9. Mai 2011

"DSDS würd ich nie machen! Niemals!"

Interview geführt von

Hugo Egon Balder meldet sich diese Tage mit einem textlastigen Soloalbum zurück. Da haken wir doch gleich mal nach ...Schmalspurclown der Privaten oder doch hintersinniger Eulenspiegel? Der Entertainer und Kabarettist ganz alter Schule lässt sich in keine formatierte Ecke drängen. Lieber regt er sich leidenschaftlich über Tussis im Allgemeinen und die musikscheuen Fernsehmacher im Besonderen auf.

Leider mussten wir inmitten des schönsten Wortgefechtes die Segel streichen. Zu viele Termine Balders an diesem Tag. Damit fehlt schlussendlich ein Viertel des Gesprächs. Doch ein echter Balder knallt einem auch in kurzer Zeit mehr deutliche Worte um die Ohren als so mancher Star in der gesamten Laufbahn.

Moin Hugo

Moin , moin.

Erzähl doch mal. Rudolf Rock Und Die Schocker gibt es ja nun schon seit dreieinhalb Jahzehnten. Seit einiger Zeit bist du da als Sänger, Drummer und Pianoman dabei. Wie ist es dazu gekommen?

Naja, vor vier Jahren hatte ich mal einen Promotiontermin in Hamburg. Da habe ich mir das Zwick ausgesucht. Die Kneipe gehört ja nun dem Uli Salm a.k.a. Rudolf Rock. Und dann haben wir gequatscht, uns wieder getroffen und so weiter. Der hat auch gleich gefragt, ob ich noch Musik mache. Nö, nö habe ich gesagt. Nur noch privat. Da hat er mich gleich zu Sessions eingeladen. Da bin ich dann einfach hingefahren, habe da mitgespielt und das hat auf eimal wieder so viel Spaß gemacht. Da dachte ich mir selbst: Mensch, das mache ich weiter. So ist das alles entstanden.

Schlussendlich dann doch reine Leidenschaft und keine ausgeklügelte Marketingstrategie?

(Leidenschaftlich) Neeee, alles Zufall und Spaß!

Das klingt natürlich geil. Dann macht man als Hörer die zugehörige Scheibe "Ist Das Schön" an und es geht gleich los mit: "Ich hab dein Essen probiert, deine Muschi rasiert, deine Titten bezahlt – Es kotzt mich an." Co-Autor Dieter Bohlen oder eigene leidvolle Erfahrung?

(Schmunzelt) Nein, das sind keine leidvollen Erfahrungen. Das sind einfach Sachen, die ich in meinem größeren Umfeld beobachte und ich lese auch Zeitungen. Jeden Tag, wenn ich diese aufschlage, gibt es mittlerweile unendlich viele Frauen, die nichts, aber auch gar nichts anderes zu tun haben, als die Kohle ihres Mannes auszugeben und sich – ebenfalls täglich – irgendwo, irgendwie operieren zu lassen. Mehr machen die nicht.

Du meinst, dieses Phänomen ist vor allem ein Teil des heutigen Zeitgeistes?

(Bestimmt) Ja definitiv! Ist es!

"Frauen wollen nur Kohle und Schönheits-OPs!"

Verstehe. Aber textlich ist das ja schon derber Stoff. In "Club Juche": "Ist das ihre neue Frau oder nur ne Schlampensau?" Eine sehr direkte Sprache. Ganz bewusst im leicht ordinären Proll-Stil zur Pointe geführt? Ein Zugeständnis an besagten Zeitgeist oder nur unfreiwillig auf dich abgefärbtes Privatfernsehen-Sprach-Banausentum?

Naja ... neee ... also das sind jetzt teilweise wirklich eigene Erfahrungen. Weißt du, ich gehe eigentlich selten aus. Aber wenn ich mal zu ner Preisverleihung muss oder so. Da stürzen sich sofort diese Boulevardjournalisten wie Geier auf mich. Die fragen den größten Quatsch, den man sich überhaupt vorstellen kann. Das hat mit dem Motto des Abends nichts mehr zu tun. Immer nur über private Sachen. 'Ich hab die X letztens mal mit Ihnen gesehen. Ist die schwanger von Ihnen?' So eine Scheiße die ganze Zeit. Und das Schlimme ist ja. Wenn man dann sagt: 'Ach nein, die kenne ich doch seit mehr als 20 Jahren.' Oder 'Ich möchte gerade nicht darüber sprechen.' Dann liest man ein paar Tage später, was die schreiben und denkt schockiert und genervt: 'Man, das bin ich nicht!' Alles ausgedacht und erlogen. Genau damit habe ich einfach mal ironisch abgerechnet. Denn so ist es ja leider auch.

