenheit. Insbesondere sein Herkunftsort Biberach scheint dem 82er-Jahrgang ungenehm bis peinlich.

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