laut.de-Kritik
Fast schon provokativ solide Rocksongs.
Review von Katja ScherleZwei Jahre nach "A Crow Left Of The Murder" werfen Incubus wieder ihre Granaten auf den geneigten Hörer: "Light Grenades" lautet der Name des neuen Albums und beginnt so, wie man es sich von den Kaliforniern erhofft.
Der Opener "Quicksand", erinnert an Radioheads "Everything In Its Right Place" und macht Laune, Brandon Boyds Produkte weiter zu inspizieren. Ob jedes Stück in seinem musikalischen Waffenschrank so wunschlos glücklich macht? Der richtige Anfangskracher kommt erst mit "A Kiss To Send Us Off".
Eingeleitet von einer Passage, die fast wie die Probe eines Sinfonie-Orchesters klingt, drängt sich der Part, auf den man eh schon wartet, endlich vor. Das rockt. In geisterhaftem Nachhall zieht sich Boyds Stimme durch laute Gitarren, Drums und Refrainshouts im Stile Limp Bizkits. Und mit den letzten Sekunden unterschreibt man ihm endgültig den Lieferschein für einen zukünftigen Incubus-Klassiker à la "Megalomaniac" oder "Are You In?".
"Dig" macht genau da weiter. Im atmosphärischen Gitarrenintro sieht man fast The Edge wahlweise Herrn Johnny Buckland an der Gitarre stehen. Gefällig und angesichts des Mangels an ohrenstrapazierenden Saitengriffen fast poppig genug fürs Vormittagsradio. Trotzdem Daumen hoch.
Dasselbe gilt für die erste Singleauskopplung "Anna Molly". Auch sie erinnert vom Tempo her daran, dass Incubus eigentlich eine Rockband sind. Bis zum letzten Drittel regiert allerdings die Popmusik - wenn auch äußerst ansehnlich mit Boyds Melodramatik. Dann folgt ein lauter Endteil und mein Zwischenfazit: Die Lichtgranaten, die einen bisher attackierten, erhellen die Wohligkeit des Hörers enorm.
"Love Hurts" bombardiert einen dann aber eher mit einer Armada von Fragezeichen als von Glückshormonen. Was soll das denn? Eine nette Ballade allemal, aber die Gewöhnlichkeit kriecht hier schamlos aus allen Ecken. Obwohl Incubus mit einem gelben Aufkleber auf der CD-Hülle für dieses Stück werben, protzt es mit keinerlei Raffinessen, sondern mit einem Refrain harmlos wie aus dem Kirchengesangsbuch inklusive trivialem Text: "Love hurts / but sometimes it's a good hurt / and it feels like I'm alive".
Zuvor noch von verschiedensten positiven Eindrücken geradezu hinweg gespült, wird man hier auf den, wenn auch rockenden, Boden der Tatsachen zurückgespuckt. Was Incubus ab Track fünf abliefern, sind provokativ solide Rocksongs, an denen es nichts zu bemängeln gibt. Fast schon im Stile von Bands wie 3 Doors Down: zeitgemäß, aber irgendwie charakterlos.
Der schnelle Titeltrack "Love Grenades" trägt in seiner wuchernden Gitarrenarbeit und seinem poetisch anklangenden Text ("We're given a garden / and gave back a parking lot") fast einen punkigen Iro, was Incubus nach erster Irritation gut zu Gesicht steht. Trotzdem ist man immer wieder versucht, die Songs ab Track fünf auf jene Vielschichtigkeit und den jenen Stoff abzuklopfen, den man der Band bis dahin ungesehen abkaufte.
Laut Booklet soll Chris Kilmore Instrumente wie das Mellotron, ein elektromechanisches Keyboard, das Marxophone, eine Zitter, und das Theramin, ein skurriles Instrument das ohne Körperkontakt gespielt werden kann, verwendet haben. Genau dies sind die Dinge, für die man Incubus gleichzeitig umarmen und schütteln möchte: Mehr davon! Mag zwar sein, dass auch der zweiten hälfte der Platte solche Spielereien zu Grunde liegen. Anhören tut es sich aber nach einem schwarzen Loch, das alles außer Bass, Gitarre und Drums verschluckt.
"Pendulous Threads" lässt dann endlich wieder mit dissonantem Zusammenspiel von Boyds Gesang und Michael Einzigers Gitarren sowie Bassist Ben Kenneys Zwischenrufen. Sie haben also nicht vergessen, wie es geht! "Earth To Bella, Part II" mit elektronisch verschrammelten Gitarren einen gekonnten Schlusspunkt hinter ein Album, das einen zwiespältig zurück lässt.
Eigentlich brüsten sich Incubus kräftig für sich und ihr friedlich froh machendes, neues musikalisches Waffenarsenal. Wie sonst erklärt es sich, dass im Büchlein nicht einfach "Organ" und "Piano" angeführt sind, sondern "Hammond B3" und "Rhodes" - Markennamen.
Und deswegen der Appell an die Band, ganz in der epischen Dramatik Brandon Boyds: Spielt ruhig alles aus, was ihr habt (insgesamt dreizehn verschiedene Instrumente auf "Light Grenades"). Aber bitte mehr Lichtgranaten und weniger bodenständige Energiesparlampen. Wir vertragen die volle Dosis über die Spiellänge ein ganzes Albums hinweg!
45 Kommentare
wie findet ihrs?
habt ihrs von anfang an gemocht?
welches is euer lieblingslied?
ich fand light grenades am anfang ja nich so pralle.
aber wird von mal zu mal durch hören und zeit besser.
ich mag solche alben.
love hurts ist top!
dum!
investieren, baby!
Wird es zum Best-Of Album auch eine Rezession geben?
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
"Und deswegen der Appell an die Band, ganz in der epischen Dramatik Brandon Boyds: Spielt ruhig alles aus, was ihr habt (insgesamt dreizehn verschiedene Instrumente auf "Light Grenades"). Aber bitte mehr Lichtgranaten und weniger bodenständige Energiesparlampen. Wir vertragen die volle Dosis über die Spiellänge ein ganzes Albums hinweg!"
Oh ja!