29. März 2017

"Die Irren finden sich immer"

Interview geführt von

Wir haben mit Haiyti über ihre Musik gesprochen. Dabei erzählt sie nicht nur von Legenden aus ihrer Kindheit, sondern auch von Deso Dogg und ihrem Verhältnis zur Öffentlichkeit.

Kaum ein deutscher Künstler hat derzeit einen so hohen Output wie Haiyti. Dabei spaltet sie nicht nur die Geister in der Redaktion, sondern auch in der gesamten Bundesrepublik. Ist das jetzt geil oder kann das weg? Fast jeder scheint dazu eine Meinung zu haben. Was sagt die Künstlerin selbst dazu?

Wir haben mit Haiyti telefoniert, die das Interview erstmal ein bisschen nach hinten schiebt, weil sie gerade erst aufsteht. Wohlgemerkt, es ist ein Uhr mittags und unsereins begibt sich so langsam auf dem Weg in die Mittagspause. Doch Haiyti lässt sich nicht beirren und macht in aller Ruhe einen Kaffee. Dass sie während des Gesprächs davon überzeugt ist, dass ich vom Radio bin, macht ihre chaotische Verplantheit nur um so sympathischer.

"Follow Mich Nicht" kam ja vergangenen Freitag. Was kannst du dazu erzählen?

Das Mixtape kommt aus verschiedenen Studios. Ich hatte da keinen Hauptproduzenten. Es sind South-Tracks dabei und dann wieder Pop-Songs und Straßensongs dazwischen. "Follow Mich Nicht" ist ein ganz gemischtes Mixtape. Es hieß erst anders, aber nachdem wir einen Song wieder runtergenommen haben, weil der ein viel zu heftiger Hit ist, ist mir der Name "Follow Mich Nicht" eingefallen. Den Song werde ich dann übrigens später nachreichen.

War das diesmal für dich was anderes, weil du nicht nur mit einem Produzenten zusammen gearbeitet hast?

Nö, eigentlich nicht. AsadJohn hat die meisten Sachen gemixt, deswegen war es nicht so anders. Ich muss sagen, jetzt zum Schluss war es ein bisschen chaotisch, weil wir die ganzen Sachen zusammensammeln mussten, die eine Spur aus dem Studio und die andere aus dem. Das musste dann doch alles ziemlich schnell gehen, weil es ja schon am Freitag kommt. Das Album ist auch eigentlich erst letzte Woche fertig geworden.

Du hast ja mit AsadJohn gerade vergangene Woche die EP rausgehauen. Warum ist dir denn Quantität so wichtig?

Das ist Quantität und Qualität zusammen. Die meisten Leute verstehen nicht, dass ich einfach nen höheren Output hab. Das heißt aber nicht, dass die Songs deswegen schlechter sind. Die fünf Songs von "White Girl Mit Luger" waren ursprünglich auch für "Follow Mich Nicht" geplant, aber das haben wir dann gesplittet, weil es einfach zu viel war. Wir haben dann eben erst die fünf Songs als EP rausgehauen und danach das Album. Das ist in Deutschland vielleicht gewöhnungsbedürftig, aber in den USA zum Beispiel ganz normal.

Was hörst du denn eigentlich so, wenn du feiern gehst?

Ich hör halt immer Sachen im Club. Oder neulich war ich in so ner Schickimicki Bar in Hamburg, da lief so Popmusik. Auf sowas fallen mir dann irgendwie die besten Texte ein. Aber ich hör eigentlich alles gemischt, ich hab kein bestimmtes Genre.

Wenn du sagst, dass dir auf Popmusik die meisten Texte einfallen, würdest du dann sagen, dass Popmusik dich inspiriert?

Ja, das kann ich schon sagen. Ich hab den einen Song, der wie gesagt noch nicht draußen ist, da hab ich eine Zeile von einem Radiohit übernommen. Muss aber noch gucken wann der kommt.

"Ach du Scheiße! Der Text spricht mir ja aus der Seele!"

