16. September 2004

"Alle hingen an Bowies Rockzipfel"

Interview geführt von

Mit "Size Matters" melden sich Helmet nach sieben Jahren zurück. Obwohl Frontmann Page Hamilton immer noch von einem Mountainbike-Unfall leicht lädiert ist, plaudert der Mann von L.A. aus gut aufgelegt mit LAUT über das neue Album, die aktuelle Bandbesetzung, David Bowie, NIN und vieles mehr.

Hey Page, hast du dich von deiner Verletzung wieder erholt?

Naja, geht so. Ich fang so langsam wieder an, Gitarre zu spielen, aber muss mich doch noch ein wenig schonen.

Was war denn genau passiert?

Ich hab mir beim Mountainbiking das Schlüsselbein gebrochen. Ich war gerade Downhill unterwegs, da hat mich so ein Baum angesprungen, und ich konnte nicht mehr ausweichen, hehe. Kann ich wirklich nicht weiter empfehlen, so was.

Wird also kein Hobby von dir ... Lass uns ein wenig über ältere Zeiten reden. Warum habt ihr euch '99 eigentlich aufgelöst?

Naja, irgendwie war die Luft einfach raus. Es herrschte eine gewisse Unzufriedenheit innerhalb der Band, und mir passt auch die Tatsache irgendwie nicht, dass die anderen Jungs in der Band alle meine Songs spielen mussten, ob sie diese jetzt mochten oder nicht. Das wurde auf Dauer ermüdend. Trotzdem war ich nie der Meinung, musikalisch alles gesagt zu haben, es war immer mein Plan, weiterhin Musik zu machen.

Nach dem Split kam David Bowie auf dich zu und bat dich, mit ihm auf Tour zu gehen. Wie hast du dich in dem Moment gefühlt?

Absolut großartig, Mann! Der Kerl ist einfach phantastisch. Es war einfach einzigartig, mit einem Menschen zu spielen, der so viele andere Musiker beeinflusst hat. Ich hatte die Ehre, mit ihm zusammen zu spielen und auch dabei zu sein, wenn er sich ans Songwriting für neue Stücke macht. Das war schon eine coole Sache.

Arbeitest du immer noch mit ihm zusammen?

Nein, leider nicht. Ich hab ihn vor ein paar Monaten auf einem Konzert hier in L.A. gesehen, und er hat sich dann bei einem gemeinsamen Freund nach mir erkundigt. Wir haben uns dann kurz gesehen und haben uns beide sehr darüber gefreut, aber du kannst dir sicher vorstellen, wie es backstage in Hollywood zugeht. All die wichtigen Leute, die dort rumhängen und irgendwas von David wollten. Alle hingen ihm am Rockzipfel und waren furchtbar wichtig, und das geht mir ziemlich schnell auf den Sack. Ich kann das zwar auf der einen Seite verstehen, immerhin ist das David Bowie, einer der kreativsten und interessantesten Menschen, die ich kenne, aber auf der anderen Seite ist mir das einfach zu viel. Ich halte nichts davon, mich die ganze Zeit um irgendeine Person rumzudrücken. Auf Tour war das natürlich was anderes, weil wir da einfach als kleinere Gruppe zusammen in der Gegend rumgehangen sind, da kamen dann wirklich interessante Gespräche dabei raus. Es wäre aber phantastisch, noch mal mit ihm zu arbeiten.

Und wie sieht das mit Trent Reznor und Nine Inch Nails aus?

Trent hab ich vor etwa einem Monat getroffen. Er war gerade dabei, an einem neuen NIN Album zu arbeiten. Die Songs waren echt der Wahnsinn, wenn du mich fragst. Das könnte die beste NIN-Scheibe überhaupt werden. Trent ist auch ein Supertyp, und wir haben gelegentlich noch Kontakt, aber am neuen Album bin ich nicht beteiligt.

Wegen leichter Logistikprobleme habe ich von "Size Matters" nur ein paar Songs gehört und bin mit dem Material folglich noch nicht so vertraut. Aber was ich bisher gehört habe, klingt recht aggressiv.

Ok, vielleicht solltest du dir erst das ganze Album anhören und dann in deiner Review schreiben, dass es sich bei "Size Matters" einfach nur um das beste Album der ganzen Rock-Geschichte handelt. Sag einfach, dass es der absolute Wahnsinn ist, und ich der einzig wahre Rockstar. Das würde ich sehr begrüßen. (lacht)

Ich werde sehen, was ich tun kann ...

Schreib einfach: Page Hamilton ist das unangefochte Genie der Rockmusik und sollte eine eigene Religion bekommen.

Das werden exakt die Worte sein, die ich mir irgendwann auf meinen Grabstein meißeln lasse.

Sehr schön, ich finde es sehr wichtig, treue Fans und ein gesundes Selbstbewusstsein zu haben, hahaha. Nein, im Ernst, du hast schon recht, wenn du sagst, dass die Musik aggressiv ist. Das liegt aber einfach daran, dass es für mich jedesmal wieder unheimlich aufregend und inspirierend ist, eine elektrische Gitarre zu spielen. Mit einem geilen Verzerrer bringst du einfach höllisch aggressive Sounds zustande. Wenn du die Regler aufdrehst und einfach drauflos holzt, dann ist das immer wieder tierisch geil. Wenn ich eine Klampfe in der Hand halte, will ich auch anständig rocken. Es ist aber nicht so, dass ich den ganzen Tag mit gefletschten Zähnen durch die Gegend laufe, ganz im Gegenteil.