Das kann ich gut nachvollziehen. Nun zielte meine Frage aber eher allgemein auf die betont derbe Sprache. Das Muschi/Kotze-Ding zieht sich doch wie ein roter Faden durch die Platte.

(Energisch) Aber Ulf, es gibt doch nun wirklich nicht wenige Mernschen, die so reden. Das wollte ich eins zu eins als Spiegel abbilden. Setz dich doch abends nur mal in eine Kneipe und höre zu. Egal ob Männlein oder Weiblein. Und da soll man doch bitte nun bei mir nicht so tun, als ob das jetzt was Fürchterliches wäre. Ich und wir alle haben doch schon Menschen erlebt. Wenn die den Mund aufmachen, denkt man: Mein lieber Mann! Vor allem, wenn etwas getrunken wurde. Das ist doch aber vollkommen normal und nicht tragisch, mein Gott. Meine Kinder sind zehn und elf Jahre alt. Die musst du mal reden hören.

Ha, deine Kids sind bestimmt härter als du und hören Bushido-Platten, oder?

Natürlich. Deswegen finde ich das auf meiner CD gar nicht tragisch. Joschka Fischer hat vor ca 20 Jahren schon mal im Parlament gesagt: 'Mit Verlaub, Herr Präsident. Sie sind ein Arschloch.' Außerdem wollten wir auch den Kontrasteffekt haben. Die Musik ist auf der Scheibe ja immer gegensätzlich. Der Text ist ja viel zu schlimm für die schöne Musik. Da steckt doch Absicht hinter.

Und da hast du dir den guten Jan Fedder für "Der Frühe Vogel" geholt. Der kann ja nicht nur den Fernsehbullen geben oder im "Boot" rumhängen. Der hat ja schon was drauf.

Jan und ich kennen uns wirklich schon sehr lange. Und wir haben mal darüber gesprochen, ob er nicht mal Bock hätte, einnen Titel zu singen. Da sagt der dann ja einfach: 'Kla' du!' Da habe ich ihn dann um halb eins am Mittag abgeholt. Er hat sich das im Studio dreimal angehört und dann lässig in einem Take eingespielt. Unglaublich!

Ihr habt das Lied also nicht gemeinsam komponiert?

Nein, nein, das war alles schon fertig.

Neben unzähligen anderen Shows hast du auch mal vor Jahren die großartige französische Musiksendung "Taratata" in einer deutschen Variante. Warum ist denn ausgerechnet das Schönste, was du jemals für das Privatfernsehen gemacht hast, so sang- und klanglos verschwunden?

(Finster) Weil es nicht finanzierbar ist.

Kann das der Weisheit letzter Schluss sein? Die Franzosen können es doch auch seit 20 Jahren finanzieren.

Die Franzosen können vieles. Das ist Teil unseres Problems. Deshalb sind die uns auch in so einigen gar nicht wenigen Sachen voraus. Oh ja, das wäre ein Format, das würde ich heute noch gern machen. Die klare Überlegenheit der Franzosen zeigt sich schon in der Methode. Die machen so was einfach und basta!

Ich hatte befürchtet, dass du das sagst. Keine Chance in Deutschlands mitunter recht platter Medienlandschaft?

Ach hör doch auf. Bei uns würde das – wenn überhaupt – nur mit einem dicken Sponsor gehen. Finde mal einen solchen in den heutigen Zeiten. Das ist ein unlösbares Problem. Von Leuten wie dir oder euch bei laut.de ... Ok, da würde ich wohl für so etwas kompetente Unterstützung erhalten. Aber die Fernsehgewaltigen, die es zu entscheiden haben, sind leider alle nicht so. Null Musikaffinität. Die glauben alle, sie würden mit Musik keine Zuschauer bekommen. Das glaube ich aber nicht. Das ist Quatsch. Man muss es nur richtig machen.