Auf deiner "White Girl Mit Luger" EP ist Joey Bargeld ja mal wieder mit dabei. Der ist ja in letzter Zeit eigentlich immer überall da, wo du auch bist.

Den krieg ich nicht mehr weg. Der hat sich wie so ein kleines Koalababy an mein Bein gehängt.

Wo hast du den denn überhaupt aufgegabelt?

In Hamburg Altona. Das ist jetzt ... ich hab bisher immer acht gesagt, vielleicht ist das mittlerweile auch schon zehn Jahre her. Auf jeden Fall kenne ich den schon ewig von Partys und so. Nach diesen acht oder zehn Jahren haben wir uns mal wieder im Studio getroffen. Wir haben dann Tracks zusammen gemacht und irgendwie hat sich das dann wieder zusammen gefügt. Die Irren finden sich ja immer.

Was verbindet euch denn noch, außer, dass ihr dieselbe Musik feiert und denselben Partys unterwegs seid?

Nichts. (lacht) Sonst nichts.

Auch gut. Du warst ja zusammen mit Joey, Trettmann und KitschKrieg auf Tour. Wie war das denn für dich? Das war ja deine erste richtige Tour, oder?

Genau. Ich hatte erst Schiss, aber danach gar nicht mehr. Ich glaub, das war einfach ne gute Crew. Da waren ein paar ältere und erfahrene Leute dabei und wenn das jetzt alles so ne tollwütigen Feierleute Anfang 20 gewesen wären, wär das glaub ich in die Hose gegangen. Aber so war das ne ziemlich stabile Squad. Da hat alles gepasst.

Wovor hattest du denn Angst?

Am meisten eigentlich davor, dass ich nach dem Konzert nicht nach Hause geh (lacht). Aber das hab ich dann zum Glück gemacht. Ein Künstler hat immer Angst, ob die Stimme am nächsten Tag noch funktioniert. Aber wir hatten ja auch nicht so ne Tour, wo wir jeden Tag spielen. Wir waren ja immer nur Donnerstag, Freitag, Samstag unterwegs und haben dann wieder Pause gemacht. Das war gut, weil man sich da nicht so verausgabt hat. Und wenn man einmal geschafft hat nach dem Konzert nach Hause zu gehen, dann weiß man auch, dass man das kann. Dann geht man eben ins Hotel und guckt Fernsehen. Dann kann man am nächsten Tag eben auch wieder abgehen.

Kommen wir noch mal zu KitschKrieg. Auf eurer gemeinsamen "Toxic"-EP ist ein Song, der für mich immer noch ein bisschen heraus sticht. Ich meine den Song "Träne", weil ich das Gefühl habe, dass du da über Gott sprichst.

Endlich fragt mich mal jemand! Ich hab mir extra schon eine ganze Seite aufgeschrieben, um mich zu erklären, falls mich jemand fragt. Das ist ein alter Text von Deso Dogg, der ist ja ... also was soll man sagen, jeder der sich mit Rap auskennt, kennt ja seine Geschichte. Der Song heißt "Es Gibt Nur Ein" und den hat mir MC Bogy mal gezeigt. Ich dachte nur 'Ach du Scheiße. Der Text spricht mir ja aus der Seele!' Und dann hab ich die Hook gecovert und einfach dieses "Allah" weggenommen, weil dieser "Ein" kann ja alles sein.

Hast du denn eine Beziehung zu Gott, oder zur Religion? Warum hat dir dieser Song so aus der Seele gesprochen?

Einfach diese Sehnsucht. Ich weiß auch nicht ... manchmal ist man einfach mit ganz komischen Leuten verbunden. Wie zum Beispiel mit Joey Bargeld (lacht). Ne keine Ahnung.

Welche Sehnsucht hat der Song dann in dir angesprochen?

Das sind zu schwierige Fragen, so früh am Morgen (lacht). Das war einfach ein sehr tiefer Text, der mich berührt hat und ich war überrascht, dass den niemand kennt. Als mir KitschKrieg dann den Beat gezeigt haben, kamen mir diese Zeilen wieder. Auch schön, dass mich mal jemand darauf angesprochen hat, ich dachte immer, den hört niemand.

