laut.de-Kritik
Karriereschau: Die ultimative "In Ex-perience".
Review von Manuel BergerMan soll sich ja nicht von Äußerlichkeiten täuschen lassen. Im Falle von In Extremos Jubiläums-Best Of darf man allerdings ruhig eine Ausnahme machen. Denn schicke Aufmachung und Quantität ist bei "40 Wahre Lieder" tatsächlich gleichbedeutend mit Qualität. Die sieben Köche lassen keine Wünsche offen.
Zwei CDs und drei DVDs beinhaltet das volle Paket – verpackt im robusten Boxschuber. Gerne doppeln Bands in solchen Fällen Audio- und Videoinhalt: In Extremo sehen davon ab und liefern dafür durchdachten Overkill in Sachen Mehrwert. Auf der Best-Of schreitet man in chronologischer Reihenfolge voran.
Die 40, teils remasterten Tracks zeichnen den musikalischen Werdegang der Band nach. Angefangen bei "Neunerle" von "Die Goldene" endet die Reise schließlich bei "Sternhagelvoll" vom aktuellen Album "Quid Pro Quo". Etwas stiefmütterlich behandelt die Band ganz frühe Werke, aber bevor man nun '60 oder 70 Wahre Lieder' bastelt, hätte man auch gleich die gesamte Diskographie neu auflegen können. Und seien wir ehrlich: Der Sound der Band reifte mit der Zeit, sodass eine Grenzziehung zu einem bestimmten Abschnitt durchaus Sinn ergibt.
Zeit, die Augen zu benutzen. In voller Livesituation bieten In Extremo gar noch mehr Vielfalt: Ganze 42 Songs plus zwei Intros und zwei Harfensoli spielten sie bei ihrer Fete zum 20. Geburtstag auf der Loreley. Beide Konzerte des Happenings sind auf "40 Wahre Lieder" enthalten. Überschneidungen gibt es abgesehen von "Vollmond", "Frei Zu Sein" und dem Jubiläumshit "Loreley" keine zwischen den Shows.
2017 sahnten In Extremo bei den Metal Hammer Awards den Preis für Beste Liveband ab. Warum, das stellen sie hier unter Beweis. Sie sind eine der Bands, von denen man guten Gewissens sagen kann, dass sämtliche Songs in Livesituation noch mal bedeutend wachsen – der Kontrast zwischen zarten Harfenklängen und Pyrorock kommt hervorragend zur Geltung, Mittelalter- und Metalfraktion wachsen noch näher zusammen. Dazu kommt, dass Michael Rhein seine Fähigkeiten erst auf der Bühne richtig entfaltet. Seine Präsenz reicht locker aus, um neben der Loreley auch noch das auf dem Sofa lümmelnde Publikum zu bespaßen.
Eine gute Figur macht Das Letzte Einhorn auch bei der gut halbstündigen Akustikshow, die als Bonus auf DVD 3 beiliegt. Als Vorbereitung für zwei Tage Totalabriss schipperte die Band mit einigen Frühbuchern gemütlich auf dem Rhein unmher und spielte mit Weißbier, Blumenstrauß und Spitzendeckchen besinnliche Versionen von unter anderem "Gaukler" und "In Diesem Licht". Mit "Lebensbeichte" gibts außerdem noch ein Lied zu hören, das weder auf der Audio-Best Of noch in der Loreley-Setlist enthalten ist. Rheins Stimme funktioniert überraschend gut im Akustikkontext, Metaltrommler Specki hockt sich gemütlich auf die Cajon und die Pfeifer profitieren von der leiseren Grundstimmung.
Rundes Paket oder? Guess what: Es ist noch nicht zu Ende. Der WDR begleitete die Band in der Vorbereitung auf das Jubiläum und nutzte die Gelegenheit, eine 75-minütige Dokumentation zu drehen. Die Filmer zeichnen die Geschichte der Band von den Anfangstagen an nach. Zu sehen und hören gibt es sogar Footage aus der Punkjugend der Mitglieder und von frühen Auftritten auf Mittelaltermärkten.
Dazu gewähren die Musiker Einblicke in ihr Privatleben. Pymonte nimmt das Kamerateam mit zur Jagd nach Rügen und spielt Harfe auf einem kleinen Steg. Specki und Gitarrist Basti feilen zuhause in Prenzlauer Berg an Demos, Micha bekämpft einen Wasserschaden und speist mit Gründungssackpfeiferin Conny Fuchs, die bei ihm zur Untermiete wohnt. Offenbar kam ihnen das Jubiläum selbst in der Doku zu kurz, denn ein kurzes Extra-Interview liefern sie als Zuckerl obendrauf.
Klar, zumindest den Audioteil könnten sich die Fans mithilfe der über die Jahre angehäuften Alben selbst zusammenstellen. Aber das haben Best-Ofs nun mal so an sich. Aber gerade wegen des üppigen DVD-Teils lohnt sich "40 Wahre Lieder" allemal. Noch mehr und noch besser abzuliefern, wäre hier schlichtweg kaum möglich gewesen. Insgesamt kauft man hier acht Stunden In Extremo und jede Sekunde davon ist es wert.
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