laut.de-Kritik
Ian Anderson hievt das Jahr 1972 ins neue Jahrtausend.
Review von Kai ButterweckAls Jethro Tull ihrem ersten Progressive Rock-Ausrufezeichen "Aqualung" noch einen draufsetzen und mit dem folgenden Konzeptwerk "Thick As A Brick" gar die Billboard-Chartspitze stürmen, hört der hiesige Bundeskanzler noch auf den Namen Willy Brandt.
40 Jahre später leitet hierzulande eine gewisse Angela Merkel die Regierungsgeschäfte, Schwarzweiß-Fernseher gibt es nur noch in Museen zu bestaunen und Willy Brandt ist seit 20 Jahren tot.
Für Jethro Tull, insbesondere Mastermind Ian Anderson, sind die globalen Entwicklungen der letzten vier Jahrzehnte aber noch lange kein Grund, sich derer musikalisch anzupassen. Stattdessen hievt er mit seinen Kollegen das Jahr 1972 ins neue Jahrtausend. Die "Thick As A Brick"-Kunstfigur Gerald Bostock nimmt er einfach mit und lässt dabei den Hörer intensiv daran teilhaben, was aus dem kindlichen Gerald in der Zwischenzeit alles hätte werden können.
Dass ein solches auf den ersten Blick suspekt anmutendes Unterfangen auch anno 2012 noch funktioniert, ist schon erstaunlich. Das liegt daran, dass die Altrocker eben nicht krampfhaft versuchen, ihre eigene Geschichte und die von Gerald Bostock in ein zeitgemäßes Soundgewand zu stecken. Vielmehr machen sie genau da weiter, wo "Thick As A Brick" 1972 aufgehört hat.
Mit vertrackter Rhythmik, verschachtelten Strukturen und einer Klanglandschaft fernab von neuzeitlichen Breitwandproduktionen laden Songs wie "From A Pebble Thrown", "Banker Bets, Banker Wins", "Old School Song" oder "Shunt And Shuffle" zur Reise in die Zeitmaschine. Dabei brilliert Flöten-Hendrix Ian Anderson wie eh und je, und auch seine Mitstreiter zeigen sich in punkto Spielfreude und Versiertheit von ihrer besten Seite.
Zwischen antiquiertem Folk, kammermusikartigen Intermezzi und Classic Rock-Spielereien hangeln sich die Insulaner an ihren eigenen Wurzeln auf beeindruckende Art und Weise in die Neuzeit. Obendrauf ("Might Have Beens", "Cosy Corner") kommt es immer wieder zu unterhaltsamen Storytelling-Passagen, die auch aus der Feder der Monty Python-Sippschaft stammen könnten.
Nach den vergangenen, doch eher zwiespältigen Outputs der britischen Progressive-Ikonen, besinnt sich das Quintett auf "Thick As A Brick 2" wieder seiner Stärken. Die mittlerweile etwas verstreute Anhängerschaft wird ob des opulenten Lebenszeichens ihrer Heroen wieder näher zusammenrücken, und auch der eine oder andere Motorpsycho- oder Sigur Rós-Jünger dürfte sich am mittlerweile 22. Studio-Schaffen der wiederbelebten Urväter des Genres erfreuen.
7 Kommentare
Liest sich besser als eine 3 Sterne Bewertung.
Ich als jahrelanger Tullfan, der 93 mit 9 Jahren das erste Mal auf einem Konzert gewesen ist, ist dieses Album fast schon eine Offenbarung. Klar, bin ich zunächst darüber froh, dass Anderson nach 9 Jahren (Solo Rupi's Dance) bzw. 13! Jahre nach dem letzten Tull Album überhaupt nochmal was rausgebracht hat, aber Taab 2 ist von Anfang bis Ende eine Runde Sache. Zum Glück keine Kopie des Erstlings runden dennoch ein paar Zitate aus Teil 1 dieses Spätwerk ab. Musikalisch ein Genuss, die Texte sind Anderson Like ebenfalls vielschichtig. Dazu gesellt sich der gute Mix von Steven Wilson. Klasse!
Das sind 5 Sterne! Schöne, komplexe Musik mit Tiefgang. Erinnert an alte Zeiten und ist dennoch zeitlos frisch. Steven Wilson, das Multitalent, hat sicherlich seinen Teil dazu beigetragen. Ich kann nicht genug davon bekommen.
Das sind 5 Sterne! Schöne, komplexe Musik mit Tiefgang. Erinnert an alte Zeiten und ist dennoch zeitlos frisch. Steven Wilson, das Multitalent, hat sicherlich seinen Teil dazu beigetragen. Ich kann nicht genug davon bekommen.
Kann euch beiden nur zustimmen...
Es ist eben keine Alternative - Mukke
Volle 5 Sterne, tolle Musik, tolle Instrumentierung, tolle Texte, geile Flöte
Es scheint hier eh so ne allgemeine Abneigung gegen Progressive Musik zu geben. Ich meine "Scenes from a Memory" hat 2/5, das sagt schon alles. Katastrophe.