laut.de-Kritik

Zwischen Haudrauf-Core, Dubstep und der eigenen Parodie.

Review von

Erster Gedanke: Was ist das denn? Schon nach den ersten paar Sekunden der neuen Ill Niño-Scheibe bin ich versucht, einen Punkt zu zücken. Ganz so schlimm ist es am Ende glücklicherweise doch nicht. Aber was seit dem letzten Album bei Ill Niño passiert ist, ist schlicht erschreckend. Von den guten Vorgängern "Epidemia" und "Dead New World" ist nahezu nichts übrig geblieben.

Statt auf Latino-Percussion setzt die Band neuerdings auf Dubstep, wenn auch nicht in Enter Shikari-Ausmaßen. "Live like there's no tomorrow / Die like we'll never follow / Let's get high like we don't give a fuck." Die Vocals phrasieren sich durch Klischees noch und nöcher. Cristian Machado liefert das dementsprechende radiotaugliche Gewand. Die eingestreuten Staccato-Gitarren und Shouts wirken wie Parodien ihrer selbst. Über das völlig uninspirierte Solo brauchen wir gar nicht erst zu reden.

"Not Alive In My Nightmare" packt direkt im Anschluss sogar noch eins drauf. Nach schrecklichem EDM-Einstieg versuchen Ill Niño zunächst im Metalcore Fuß zu fassen, um sich dann mit einem grauenhaften Schleimrefrain selbst den Rest zu geben: "I know it's only fantasy / You're not alive in my dream / But I am winning when I am killing you". Machado sagte im Vorfeld, das Album beinhalte mit Abstand die stärksten Texte, die er je verfasst hat. Ähem ...

Songtitel wie "Blood Is Thicker Than Water" sprechen endgültig jegliche Originalität ab. Und Machado wagt es in dem Track tatsächlich, zwischen seine flehentlichen "Come back to me"-Rufe ein grenzdebiles "Singin' ooh, ooh, ohh" zu schieben. Noch schnell "Te quiero, te amo" hinterhergehaucht, dann hat die Qual ein Ende.

Später faselt er in "Are We So Innocent" irgendwas von "Real motherfuckers" und packt die 666-Keule aus. Aber keine Sorge: Im Chorus fängt sich der Herr und treibt die Dudelpopinitiative weiter voran.

In der zweiten Hälfte versinkt die Platte in vollkommener Belanglosigkeit, ist aber dafür nicht mehr ganz so furchtbar anzuhören. Vielleicht haben inzwischen auch einfach sämtliche Geschmacksorgane den Dienst aufgegeben.

Ill Niño tingeln auf "Till Death, La Familia" munter zwischen egalem Haudrauf-Core, Industrial-Anleihen und seichtem Alternative hin und her. Handzahme Aggressionen und klebrige Hooks inklusive. Wenigstens zum Abschluss haut der Sechser noch einen recht soliden Rocksong raus. Mit früherem Schaffen hat aber auch der rein gar nichts am Hut.

Trackliste

  1. 1. Live Like There's No Tomorrow
  2. 2. Not Alive In My Nightmare
  3. 3. I'm Not The Enemy
  4. 4. Blood Is Thicker Than Water
  5. 5. Are We So Innocent
  6. 6. Pray I Don't Find You
  7. 7. World So Cold
  8. 8. Dead Friends
  9. 9. Breaking The Rules
  10. 10. Payaso
  11. 11. My Bullet

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Ill Nino

"The idea is to be as heavy as possible and as melodic as possible — with a Latin twist". Diese Vision hat der ehemalige Pro Pain/M.O.D.-Drummer Dave …

2 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    Das Album klingt schon recht langweilig. Da ist nichts wirklich Spannendes dabei, insbesondere die Drums sind langweilig. Selbst das an und für sich recht Abwechslungsreiche „Are We So Innocent“ verliert sich einem Lalarefrain.

    Schade, gute Ansätze sind vorhanden aber die Ausarbeitung ist auf Albumlänge einfach nicht fesselnd genug.

  • Vor 9 Jahren

    Also ich höre zwar keinen Dubstep wummern, trotzdem finde ich die Samples teils arg kitschig. Ansonsten sind wieder super eingängige Melodien wie auf "Dead New World" vorhanden, weshalb ich der Platte auf jeden Fall 3 Punkte geben würde.