"Ich will lieber meine Musik sprechen lassen"

Ich habe in letzter Zeit vermehrt den Satz "Haiyti ist Falco, der wie Nina Hagen klingt" gelesen. Wie stehst du denn zu diesem Vergleich?

Also erst mal fühl ich mich geehrt, mit so großen Stars verglichen zu werden. Ich finde das passt, da hab ich nichts dagegen! (lacht)

Hast du denn eine Verbindung zu den beiden?

Es gibt angeblich ein Foto, auf dem Nina Hagen mich als Baby auf dem Arm hat. Den Beweis dafür hab ich aber noch nicht gesehen. Falco hat richtig gute Texte. Doch, den find ich gut, mit dem kann ich was anfangen.

Das überrascht mich jetzt. Ich hab bisher nur gelesen, dass du dich eher mit Dirty South und Punk auseinander setzt.

Punk? Also Punk hör ich nicht. Aber man kriegt ja alles mit. Als Kind hab ich nach der Schule immer nonstop MTV und Viva geschaut. Mein Vater ist Musiker, deswegen kenn ich vermutlich auch diese alten 80er Leute, und meine Mutter macht auch Musik. Ich glaub damit bin ich eben auch groß geworden.

Haben dich deine Eltern dann auch musikalisch beeinflusst?

Da hab ich noch nie drüber nachgedacht, aber bestimmt.

Du gibst ja im Vergleich zu deinem musikalischen Output eher weniger Interviews.

Ja, weil die immer in die Hose gehen, so wie dieses!

Ach ich find nicht, im Gegenteil. Aber wie stehst du denn so zur Öffentlichkeit?

Also, ich bekomme ja schon viele Anfragen, auch vom Fernsehen. Bisher hab ich immer alles abgesagt, weil ich auch gar nicht weiß, was ich da sagen soll. Ich will lieber meine Musik sprechen lassen und nicht alles mitnehmen.

Ist es denn für dich wichtig, dass du die Kontrolle darüber hast, wie du in der Öffentlichkeit wirkst?

Die Kontrolle hab ich eh schon verloren. Da gibt es viel zu viele Texte über mich, bei denen ich schon nach der Überschrift nicht mehr weiter lese. Aber man versucht natürlich, die Leute dahin zu lenken, wie man gesehen werden will. Ich bin aber auch ne schwierige Person dafür, weil ich einerseits Gangsta Rap mache, aber andererseits nicht als Gangsta Rapperin wahrgenommen werde. Dann mach ich eben auch Popmusik und den Leuten fällt es schwer, mich einzuschätzen. Ich glaub auch, dass sich bei "Follow Mich Nicht" jeder einfach seine Songs rauspickt, je nachdem, wie die mich sehen wollen. Kann auch jeder machen.

Zum Gangster-Thema: Du machst ja schon ziemlich lange Musik, stehst ja aber erst seit ein bis zwei Jahren richtig in der Öffentlichkeit. Wie ist das dann auf der Straße, ist dein Streetlife dadurch komplizierter geworden?

Darüber darf man doch gar nicht reden! (lacht) Man muss ja auch sagen, dass ich eh schon immer in mehreren Welten bin, weil ich nebenbei studiere. Seit ich Musik mache, sind aber alle anderen Sachen auf Eis gelegt.

Du studierst ja Kunst. Hat das auch einen Einfluss auf deine Musik?

Puh ... Ich glaub nicht. Wenn ich ein Bild male, geht das in die eine Richtung, und wenn ich einen Text schreibe, geht das in die andere Richtung. Das hängt eben davon ab, wie man die Energie kanalisiert.

Verwendest du deine Bilder auch mal als Artwork, oder ist das komplett voneinander getrennt?

Das "Toxic"-Artwork hab ich ja selbst gemacht. So in dem Stil male ich auch. Ganz schnell, ohne viel drüber nachzudenken.

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