Aber was ist richtig? Ein Lied wie "Deutschland sucht ..." kannst du dir doch teilweise auch selbst ins Stammbuch singen. "Wir waren mal das Land der Dichter und Denker, der Richter und Henker. Vor kurzem noch das Land der Zocker und Bänker." Das ist zwar sehr gelungen. Aber hast du nicht indirekt selbst mitgeholfen, dass große Teile der Gesellschaft sich nicht einfach nur mal vom Alltag ablenken lassen wollen, sondern flächendeckend entpolitisiert sind. Nach dem Motto 'Ich weiß nicht, was die OPEC ist, aber ich kann dir DSDS und Promi, ärgere dich nicht erklären.'

Nein, warte. Also das muss ich berichtigen. Egal ob 'Promi ..'', 'Alles nichts' oder 'RTL Samstag Nacht'. Wir haben da doch nichts gesucht. In meinen Formaten habe ich doch immer einfach nur Quatsch gemacht. Einfach nur Unterhaltung. Nicht mehr und nicht weniger. Fast genau das gleiche wie bei ARD oder ZDF in den 60er oder 70er Jahren. Einer wie Peter Frankenfeld hat nur und ausschließlich Unterhaltung gemacht. Kulenkampff hat nur Unterhaltung gemacht. Letzterer etwas intelligenter als wir. Das gebe ich zu. Aber so anders war die Unterhaltung nicht. Spielchen machen und am Schluss flog ein Würfel. Bis dahin fand ich im neuen Medium auch alles wunderschön und großartig. Ich habe auch nichts dagegen, dass man mal eine Casting Show macht. Bevor du mir das gleich vorwirfst. Ja, ich habe auch eine gemacht.

Das meine ich, Hugo. Du hast doch nun wirklich so einiges von dem, was du heute anprangerst, auch selbst gemacht. Das können wir doch nicht wegwischen.

Moment, Ulf. Das ist zwar auf den ersten Blick richtig. Aber da gibt es doch einen kleinen aber wichtigen Unterschied. Du hast DSDS genannt. Und es ist doch ein Unterschied, ob man eine Castingshow macht, in der es letztendlich überhaupt nicht mehr um Musik geht. Schwerpunkt sind die sozialen Brennpunkte der Kandidaten und deren Zickenkrieg. Es geht auf einmal nur noch darum, ob Menowin wieder im Knast ist. Aber die Musik, die am Ende dabei als Ergebnis herauskommt, interessiert doch wirklich niemanden. Das heißt in der Konsequenz: Man hört von den Kandidaten hinterher auch nichts mehr. Das ist doch alles nur noch fürchterlich. Ich lese mittlerweile jeden Tag von irgendwelchen ehemaligen DSDS-Menschen. Herr Menowin sitzt im Gefängnis und Herr Küblböck hat eine Solarfirma gekauft. Das mag ja alles wunderbar sein. Nur mit Musik hat es nichts zu tun.

"DSDS? Nur Zickenkrieg und soziale Brennpunkte."

Ok, geschenkt. Und der Verdienst deiner Show?

Ich hingegen habe eine Sendung für das Tarzan-Musical-Casting gemacht. Da war klar, es wird keine Quote wie bei DSDS geben. Aber das war ok. Bei uns ging es eben wirklich darum, zwei Hauptdarsteller zu finden. Da schalten eben eher die Interessierten ein. Aber der Clou an der ganzen Sache ist: Wir haben die auch gefunden und sie haben es gespielt. Es ist doch ein Riesenunterschied, ob man als Ergebnis einer Sendung irgendne kleene Platte aufnimmt, etwas in den Charts dümpelt und nach einem halben Jahr wieder weg ist. Oder ob man geschlagene zwei Jahre lang jeden Abend live auf der Bühne steht. Phil Collins war sogar da und hat mit denen geprobt und gesungen. Es war herrlich.

Echt, Onkel Phil war persönlich vor Ort?

Na klar war der da. Das war Top-Handwerk. So was mache ich alles gerne und lasse mich da auch nicht gern in einen Topf mit den abschreckenden Beispielen werfen. Wenn ich den Fernseher anmache – und da will ich gar nicht nur auf DSDS einschlagen – da wird doch nur noch gesucht. Der Bauer sucht ne Auswandererfrau. Der sucht dies. Andere jenes. Den besten Koch. Man wird doch langsam wahnsinnig mit so was.

