Warum könnte man mir wirklich jeden Schmu verkaufen, wenn man ein paar asiatische Schriftzeichen darauf malt? Geht ja nicht nur mir so. Asiatische Musik aller Genres lockt Musiknerds mit einer Illusion von Fremdheit und Exotik, die eigentlich so nicht ganz fair ist. Ja, andere Länder, andere Sounds, …

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  • Vor einem Jahr

    Unglaublich schöner und elaborierter Tipp. Außerdem eine wunderbar gelungene Betrachtung hinsichtlich Mythos in neuer (Pop-)Musik nur noch als Verkaufsmasche wahrnehmen oder gar nur noch das vollständige Fehlen aller echten Mythen in Pop-Musik konstatieren können, da einem die Gesangssprache geläufig ist und/oder die Musik dazu eh schon wie der drölftausendste Wiederaufguss einer allzu bekannten Pop-Erfolgsformel vorkommt.
    Auch wenn Aoba hier immer wieder mit an und für sich bereits bekannten Harmonien und Versatzstücken von Folk- und Weltmusik aus anderen Ecken derselben jongliert ist es nicht bloß die mir völlig unbekannte Gesangssprache, die ihren Stücken diesen völlig eigenen Twist verleiht, sondern die in der Rezi äußerst treffend dargelegte Integration ihres Gitarrenspiels in den Gesang, so als werde sie selbst ein einziger, kosmisch einheitlicher und gewaltig nuancenreicher Klangkörper während sie singt und spielt.
    Was Du über die Faszination an Gesang in Sprachen, die einem selbst unbekannt sind, geschrieben hast, erinnerte mich zudem häufiger an den Ansatz der isländischen Band Sigur Ros - Texte in einer Phatasiesprache, obwohl deine Muttersprache bereits eine von denen ist, die vielleicht 1-2 Mio. Menschen auf der Welt fließend beherrschen, nur um durch den Einsatz der Phantasiesprache die Identifikationsfläche sowie Mythos um und gleichzeitig die Universalität der eigenen Musik zu erhöhen...

    Klingt ohne einen stringenten Vorbau und die niedrigschwellige Herleitung deines Textes jetzt äußerst plump, aber eine ähnliche Erfahrung hatte ich mit lateinamerikanischem Folk und Jazz beim Spielen von GTA Vice City und dem Hören des dort integrierten fiktiven Radiosender Espantoso. Hat mich weit und tief in eine damals mir völlig unbekannte, faszinierend neue und an so vielen Stellen mythisch besetzte Musikwelt katapultiert, gerade auch da ich damals außer Bahnhof noch keine drei Brocken Spanisch verstand. Heutzutage fühle ich mich in den süd- und mittelamerikanischen Genres von Salsa bis Rumba genauso wohl und heimisch wie ich es mit 14 beim Hören irgendwelcher Speed- und Thrashmeddl-Kapellen tat. Wenn ich darüber im erweiterten Bekanntenkreis spreche werde ich sicher nicht so schief beäugt wie wenn Yannik seine Büchse des K-Pop auf ner Hausparty öffnet, das ist wohl gleichzeitig Fluch und Segen der kulturellen Entwicklungen in Mitteleuropa zwischen den Veröffentlichungen von "Buena Vista Social Club" und "Despacito" geschuldet.

    Das ist dann auch das Einzige, was mir nach Lesen dieser Meilenstein-Rezi und dem Hören des darin vorgestellten Albungs noch nicht so ganz aufgeht: Der Text hat es initiativ geschafft, dass ich sofort mit Yanniks Erfahrungen beim Entdecken völlig neuer Musik relatieren konnte und ich beim Hören von Aobas Ichikos "Zero" auch direkt die Dinge wiederfand, die ihn an dieser Musik fesselten und die auch mich sofort an ihre Musik gebunden hätten wenn ich sie ohne Yanniks Text vorab irgendwie selber entdeckt hätte. Aber trotzdem und trotz meiner eigenen analogen Entwicklung neuer Latinfolk-Hörgewohnheiten hab ich bis heute unermessliches Verlangen, allen Menschen wortlos eine zu schmieren, wenn sie mir beim Vorstellen dieser musikkulturellen Vorliebe mit "Ah ja, Despacito und so hör ich im Sommer auch immer gerne!" kommen und sie ggf. anschließend zu 72 Stunden nonstop 100.9 FM Latina Stereo gelegentlich bissl waterzuboarden falls sie sich immer noch uneinsichtig zeigen, dass zwischen Luis Fonsi und Ibrahim Ferrer oder zwischen dem "mediterran angehauchten" Helene Fischer-Kollabo-Somerhit und Marc Ribot & Los Cubanos Postizos mindestens drei völlig unabhängige und offenbar einseitig unerschlossene Paralleluniversen liegen.

    Ebenso viele, wie mMn nach unten hin auch zwischen der Musik von Aoba Ichiko und der von bspw. BTS liegen.