Das Gefühl hatte ich vor allem bei deinen Vocals. Die klingen stellenweise schon richtig angepisst. Bei einem Track wie "Unsung" z.B. klangst du irgendwie relaxter.

Ich hab ziemlich an meinen Vocals gearbeitet. Man hat als Musiker ja bestimmte Melodien im Kopf, ist aber nicht immer in der Lage, diese eins zu eins umzusetzen. Ich habe im letzten Jahr ziemlich viel über die Stimme als Instrument gelernt. Ein Gesangslehrer hat mir gezeigt, wie ich es schaffe, auch die schwierigeren Sachen so rüberzubringen, wie ich mir das vorstelle. Ich hab ihn auch direkt gefragt, wie ich bestimmte Sachen umsetzen kann. Wie hat Bon Scott es geschafft, so zu klingen? Wie kann ich das machen? Das war schon sehr hilfreich, und auch die Tatsache, dass ich ausreichend Zeit für alles hatte, kam dem sehr entgegen.

Frank Bello (Ex-Anthrax, d.Verf.) ist euer neuer Basser. Wie kam der Kontakt zustande?

John Tempesta, unser Drummer, ist ein alter Kumpel von Frank. Sie sind zusammen in New York in die High School gegangen. Er wusste, dass wir einen neuen Bassisten brauchen, und nachdem er bei Anthrax ja raus war, sagte er zu John, dass er wirklich gern mal mit uns zocken würde. John hat das dann arrangiert, und Frank kam zu ner Probe vorbei. Wir hatten davor schon ein paar andere Leute vorspielen lassen, und die waren alle nicht schlecht, aber Frank hatte von Anfang an die richtigen Vibes für die Musik, und er ist menschlich auf ein cooler Typ.

Helmet werden von unzähligen Bands immer noch als einer der Haupteinflüsse für die New Yorker Hardcore-Szene angegeben. Habt ihr das in den 90ern eigentlich schon mitbekommen?

Nicht wirklich. Es war zwar schon so, dass viele von den befreundeten Musiker schon immer gesagt haben, dass wir einen ganz eigenen Stil haben und trotzdem massiv Arsch treten, aber dass wir irgendwann als Ikonen enden, damit hätte wohl keiner von uns gerechnet. Für uns war das ja nichts Außergewöhnliches, wir haben nicht versucht, irgendwie anders zu klingen. Das kam einfach ganz natürlich aus uns raus, und es ergab für uns einfach Sinn, bestimmte Riffs auf diese Art und Weise zu spielen. Dass wir aber immer noch von so vielen Bands als Einfluss genannt werde, ist natürlich ein verdammt cooles Gefühl.

Wie würdest du Helmet heutzutage beschreiben? Ist das Page Hamilton mit Gastmuckern oder ist es wieder eine richtige Band?

Für mich fühlt es sich wie ein richtige Band an. Ich habe ein paar der Songs schon mit anderen Musikern gespielt, und das klang ganz ok, aber erst mit den Jungs, mit denen ich jetzt spiele, klingen sie wirklich gut. Man braucht schon Metal im Blut, um die Songs zu spielen, da führt kein Weg dran vorbei. Immerhin ist das aggressive Musik, wie du schon gesagt hast. Aber damit hört es ja nicht auf, also müssen die Jungs schon mehr drauf haben. Als Songwriter, Sänger, Gitarrist, Produzent der Band ist mein Einfluss auf das Material natürlich ein ganz klein wenig größer, als der der anderen (lacht). John und Henry waren verdammt gute Musiker, und es hat Spaß gemacht, mit ihnen zu arbeiten, aber andere können diese Musik auch spielen.

Also hält sich der Einfluss der anderen Musiker doch schwer in Grenzen.

Nicht unbedingt, da die Musik von Helmet sehr von den Arrangements abhängt. Natürlich klebt an allem, was gemacht wird, ein großer Teil von mir dran, aber das, was du letztendlich als Song zu hören bekommst, ist schon eine Gemeinschaftsarbeit. Immerhin muss ich mich auch darauf verlassen können, dass ich es mit Leuten zu tun habe, die meine Musik auch fühlen und spielen können. Es macht mir auch keinen Spaß, für mich im stillen Kämmerlein Songs zu schreiben. Ich brauche den Bass, die Drums und die fetten Gitarren, ich muss mit einer Band drauflos rocken. John, Frank und Chris sind die richtigen Leute, und für mich ist Helmet wieder eine richtige Band.

Bist du momentan in irgendwelche anderen Projekt involviert?

Mein Kumpel Gavin Rossdale arbeitet zur Zeit an einer Solo-Sache, bei der ich ihn unterstütze, aber die meiste Zeit hänge ich gerade an meinem PC rum und versuche, da sämtliche Programme zum Laufen zu bringen, was aber meistens scheitert. Dann rupf ich mir ein paar Haare aus der Mütze und bretter mit der Gitarre los, hahaha.

Dann dank ich dir mal für das Interview und werde fortan überall verkünden, dass Page Hamilton das absolut Größte ist seit der Einführung von geschnittenem Toastbrot.

Wie wahr, wie wahr, hahaha ...

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