Da rennst du bei mir offene Türen ein. Doch genau darauf zielte meine Frage. Dass du dich persönlich mit deinen Formaten unterscheidest, ist mir bewusst.

Eben, eben. Das ist wichtig.

Aber du kennst doch den alten Spruch: 'Wenn man sich mit dem Teufel einlässt, verändert sich nicht der Teufel'. Dadurch, dass du die ganzen Shows nicht bei anderen Sendern gemacht hast, hast du andererseits doch genau jenen Leuten auf der dunklen Seite der Medienmacht in die Hände gespielt, die das Ganze absehbar zur Total-Nivellierung der deutschen Fernsehunterhaltung genutzt haben.

Ich kann ja nur für mich sprechen. Und da muss ich dir ganz klar sagen: Ich hätte eine Sendung wie DSDS oder wie sie alle heißen, nicht gemacht. Niemals. Auf gar keinen Fall. Dickes Ausrufezeichen!

Das ist doch mal ein klares Statement.

Und zu meiner Privatfernsehenvergangenheit kann ich auch nur sagen. Obwohl ich zu allem Gemachten stehen kann, ist es doch schön, wenn man damit Erfahrungen sammelt und klüger wird. Ich habe ja auch nichts gegen ein, zwei tolle Castingshows. Aber mittlerweile sind es doch 200.

Dein Kumpel Uli Salm hat schon mit Chuck Berry, Eric Burdon, Screamin' Lord Sutch oder John Mayall auf der Bühne gestanden. Allesamt unangepasste Pioniere. Warum also so eine schlaff typische Mainstream-Produktion?

Da kann die Band gar nichts für. Das wollte ich nämlich so. Uli und ich haben es zwar gemeinsam produziert. Aber letztendlich ist es doch meine CD. Und sie ist textlastig. Ich bin ein Mensch des Wortes. Ok, auch der Musik. Ganz klar. Aber ich komme eigentlich vom 'Wort'. Und wenn ich dann einen bestimmten Text verfasse, möchte ich schon gern, dass man darauf achtet. Natürlich könnte ich Lieder machen mit Trallala und Lallala. Das will ich aber nicht.

Wir missverstehen uns. Mein Eindruck: Gerade wegen der Textlastigkeit könnte der Dudelrock doch kontraproduktiv sein. "Die Letzte Fahrt" z.B. kommt kehlig und angeraut mit Wahwah-Backing Vocals. Eigentlich geil. Aber auch eine verschenkte Chance, weil alles bis auf deine Stimme so handzahm arrangiert wurde. Nichts klingt hier so abgerockt, wie man bei der letzten Fahrt aussieht.

Neenee. Ich verstehe deinen Standpunkt. Aber genau das haben wir doch bewusst so gemacht. Auch musikalisch ist Weglassen manchmal mehr. Alles, was ich da reinknalle, lenkt nur vom Text ab. Das soll nicht sein. Das war nun wirklich von Anfang an eine völlig klare Sache.

Dann würdest du die Scheibe eher als eine Art Liedermacher-Album einordnen?

Eher so. Ja. Das trifft es schon.

Würdest du dich als religiösen Menschen beschreiben?

Nein.

Spielt dein Judentum auch eine spirituelle Rolle oder ist das ein rein biografisches Detail, rein familienhistorischer Natur.

Spielt alles keine Rolle. Rein biografisch, ja.

Auch ich liebe das "House Of The Rising Sun". Aber warum wieder so einen 1000-fach gecoverten Gassenhauer, den man ohnehin jeden Tag in irgend einnem Sender hört? Die 60er bestanden doch noch aus anderen Sachen. Jüngere könnten doch fast glauben, man hatte damals im ganzen Jahrzehnt nur zwölf Lieder parat.

Das ist mir wirklich ganz egal, wer das schon gemacht hat. Auf so etwas darf man als Künstler nichts geben. Das Lied ist einfach mal eine unfassbar schöne und geile Harmoniefolge. Außerdem gibt es doch bestimmt keinen Menschen auf der Welt, der irgendwann mal in einer Band angefangen hat und sich nicht mit diesem Text rumgeschlagen hat. (Feixend) Auch hier geht es – wie du siehst – wieder besonders um den eingedeutschten Text.

Lieber Hugo, ich danke dir für das schöne Gespräch.

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