laut.de-Kritik
Mexikanische Nächte sind lang.
Review von Yan VogelEin weiterer Live-Release von Iron Maiden ist ja relevant wie eine ungewaschene Spandex aus den Achtzigern von Bruce Dickinson. Doch einem Konzertereignis von Iron Maiden in den heimischen vier Wänden beizuwohnen, hat auch seine Vorteile. Man hat nicht ständig verschwitzte Haare im Gesicht, keine Fahrtkosten zu berappen, kann die Lautstärke auf ein verträgliches Maß regeln und erspart sich beim Run To The Pils ewige Warteschlangen.
Als Kulisse wählen die eisernen Jungfrauen diesmal Mexico City. Mexikanische Nächte sind lang. Die Getränke gehen viral und sorgen für gute Laune. Da können die Kreuzberger nur von träumen. Die britische Metal-Legende zu Lebzeiten läutet an drei Abenden hintereinander die Glocke zur Party und entfacht eine sensationelle Stimmung.
Die Setlist ist eine Mischung aus den beiden besten Live-Veröffentlichungen "Live After Death" und "Rock In Rio". Die hohe Hitdichte spricht für abgegriffene Tasten an der Metaljukebox, provoziert jedoch auch die Frage, ob es immer wieder "The Trooper", "Run To The Hills" und "Fear Of The Dark" sein müssen?
Steve Harris wirft als Setlist-Sonderling "For The Greater Good Of God" in den Ring, eine typische Komposition des Chefs, die paradigmatisch für weitere Longtracks dieses Formats steht, die die Band seit "Brave New World" zu Hauf veröffentlicht hat. Warum man nicht "Empire Of The Clouds" aufführt, das Orchester-Arrangement aufhübscht und die Spuren vom Band einmischt, bleibt schleierhaft.
Auf "Churchill's Speech" folgt das feurige Einstiegs-Tripple aus "Aces High", "Where Eagles Dare" und "2 Minutes To Midnight". Die darin beschworenen Endzeit-Szenarien haben auch fast vierzig Jahre nach ihrem Erscheinen nichts an Relevanz verloren. "2 Minutes To Midnight" bietet einen schönen Einstieg der drei Gitarren in das ikonische Anfangsriffs aus der Feder von Adrian Smith. "Revelations" gewinnt in der Live-Umsetzung gar noch an Dramatik, da das Resultat voluminöser aus den Boxen tönt.
Jannick Gers mag in Sachen Bühnen-Action weit vorne sein, seine solistischen Bemühungen klingen leider bescheiden. Dagegen läuft Dave Murray zur Hochform auf. Der für seine fluid-fluffigen Soli bekannte Langzeitklampfer erwischt für seine eruptiven Improvisationen ein gutes Zeitfenster und legt einige klasse Spots aufs Parkett.
Bruce Dickinson legt eine beeindruckende energetische Leistung in Sachen Performance und Tonumfang an den Tag. Es ist stets eine irrwitzige Leistung, bedenkt man die Wortfülle, die Bandchef Steve Harris ohne Rücksicht auf den Sänger stets in seinen Kompositionen unterbringt. Der Beginn von "The Clansman" klingt nach Schotten, die nach der erfolgreichen Schlacht, bereits dicht sind. Das Tempo schwankt gewaltig und der Keyboarder auf Koks dreht den Lautstärke-Pegel auf Anschlag.
Auch wenn sich Steve Harris Bassspiel seit jeher sowohl klanglich als auch spielerisch von der typischen Grundierung im tiefen Frequenzspektrum unterscheidet, stört die höhenlastige Abmischung für alte Männer etwas. Dennoch gibt die Platte eine gute Mischung ab und spürt der rohen Energie von früher sowie der souveränen Nachlassverwaltung seit den Nuller Jahren nach.
5 Kommentare
Also Live Alben von Maiden machen grundsätzlich Bock, aber das Publikum ist so dermaßen schlecht abgemischt, wie ich es selten gehört habe. Da kommt Flight 666 deutlich geiler rüber. Und ja, in der Tat sind die sechs Eisernen bei „The Clansman“ nicht im selben Tempo unterwegs, aber das war auch mitunter bei zurückliegenden Touren zu beobachten, macht die Band aber nicht weniger sympathisch. Es muss nicht immer alles 100%ig sitzen. Hauptsache der Spaß an der Sache kommt rüber und der Sound stimmt (der, je nach Location, bei Maiden leider nicht immer passt). An der Setlist gibt’s aus meiner Sicht nix zu meckern. Ein, zwei Songs zum Wegtragen des durchgelaufenen Gerstensaftes und zum Holen neuer Kaltschalen machen bei einem Konzert immer Sinn In diesem Sinne, „Up the Irons“!
Keyboarder auf Koks, Jannick mit schlechten Soli. Meine Güte, da wollte der Rezessent wohl zwanghaft witzig sein. Liest sich aber eher peinlich, sorry.
O.k., Livealben haben die Briten eigentlich wirklich zuhauf, aber da diese Scheibe als Alternative zur nicht stattfindenden Tour veröffentlicht wird, ist das doch völlig o.k.
Und bis auf das tatsächlich viel zu leise abgemischtes Publikum (was nonstop am ausrasten ist, was daher doppelt ärgerlich ist), ist es eine richtig geile Live Platte!
Run to the Pils fand ich tatsächlich lustig.
"...provoziert jedoch auch die Frage, ob es immer wieder "The Trooper", "Run To The Hills" und "Fear Of The Dark" sein müssen?"
Antwort: Nein, irgendwann isses auch mal gut.
Ungehört: 1/5
Für meine (nicht mehr ganz jungen Ohren) vieeel zu wenig Bass in der Abschmischung.