Porträt

laut.de-Biographie

Jessy Lanza

"Ich habe Musikgeschichte studiert. Es hat mir nicht so gefallen", sagt Jessy Lanza. "Beim Musikmachen geht es mir deshalb in erster Linie um Spaß." Für die Kanadierin aus Hamilton, Ontario bildet ihr Debütalbum "Pull My Hair Back" 2013 so etwas wie die Rückkehr zu ihren Wurzeln.

Jessy Lanza - Love Hallucination Aktuelles Album
Jessy Lanza Love Hallucination
Geschnittene Beats, zersplitterte Bässe, tanzende Vocals.

Als Kind musikalischer Eltern vererbt ihr der Vater, der für das Sound-Setup in vielen lokalen Venues zuständig ist, eine Riege alter Hardware-Synthesizer. Lanza beginnt damit zu experimentieren. Doch erst im Zuge einer langjährigen Freundschaft zu einem Hamiltoner Elektropopstar kommen die Geräte auch richtig zum Einsatz.

Besagter Freund heißt Jeremy Greenspan, seines Zeichens 50 Prozent des seit den 2000ern stilbildenden Elektronica-Duos Junior Boys. Aus einer Studioeinladung für Vocal-Aufnahmen zur Junior Boys-LP "It's All True" 2010 erwächst eine tiefgreifende Kooperation über drei Jahre.

Greenspan hilft der ausgebildeten Jazzpianistin und späteren Musiklehrerin nicht nur, Vintage-Synthies wie den PolyMoog auszureizen und ihre kristallin-knisternde Stimme zu gebrauchen; der Junior Boy sichert Jessy Lanza über seine Bekanntschaft zu Steve Goodman auch eine angesagte Plattenfirma als Veröffentlichungsplattform.

Goodman kennt man als Chef des Londoner Dubstep-Pionier-Labels Hyperdub. Dort erscheinen seit Mitte der 2000er nicht nur seine eigenen Releases als Kode9, sondern vor allen anderen die Werke des Genre-Vorreiters Burial.

Mit der Vertragsunterschrift Lanzas wagt Hyperdub nach jüngeren (und ebenfalls weiblichen) Signings wie Cooly G, Laurel Halo und Ikonika den bislang konsequentesten Schritt in neue Genregefilde. "Es ist das erste Mal, dass Hyperdub ein eher R&B-informiertes Album bringt", erklärt ein aufgeregter Steve Goodman zur neuen Richtung.

Für die Produktion von "Pull My Hair" zeichnen Lanza und Greenspan gleichberechtigt als Songwriter und Produzenten verantwortlich. Schon Monate bevor das Album im Spätsommer 2013 schließlich erscheint, feiern Blogs und Presse den leichten, elektrisierenden R&B-Ansatz. In Kanada wiederum ist der Sound seit einem Lanza-Auftritt beim experimentellen Mutek-Festival 2012 schon lange in aller Munde.

Ähnlich der unterkühlten 80er-Disco der Junior Boys, begeistert die Musik mit einem unaufdringlichen Impressionismus. Stilistisch changiert Lanza zwischen Hip Hop-Beats und Arpeggio-Bässen, zwischen gesungenen bis zart gesäuselten Vocals auf schwebenden Synthieflächen und minimalistischen Pianoläufen.

Dabei bekennt sie sich stets zu 90er-R'n'B-Superstars wie Aaliyah oder Ginuwine, 80er-Softrock-Balladen von Billy Idol sowie kontemporären House- und Elektronikproduzenten. "Ich höre sehr viel Mainstream-R&B", lässt Jessy Lanza wissen.

"Irgendwann während meines Studiums in Montreal wollte ich dann Musik machen, nicht bloß darüber schreiben. Ich musste diesen Weg einfach gehen." Rückkehr zu den Wurzeln geglückt.

Lanza findet flugs ihren Stil. Den Dubstep-Wurzeln ihres Labels folgend, finden sich dubbige Weichzeichnungen und Two-Step-Taktmuster immer mal wieder als Gestaltungselemente. Das Album "No One" im Frühjahr 2016 verortet sich gefühlt ein bisschen mehr im R'n'B-Milieu, "All The Time" 2020 einen Ticken mehr in der progressiven Elektronik verschobener Beats, doch die Unterschiede liegen in Feinheiten. Im Wesentlichen hört sich Lanza-Sound nach ihrem einzigartigen Gemisch an.

Eine Club-Tour Anfang 2020 absolviert Jessy gerade noch so kurz vorm Lockdown in Deutschland. Während der Pandemie meldet sie sich mit einem peitschenden Remix des Tracks "Renegade Breakdown" ihrer ebenfalls kanadischen Marie Davidson zurück, deren Vocals wie Micky Maus klingen. Der hypnotische Beitrag "Seven 55" landet auf der 2021er-Edition der renommierten langjährigen DJ Kicks-Serie.

Lanza steuert selbst auch Opener, Closer und ein weiteres Stück für den 67 Minuten-Mix bei, den sie bedachtsam kuratiert. Fürs Cover macht sie sich über Oberflächlichkeit lustig: "Das Artwork ist inspiriert davon, Beauty-Werbeanzeigen auf Busse plakatiert zu sehen", in manchen Ländern üblich, bei uns eher an den Haltestellen. "Ich dachte, es würde ein Spaß sein, mit der visuellen Sprache von Wellness zu spielen. Es ist witzig für mich, zu sehen, wie leicht Leute die Welt von Wellness-Producten als Heilmittel oder Lösung akzeptieren. Die Betonung liegt auf dem Temporären. Ich sehe diese Besessenheit vom Zeitweiligen, das von der Realität, von einem selbst und von den Mitmenschen trennt. Es ist interessant zu beobachten, wie das auch in modernen Beziehungen eine Rolle spielt."

Gegen Liebe als Tinder-Konsumgut wendet sich auch die romantische Seite der nächsten CD "Love Hallucination" (2023). In den Lyrics spielen zwar immer wieder Ängste eine Rolle, andererseits hüllt die Musik sie in den Mantel warmer Geborgenheit.

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