laut.de-Kritik
Die Heldin aller Spätpubertären ist zurück.
Review von Michael SchuhKeine Frage, Jeanettes Erfolgsbilanz klingt stattlich, beinahe schon abenteuerlich: Dritte Konzertreise innerhalb von zwei Jahren, mit "Break On Through" obendrein die erste große Hallen-Tournee hingelegt und in fünf Ländern insgesamt über 150.000 Menschen beglückt. Dass Massenkompatibilität nichts über Qualität aussagt, wissen wir allerdings nicht erst seit Modern Talking und so wundern wir uns auch nicht weiter, warum eine dermaßen farblose Frau wie Jeanette solche Erfolgsbilanzen einfährt.
Die Doppel-DVD "Break On Through Tour 2004" ist nach drei Tourneen konsequenterweise die dritte Live-DVD von Biedermann, sieht man einmal davon ab, dass sie auf den Vorgängern mitunter noch saftige Playback-Stützen benötigte. Das Konzept Jeanette Biedermann scheint also vor allem in der Verbindung Ton/Bild zu funktionieren. Wie es sich für einen ordentlichen Ex-Seifenopernstar nunmal gehört. So kommt die Zweier-DVD auch in fettem Surround-Sound und übersichtlicher Menüführung daher, die keine Klagen zulassen.
Dafür ist bei Jeanette schließlich seit jeher der Inhalt zuständig, wie uns schon der Werbeaufkleber auf der DVD-Hülle verrät: "205 Minutes Jeanette Pure Power". Auch die Alltagssprache der Sängerin ist bekanntlich schwer vom Anglizismus-Syndrom befallen, was entgegen vieler Meinungen eben nicht immer auf Coolness hinweist. Auftritt Jeanette: "Braunschweig, lasst euch schön entertainen." Oder: "Ich wünsche uns allen einen schönen Abend, alright?"
Nun ist es ja nicht so, dass Braunschweig sich nicht unterhalten ließe. Die Menge johlt, hält Digital-Kameras und die obligatorischen Liebesschwüre auf Transparenten in die Luft. Als Dank wirbelt Jeanette als Heldin aller Spätpubertären auf der Bühne in meist knappen Kostümen, unterstützt von zahlreichen Backgroundsängerinnen und noch mehr Tänzern.
Nebenbei verdeutlichen ihre Musiker, auch so etwas gibt es bei Jeanette auf der Bühne, das neue Bekenntnis ihrer Chefin zum Rock (was man aber nach wie vor eher an dem gleichnamigen Bekleidungsstück erkennt): Der Gitarrist übt sich bereits zum Opener "Rock City" im Dauerposen, trägt ein nietenbesetztes Lederarmband und in der Backstage-Sequenz gar ein T-Shirt mit der Aufschrift "Punkrock", während man den Bühnendress des Bassers reinen Gewissens als Metal-Pulli bezeichnen kann.
Der Biedermann-Punkrock klingt natürlich eher nach Joan Jett mit Piepsstimme ("Burning Alive"), auch an Belinda Carlisle darf man mal denken ("We Are The Living"), wenn einen Jeanette nicht immer wieder ablenken würde, zum Beispiel mit dümmlichen Songtexten wie "I'm just a bad girl 'cause I stick to my guns". Spätestens hier fragt man sich: Weiß Jeanette eigentlich, was sie da für einen Stuss zusammen singt oder geht das alles auf Kosten der wahrlich pompösen Konfetti- und Pyro-Power ihrer Show, die den Kids von heute den Kopf verdrehen soll?
Dies gelingt Jeanette jedenfalls blendend, ob sie im rot glitzernden Catwoman-Outfit oder im engen Mini wirbelt. Auch eine Paartanz-Einlage und ein Akustik-Set auf dem Publikumslaufsteg werden abgefeiert. Die Star Search-Jurorin verkörpert das deutsche Mittelmaß mittlerweile ähnlich konsequent, wie gegenwärtig die Fußball-Nationalmannschaft. Biedere Handwerker ersetzen echte Künstler, die Pose zählt einmal mehr als die Substanz. Dazu passt ein Satz von Jeanettes Pyrotechnikerin im Bonus-Teil wie die Faust auf's Auge: "Eigentlich kreischt das Publikum immer, wenn ich aufs Knöpfchen drücke."
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